Hier veröffentlichen wir die Predigten, welche in der Abendmahlsmesse am Hohen Donnerstag, in der Liturgie am Karfreitag, in der Osternachtsfeier, im Pontifikalamt am Ostersonntag und im Konventamt am Ostermontag gehalten werden. Mögen Ihnen die Predigtworte unserer Mitbrüder helfen, tiefer in das Geheimnis unserer Erlösung einzutauchen und daraus zu leben!
Predigt von Fr. Meinrad Hötzel am Hohen Donnerstag, 28.3.2024
Liebe Schwestern und Brüder,
die eigentliche Predigt des Hohen Donnerstags ist die Fusswaschung. Jedenfalls sagte mir das ein Mitbruder, als ich diese Predigt vorbereitete. Dies leuchtete mir ein, weil ich das Zeichen der Fusswaschung wirklich stark finde, und doch dachte ich längere Zeit darüber nach. Vor allem, da heute der einzige Tag ist, an dem vorgegeben ist, wovon die Predigt handeln solle, nämlich: «von der Einsetzung der Eucharistie und des Priestertums und vom Gebot der Bruderliebe».
Von der geschwisterlichen Liebe, die man allen Menschen entgegenbringen soll, erzählt diese Zeichenhandlung in jedem Fall. Dieses Jahr sind einige unserer Gäste eingeladen, sich von Abt Urban die Füsse waschen zu lassen. Dies erinnert uns daran, dass wir in all den vielen Menschen, die mit den unterschiedlichsten Motiven und Hintergründen zu uns kommen, tagtäglich mehr als genug Gelegenheiten haben, nach dem Vorbild Jesu unseren Mitmenschen unsere Liebe und Hilfsbereitschaft entgegenzubringen – dies gilt für uns im Kloster, aber auch weit darüber hinaus. Auch was das Priestertum angeht, hat uns die Fusswaschung viel zu sagen. Denn es wird zwar in der Kirche oft davon gesprochen, dass Amtsträger zu sein eigentlich bedeutet, zu dienen. Dass es dabei jedoch nicht darum gehen darf, hinter dem Begriff des Dienstes Machtmissbrauch zu verstecken, sondern um die dienende Haltung Jesu, wird mit der konkreten Handlung der Fusswaschung doch glaubhafter als mit Worten. Aber die Verbindung zwischen Fusswaschung und Eucharistie war mir nicht auf den ersten Blick klar. Deswegen möchte ich Sie an meinen Überlegungen dazu teilhaben lassen.
Die heutige Lesung aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an die Kirche in Korinth hat mich auf eine Spur gebracht, wie ich besser verstehen kann, was Fusswaschung und Eucharistie miteinander zu tun haben.
Dafür muss ich Ihnen zunächst den Kontext des gehörten Abschnittes etwas erläutern. Paulus schreibt an die Gemeindemitglieder in Korinth, weil sie Probleme mit ihrer Mahlfeier aus gemeinsamem Essen und anschliessendem Gottesdienst haben. Paulus hat von Spaltungen in der Gemeinde gehört. Er wirft ihnen vor, dass sie so zerstritten das Herrenmahl nicht zu ihrem Nutzen, sondern zum Schaden feiern. Denn beim Essen nimmt sich jede und jeder sein eigenes Mitgebrachtes vor, kümmert sich um sich selbst und mit den anderen möchte man so wenig wie möglich zu tun haben. Wenn die Gemeindemitglieder so zusammenkommen, dann kommen sie eigentlich gar nicht zusammen. Die anderen scheinen ja auch nicht wichtig, denn letztlich kommt es ja nur darauf an, dass man nachher beim Herrenmahl Leib und Blut Christi empfängt und so in trauter Gemeinschaft mit seinem Jesus allein und glücklich ist.
So funktioniert das aber nicht, macht Paulus den Korintherinnen und Korinthern klar. Im Briefabschnitt, der auf den Bericht vom Letzten Abendmahl folgt, verweist er darauf, dass auch die zusammengekommene Kirche der Leib Christi ist. Wer sich nun aber der Begegnung mit Christus in den Gliedern dieses Leibes verweigert, die oder der kann nicht erwarten, dass er oder sie Christus auf geradezu magische Weise im Verzehren seines Leibes und Blutes im Herrenmahl begegnen wird. Ganz im Gegenteil! Vielmehr schwächt man damit die eigene Christusbeziehung und zieht auch die geistliche Gesundheit der ganzen Gemeinde in Mitleidenschaft.
