Pater Raimund Gut
P. Raimund wurde am 7. Oktober 1936 dem Ehepaar Fritz und Maria Gut, Letztere eine gebürtige Eckert, geschenkt und am 16. Oktober auf den Namen Anton getauft. Zusammen mit seinem zwei Jahre älteren Bruder Fritz wuchs Anton in Zürich Albisrieden auf. Albisrieden war damals noch ein ländliches, von der Landwirtschaft geprägtes Dorf, entwickelte sich aber schon in grossem Tempo zum modernen Grossstadtteil von Zürich. Nach der sechs Jahre dauernden Primarschulzeit durfte Anton den Vorkurs an der Stiftsschule des Klosters Einsiedeln beginnen. Es war der Anfang seiner etwas mehr als neun Jahre dauernden Schulzeit hier in Einsiedeln. In der Ferienzeit galt es, durch Gelegenheitsarbeiten mitzuhelfen, das Studiengeld zusammenzubringen – auch für den älteren Bruder, der das Lehrerseminar in Küsnacht (ZH) besuchte. Im Juni 1958 schliesslich durfte Anton das Maturazeugnis entgegennehmen. Unmittelbar danach verdiente er in Zürich den Korporal ab, nachdem er die Rekrutenschule bereits während der Zeit an der Stiftsschule absolviert hatte.
Schon als Primarschüler hegte Anton den Wunsch, Theologie zu studieren. Er bewarb sich in Rücksprache mit seinem Heimatbistum Chur um einen Studienplatz am erzbischöflichen Seminar in Mailand, den er auch bekam. Es sei eine ganz andere Welt gewesen, die er da kennengelernt habe, schrieb er wenig später rückblickend. Offenbar eine Welt, in der er sich nicht besonders wohl fühlte. Bereits im ersten Studienjahr entschloss er sich, ins Kloster einzutreten. Seinem Aufnahmegesuch wurde entsprochen, und so wurde Anton am 1. Oktober 1959 hier in Einsiedeln mit dem Gewand des heiligen Benedikt eingekleidet. Ein Jahr später, am 11. Oktober 1960, legte er seine zeitlichen Gelübde ab und nahm dabei den Namen Raimund an. Das erinnert nicht zuletzt daran, dass P. Raimund als erster seine Gelübde in Gegenwart des damals noch jungen Abtes Raimund Tschudi ablegte.
1963 ging es dann sozusagen «Schlag auf Schlag»: Im Mai schrieb P. Raimund eine Erklärung, dass er «mit freiem Willen» von der Dispens der