Aber warum eigentlich? Was hat das Verhalten gegenüber den Mitmenschen mit dem persönlichen Empfangen von Leib und Blut Christi zu tun?
Um diesen Zusammenhang zu erklären, fügt Paulus in seinen Brief den Bericht vom Letzen Abendmahl ein, den wir als Lesung gehört haben. An dessen Anfang heisst es von der Nacht, in der er ausgeliefert wurde. Man kann das aber aus dem Griechischen auch übersetzen als «die Nacht, als er sich hingegeben hat». Jedenfalls geht es genau darum. Jesus will veranschaulichen, dass er sich in seinem ganzen irdischen Leben für alle Menschen hingegeben hat mit dem Höhepunkt in seiner Lebenshingabe im Tod am Kreuz.
Das «Tut dies zu meinem Gedächtnis» meint also nicht nur die Ausführung des Herrenmahls, sondern ist auch ein Aufruf, Jesus in der eigenen Haltung der Hingabe und im Handeln aus Hingabe zu vergegenwärtigen. Den Tod des Herrn zu verkündigen bis er kommt, meint dann nicht nur, dass man in der Gottesdienstfeier davon spricht und singt bis Christus irgendwann in ferner Zukunft wiederkommen wird. Im Leben von Gläubigen, die Christus persönlich begegnen wollen, wenn sie seinen Leib und sein Blut empfangen, müsste Christi Hingabe sichtbar werden. Und so wird Christus für diese Gläubigen, aber auch für alle anderen schon im Hier und Jetzt gegenwärtig.
Damit sind meine Überlegungen schon ziemlich nah beim heutigen Evangelium angelangt. Jesus wäscht seinen Jüngern die Füsse. Er als Meister und Herr vollzieht einen Dienst, der nach dem Verständnis der damaligen Zeit unter der Würde eines freien Mannes war und seine Ehre verletzte. Jesus nimmt diesen Dienst aus Liebe zu seinen Mitmenschen auf sich. Petrus hält das für völlig unpassend für seinen Herrn. Das kann ich gut verstehen. Aber Jesus fordert uns alle auf, es ihm gleich zu tun. Wir alle, die Christus nachfolgen möchten, sollen einander in der gleichen Haltung der Hingabe begegnen, wie das Christus vorgelebt hat.
Das Johannesevangelium zielt also mit dem Bericht der Fusswaschung auf eine Ermahnung hin, sich in Jesu Haltung hineinzuversetzen. Wir sollen mit dem eigenen Handeln dazu beitragen, dass die von Jesus gelebte Hingabe Gottes für alle und alles erfahrbar wird. Und damit sind wir eigentlich wieder beim Brief des Apostels Paulus. Denn Paulus will die Gemeinde in Korinth daran erinnern, dass die Feier der Gegenwart Christi nicht losgelöst sein kann von der Haltung der Hingabe, die Christus vorgelebt hat.
In diesem Sinne verstehe ich nun auch, wie die Fusswaschung im heutigen Gottesdienst tatsächlich eine Predigt über die Eucharistie sein kann. Denn Christus in der Eucharistie zu begegnen, heisst eben nicht nur private Zweisamkeit mit meinem Jesus zu feiern. Zu dieser Feier gehört die ganze Kirche hinzu. Heute ist es ja nicht leichter als zu Zeiten des Paulus in Korinth alle und alles, was zur Kirche dazugehört, als Leib Christi anzunehmen. Auch heute ist unsere Erfahrung von Kirche durch Spaltungen und Konflikte geprägt. Das Zeichen der Fusswaschung hilft mir da, nicht zu vergessen, dass Christus sich für alle hingegeben hat. Für alle! Sowohl im Grossen von Kirche und Welt als auch ganz konkret hier. Für Sie, für mich, für Ihre Banknachbarn neben Ihnen und meine Mitbrüder hinter mir. Wenn Abt Urban heute einer Auswahl davon die Füsse wäscht, erinnert uns das daran, dass hier zur Eucharistiefeier zusammenzukommen, mehr bedeutet als in feierlichem Rahmen seinen privaten religiösen Bedürfnissen nachzukommen. Sich trotz aller Spannungen und Unterschiede auf die Gemeinschaft der Kirche und jeden einzelnen Menschen einzulassen, schafft Raum, in dem Christi Gegenwart in der Eucharistie wirklich erkannt und erfahren werden will.
Amen.
Predigt von Abt Urban Federer am Karfreitag, 29.3.2024
«Einer der Soldaten stiess mit der Lanze in seine Seite und sogleich floss Blut und Wasser heraus.»
Dieser Satz, liebe Schwestern und Brüder in Christus, fällt in der Leidensgeschichte, die wir eben gesungen vernommen haben, kaum auf. Für die damalige Zeit war der Satz offenbar me-dizinischer Hinweis genug, dass Jesus tot ist: Blut und Wasser sind voneinander geschieden. Feiern wir heute Nachmittag also einen Toten? Feiern wir am Karfreitag mit dem Kreuz den Tod?
Als das Johannesevangelium geschrieben wurde, ging es bereits nicht mehr um das reine Er-zählen einer Geschichte von Leiden und Tod. Menschen im ersten christlichen Jahrhundert hörten in diesen Worten eine Botschaft, die uns heute fremd ist. «Sogleich floss Blut und Wasser heraus.» Das Blut steht seit dem Exodus des Volkes Israel, dem Auszug aus der Sklaverei aus Ägypten, für Befreiung, für Erlösung. Darum wird Jesus zu Beginn des Johannesevangeliums «Lamm Gottes» genannt, weil Johannes der Täufer Jesus uns als Erlöser vorstellt. Wie damals in Ägypten, als die Israeliten ein fehlerfreies, männliches, einjähriges Lamm neh-men mussten, dessen Blut über ihren Türen den Tod abhielt, nennen wir Christus noch heute in der Liturgie «das Lamm Gottes», denn er ist für uns Befreier und Erlöser von Tod und allem, was uns von Gott trennt. Und wie Mose am Berg Sinai das Blut von jungen Stieren nahm, das Volk damit besprengte und damit den Bund Gottes mit seinem Volk schloss, steht das Blut Jesu für den neuen Bund, für den Kelch der Eucharistie: Gott ist in Christus für immer unter uns, er verlässt uns nicht.
«Sogleich floss Blut und Wasser heraus.» Nicht weniger an Bedeutung hörten damalige gläubige Menschen beim Wort Wasser. Durch das Wasser des Meeres führte der Exodus, die Flucht aus Ägypten, durch das Wasser des Jordan der Weg ins gelobte Land. Wasser reinigt. Jesus wurde von Johannes dem Täufer im Wasser getauft. Und die Taufe im Wasser ist die Geburt jeder Christin und jedes Christen zum Leben in und aus Jesus Christus. «Sogleich floss Blut und Wasser heraus.» Während das Blut also für die Erlösung durch Christus steht, steht das Wasser dafür, dass Gott Leben gibt. Das Johannesevangelium hat also nicht im Sinn, einen Toten zu feiern, den Tod zu verherrlichen. Auch wenn wir heute das so auf den ersten Blick nicht hören können: Diesem Evangelium geht es auch im Kreuz um das Leben!
«Sogleich floss Blut und Wasser heraus.» Für die Kirchenväter der ersten Jahrhunderte, etwa für den hl. Augustinus von Hippo, ist dieser Moment am Kreuz die Geburtsstunde der Kirche. Alle Menschen, die sich taufen lassen und damit zur Kirche gehören, haben Anteil an der Er-lösung und am Leben Gottes, die uns die Hingabe Jesu für uns Menschen schenkt. Und wir sind als Kirche berufen, diese Hingabe weiter zu schenken. Diese beiden Aspekte unseres Glaubens: von Gott Leben und Erlösung zu empfangen und in der Haltung Jesu dieses Geschenk weiterzugeben, zeigen sich in den Grossen Fürbitten, die auf diese Predigt folgen. In diesen Fürbitten bringen wir unsere Anliegen vor Gott – einfach ausführlicher als in den übli-chen Gottesdiensten. Zuerst beten wir für alle Stände der weltweiten Kirche und für die Ein-heit des Christentums, bevor wir uns den Nöten der Welt zuwenden. Wir beten also zuerst als Empfangende und dann darum, dass wir göttliches Leben weitergeben können. Dieses Jahr kommen speziell zwei Fürbitten hinzu: für Menschen in den Kriegsgebieten und für Regierende (vor allem in der Ukraine und im Nahen Osten) und für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, die vor vielen Herausforderungen steht und deren Einheit zu zerbrechen droht. Wichtig ist dabei, dass wir Betenden die Möglichkeit haben, an die Menschen zu denken, für die gebetet werden soll. Auf keinen Fall darf bei den Grossen Fürbitten der Eindruck einer Gym-nastikübung entstehen. Sie nehmen uns hinein in unsere Berufung. Die Kirche darf nicht für sich selbst existieren und einfach um sich kreisen. Alles, was sie empfängt, muss den Menschen dienen.
Meine Lieben, wir feiern heute also keinen Toten oder verherrlichen gar den Tod. Wir feiern eigentlich auch nicht den historischen Tod Jesu; das war vor mehr als 2'000 Jahren. Wir wollen in dieser Feier noch mehr aus dem Geschenk des Lebens feiern, das seit der Kreuzigung Jesu uns seiner Kirche anvertraut ist, um Menschen zu dienen, in welchen Lebenslagen sie auch immer sich befinden. Es ist also nicht unwichtig, was wir aus dem Karfreitag, was wir aus dem Kreuz Jesu machen. Eine falsche Botschaft des Kreuzes kann andere erniedrigen, kann ihnen ein Leiden aufbürden, das nicht von Gott kommt, sondern von uns Menschen. Wir können andere vereinnahmen und mit unserer Wahrheit zudecken und einander bösartig im Leben Kreuze aufrichten, wie es die Lesung aus dem Buch Jesaja zeigte, die nicht nur auf Jesus hin gehört werden muss, sondern aktueller nicht sein könnte: «Er hatte keine schöne und edle Ge-stalt, sodass wir ihn anschauen mochten. Er sah nicht so aus, dass wir Gefallen fanden an ihm. Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheit vertraut. Wie einer, vor dem man das Gesicht verhüllt, war er verachtet; wir schätzten ihn nicht. […] Durch Haft und Gericht wurde er dahingerafft, doch wen kümmerte sein Geschick? Er wurde vom Land der Lebenden abgeschnitten.»
Das Kreuz muss vielmehr – wie das in der Musik der Fall ist – erhöhen, Leben schenken. «Sogleich floss Blut und Wasser heraus.» Das Kreuz soll Wege des Lichts und der Hoffnung aufzeigen durch unsere konkreten Taten und durch einen österlichen Blick auf jedes Kreuz, das im Leben von uns Menschen aufgerichtet ist.
Predigt von P. Philipp Steiner in der Osternacht, 30.3.2024
Liebe Brüder und Schwestern, welcher Teil der Osternachtsfeier ist Ihnen der Liebste? Die Lichtfeier mit dem knisternden Osterfeuer auf dem Klosterplatz, mit dem Hereintragen der brennenden Osterkerze und dem sich langsam ausbreitenden Lichtermeer im dunklen Kirchenraum? Oder das poetische Exultet, dieses altehrwürdige Osterlob der Kirche? Oder vielleicht das Eintauchen in die Heilsgeschichte anhand der zahlreichen Lesungen aus der Heiligen Schrift im Wortgottesdienst? Oder war es das von Abt Urban angestimmte festliche Halleluja, das begleitetet wurde vom Klang der Altarglocken und der Orgel? Oder freuen Sie sich schon jetzt auf die Feier der Eucharistie, die Begegnung mit dem Auferstandenen in den Gaben von Brot und Wein?
Für mich persönlich ist es jedes Jahr die Tauffeier, respektive das Taufgedächtnis. Da dieses Gotteshaus eine Klosterkirche und keine Pfarrkirche ist, kommt es bei uns immer wieder vor, dass keine Taufe stattfindet. Falls nicht gerade Mitarbeitende ihren Nachwuchs taufen lassen wollen, eine Lehrperson das Sakrament der Taufe erbittet oder sonst jemand mit einem Bezug zu unserer Klostergemeinschaft die Taufe empfangen möchte, müssen wir uns statt mit einer Tauffeier mit einem Taufgedächtnis «begnügen». Ich persönlich bin dann gar nicht so traurig darüber. Nicht, weil ich zu jener Gruppe Mönche gehöre, denen die Osternachtsfeier ohnehin viel zu lange dauert und die froh sind um jede Kürzung, sondern weil es dann nicht um einen mehr oder weniger herzigen Täufling geht, sondern um uns!
Zwar wird beim Fehlen einer Taufe – wie es heute der Fall ist – kein Taufwasser durch Einsenken der Osterkerze geweiht, doch Abt Urban spricht in der Einleitung zum Segensgebet über das Wasser, mit dem wir anschliessend besprengt werden: «Das geweihte Wasser soll uns an die Taufe erinnern: Gott aber erneuere in uns seine Gnade, damit wir dem Geist treu bleiben, den wir empfangen haben».
Und er schliesst das Segensgebet mit den Worten: «Darum sei dieses Wasser eine Erinnerung an unsere Taufe, es vereinige uns in österlicher Freude mit unseren Brüdern und Schwestern, die in dieser heiligen Nacht getauft werden, und mit allen, die aus dem Wasser und dem Heiligen Geist wiedergeboren sind zum ewigen Leben».
Diese Gebetsworte erinnern uns an die unzähligen Kinder, Jugendlichen und – neuestens vor allem – auch Erwachsenen, die in dieser Nacht aus dem Wasser der Taufe neu geboren werden. So konnte ich vor einigen Tagen die Schlagzeile lesen: «Überraschender Boom von Erwachsenentaufen in Frankreich». Dort hat sich in manchen Diözesen die Anzahl Erwachsenentaufen verdoppelt und die Anzahl junger Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren, welche aus eigenem Entschluss um die Taufe bitten, hat sogar einen Zuwachs um 150 Prozent erfahren. Das ist ein Hoffnungszeichen für die Kirche unserer Tage!
Und die Möglichkeit der Erwachsenentaufe ist immer auch mein persönlicher Trost für jene Grosseltern, welche darunter leiden, dass ihre Kinder die Enkel nicht mehr taufen lassen. Auch wenn die Kindertaufe ihre Berechtigung behält: die Taufe erwachsener Menschen ist eine unglaubliche Chance für die Kirche der Zukunft.
Liebe Schwestern und Brüder, die Kirche hat seit alter Zeit die Osternacht als den privilegierten Ort für die Feier der Taufe betrachtet. Warum aber fanden in der Alten Kirche und finden in unseren Tagen wieder vermehrt Taufen in der Osternacht statt? Das hat – unter anderem – mit dem Apostel Paulus zu tun, der die Taufe mit der Feier von Jesu Tod und Auferstehung verbindet. In der Lesung aus dem Römerbrief haben wir ihn vorhin mit seinen eigenen Worten gehört: «Wir, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, sind auf seinen Tod getauft worden. Wir wurden ja mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod, damit auch wir, so wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, in der Wirklichkeit des neuen Lebens wandeln» (Röm 6,3-4).
Indem wir durch die Taufe hineingenommen werden in Jesu Tod und Auferstehung, erhalten wir auch Anteil an der durch ihn gewirkten Erlösung. Paulus bringt diese Berufung in die Formulierung: «in der Wirklichkeit des neuen Lebens wandeln».
Und warum liebe ich persönlich das Taufgedächtnis in der Osternachtsfeier?
Zwar mag ich die sinnliche Erfahrung, wenn Abt Urban mich mit dem gesegneten Wasser anspritzt – und ich hoffe, er übersieht mich nachher nicht! – aber ich liebe das Taufgedächtnis wegen der sechs Fragen des Taufbekenntnisses. Das dreimalige «Ich widersage» und das dreimalige «Ich glaube» nimmt mich und nimmt uns in dieser Nacht neu in die Pflicht. Die allermeisten von uns haben die Taufe als Kleinkinder empfangen und wurden von unseren Eltern und den Paten an den Taufbrunnen getragen. In dieser Osternacht haben wir die Möglichkeit, neu ernst zu machen mit unserer Taufberufung und mit Gottes Hilfe als «Kinder des Lichtes» zu leben.
Liebe Brüder und Schwestern! Im Evangelium haben wir vorher gehört: Die Frauen «gingen in das Grab hinein und sahen auf der rechten Seite einen jungen Mann sitzen, der mit einem weissen Gewand bekleidet war; da erschraken sie sehr. Er aber sagte zu ihnen: Erschreckt nicht! Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier» (Mk 16,5-6).
Der junge Mann im weissen Gewand wurde damals als Engel, als Bote Gottes, gedeutet. In unseren Tagen könnte er ein getaufter Christ, eine getaufte Christin sein, denn das weisse Gewand darf uns ans Taufkleid erinnern. Wir alle sind eingeladen, für unsere Welt Botinnen und Boten Gottes zu sein, die suchenden Menschen durch unser schlichtes Glaubenszeugnis im Alltag die frohe Nachricht bringen: «Jesus ist wahrhaft auferstanden!»
Amen. Halleluja!
Predigt von P. Lorenz Moser am Ostersonntag, 31.3.2024
Ostern – das grosse Fest der Freude! Ein grosses Aufatmen nach der eher nüchternen und für viele auch harten und anstrengenden Fastenzeit: Das Halleluja darf wieder gesungen werden, die feierliche Musik ist zurück, der Kirchenraum festlich geschmückt.
Und wir haben wirklich Grund zur Freude, feiern wir doch den Kern unseres Glaubens, die Auferstehung des Herrn, wie Paulus im 1. Korintherbrief sagt: «Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos».
Unser Glaube, liebe Brüder und Schwestern, ist nicht sinnlos, denn Christus ist auferstanden, und weil er auferstanden ist, dürfen wir auch an unsere eigene Auferweckung zum ewigen Leben glauben. Bei allem, was passieren mag: wir haben eine Zukunft! Und was für eine Zukunft: Auferstehung, ewiges Leben in Fülle! Wenn das nicht Grund zur Freude ist!
Wie ganz anders haben die Jüngerinnen und Jünger damals den ersten Ostermorgen – nein, nicht gefeiert, sondern auf eine ganz spezielle Weise erlebt: nichts von einem grossen Freudenfest, das kam erst später. «Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt», heisst es von den drei Frauen, die am Morgen früh zum Grab kamen, und von Petrus und Johannes heisst es im soeben gehörten Evangelienabschnitt: «Sie verstanden noch nicht die Schrift, dass er von den Toten auferstehen musste». Der Auferstehungsglaube war nicht von Anfang an da. Jesus war verschwunden, seine Gefolgsleute suchten ihn und haben dabei eigenartige Erfahrungen gemacht, die sie zunächst nicht einordnen konnten. Sie ahnten, dass da irgendetwas Besonderes geschehen sein musste. Erst als sie einander ihre Erlebnisse erzählten, erwachte in ihnen die Überzeugung: Er ist auferstanden. Und je mehr sie einander erzählten, umso mehr bestärkten sie sich gegenseitig in diesem Glauben: Das war die Geburt der Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden. Und nur dank dieses Austausches konnte Petrus, wie wir in der Lesung aus der Apostelgeschichte gehört haben, die Auferstehung Jesu als die Fortsetzung seines irdischen Wirkens verkünden und mit Überzeugung zum Glauben an den Auferstandenen aufrufen.
Mittlerweile ist es uns zur Routine geworden, dass wir im Glaubensbekenntnis beten: «am dritten Tage auferstanden von den Toten». Dabei vergessen wir nur allzu leicht, wie dieser Glauben entstanden ist und auch heute noch entsteht: wir verdanken ihn den Erfahrungen der ersten Jüngerinnen und Jünger, ja dem Umstand, dass diese Botschaft seit zweitausend Jahren durch jene weitergegeben wurde, die sie gehört, in sich aufgenommen und aus ihr gelebt haben. Wir verdanken unseren Glauben der Kirche als der Gemeinschaft der Glaubenden und tragen umgekehrt mit unserem Glauben unseren Teil zu dieser Gemeinschaft bei. Aus dieser Kirche kann man, wenn man wirklich gläubig ist, nicht austreten, man gehört automatisch dazu.
Darum meine ich: wenn Leute, die heute aus der Kirche austreten, behaupten, sie wollten Christen bleiben und es wirklich ernst meinen, dann bleiben sie Teil dieser Gemeinschaft, wenn auch bloss als Passivmitglieder; sie lehnen die Institution «Kirche» ab mit mehr oder weniger stichhaltigen Gründen aus der ganzen Palette zwischen Kirchensteuer und Machtmissbrauch – und vergessen dabei, was sie dieser Gemeinschaft verdanken: ihr Christsein, denn Christ kann man nicht ohne eine solche Glaubensgemeinschaft sein!
Es wäre gut, wenn dieser Aspekt der Kirche wieder vermehrt in den Mittelpunkt und in unser Bewusstsein rücken würde. Kirche ist nicht in erster Linie «Institution», sondern Gemeinschaft der Glaubenden.
Dies zu erfahren, dazu gibt uns der heutige Festgottesdienst eine gute Gelegenheit, denn wir haben uns hier versammelt, um miteinander den Glauben an den Auferstandenen zu teilen, auch wenn wir nicht gross von unseren Gotteserfahrungen erzählen, wie es die Jüngerinnen und Jünger damals getan haben, aber wir wissen voneinander, dass wir an den Auferstandenen glauben, und damit bestärken wir uns in diesem Glauben. Und wenn der Auferstandene uns nicht leibhaftig erscheint wie damals, so wissen wir doch: er ist da, mitten unter uns. Amen.
Predigt von P. Justinus Pagnamenta am Ostermontag, 1.4.2024
Liebe Brüder und Schwestern in Christus!
Ein gut befreundeter Priester, der seit Jahrzehnten in Athen wohnt und dort als Seelsorger für die deutschsprachige Gemeinde wirkte, liess uns vor einem Jahr – anlässlich des Osterfestes – ein Foto von einem Stadtbus zukommen. «Was hat ein Stadtbus von Athen mit Ostern zu tun?» – werden Sie sich wohl fragen. An sich nicht viel, wäre da nicht ein nicht unbedeutendes Detail: Auf der Fahrzielanzeige über der Frontscheibe stand nicht das Ziel der Buslinie, sondern die Aufschrift: «Christòs anésti!» – ins Deutsche übersetzt: «Christus ist auferstanden!».
«Christòs anésti!» – «Christus ist auferstanden» ist der typische Ostergruss in orthodox geprägten Ländern wie Griechenland. «Christòs anésti!» – «Christus ist auferstanden». Die Antwort darauf lautet: «Alithõs anésti!” – «Er ist wahrhaftig auferstanden». Dieser Ostergruss soll die Christen daran erinnern, dass Jesus Christus wirklich auferstanden ist, dass seine Auferstehung keine erfundene Erzählung ist.
Es ist wichtig, dass wir Christen uns gegenseitig in dieser Glaubenswahrheit bestätigen, denn die Auferstehung Christi wurde von den Anfängen der Kirche bis zum heutigen Tag immer wieder in Frage gestellt. Der Glaube an die Auferstehung war und ist immer noch ein Stein des Anstosses.
Im Laufe der Jahrhunderte sind viele mehr oder weniger abstruse Theorien und Spekulationen über die Auferstehung Jesu aufgetaucht: Die Jünger sollen den Leichnam gestohlen und dann die Auferstehungsgeschichte erfunden haben (vgl. Mt 28,13). Eine andere Theorie besagt, dass nicht Jesus, sondern ein Doppelgänger am Kreuz gestorben sei. Andere meinen, dass der vom Kreuz abgesetzte Jesus nicht wirklich tot war: Es sei nur ein Scheintod gewesen. Wieder andere behaupten, die Auferstehung des Herrn sei eine rein subjektive Erfahrung der ersten Jünger und das «leere Grab» sei nur eine Metapher.
Es gibt viele Theorien und Spekulationen über den Tod und die Auferstehung Jesu. Für uns Christen jedoch bleibt die Auferstehung des Herrn eine Glaubenswahrheit, auf die wir niemals verzichten können. So war es für die Apostel, so war es für die Christen der ersten Jahrhunderte und so ist es auch für uns Christen des 21. Jahrhunderts. Die Zeugnisse der Heiligen Schrift, der Apostel und des Urchristentums sind sich einig: Jesus, der Christus, ist wirklich auferstanden, und mit ihm werden auch wir auferstehen. Ohne diese Gewissheit wäre unser Glaube leer und sinnlos (vgl. 1 Kor 15,14).
Wir müssen unbedingt einen Einwand ausräumen, der allzu oft gegen den christlichen Glauben vorgebracht wird. Manche meinen, der Glaube an die Auferstehung sei nur ein billiger Trost, bloss eine Vertröstung auf ein besseres Jenseits. Oder, wie Karl Marx sagte: Religion sei «Opium des Volkes», ein Mittel, Armen und Benachteiligten ruhigzustellen.
Nichts könnte falscher sein! Der Glaube an die Auferstehung ist keine Einladung, untätig dahinzuleben und bessere Zeiten abzuwarten. Vielmehr gibt uns der Glaube an die Auferstehung Orientierung und Lebenssinn. Mit der Zuversicht, dass uns etwas unvergleichlich Besseres als dieses irdische Leben zuteilwird (vgl. Röm 8,18), haben wir keine Angst mehr, zu kurz zu kommen. Vielmehr gewinnen wir Mut und Kraft, uns den Herausforderungen des Lebens zu stellen, der Welt das Evangelium zu verkünden, auf der Seite der Gerechtigkeit und der Wahrheit zu stehen, auch wenn dies wirtschaftliche Nachteile, Diskriminierung, Benachteiligung oder sogar Verfolgung bedeutet.
Schauen wir uns die Erfahrung der Apostel an. Unmittelbar nach dem Tod Jesu am Kreuz waren sie völlig entmutigt und verzagt; sie lebten in Angst. Sie trauten sich nicht, aus der Deckung zu kommen. Doch nach ihrer Begegnung mit dem Auferstandenen gewannen sie so viel Mut und Freude, dass sie bis an die Enden der Erde gingen, um das Evangelium zu verkünden. Für eine gerechte Sache waren sie nun bereit, Vieles zu erleiden: Beschimpfungen, Folter, Strapazen, Gefangenschaft … bis hin zur Hinrichtung.
Der Glaube an die Auferstehung führt uns also nicht dazu, untätig eine bessere Existenz abzuwarten. Es ist eher das Gegenteil der Fall. Ohne die Zuversicht, dass auch wir mit Christus auferstehen werden, würde unser Leben völlig seinen Sinn und seine Orientierung verlieren. Wenn es keine Auferstehung gäbe, wenn das Leben in wenigen Jahrzehnten endgültig zu Ende ginge, «dann lasst uns essen und trinken; denn morgen sind wir tot» (1 Kor 15,32). Wäre so ein Leben sinnvoll? Wäre das ein erfülltes Leben?
Liebe Schwestern und Brüder! Einen Zug oder einen Bus mit der Aufschrift «Christus ist auferstanden» werden wir in unseren Breitengraden wohl nie sehen. Wenn wir aber das nächste Mal in einen Zug oder in einen Bus einsteigen, lasst uns daran denken, dass unser letztes Ziel nicht Wädenswil, Rapperswil, Zürich, Bern oder Lugano ist. Unser letztes Ziel ist die Auferstehung zu einem glorreichen und ewigen Leben mit Jesus. Diese Überzeugung gibt uns Kraft, Mut und Freude, die vielen Herausforderungen dieses Lebens anzupacken und für die Wahrheit und die Gerechtigkeit einzutreten, ohne Angst zu haben, etwas vom Leben zu verpassen.
Christus ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!
Amen!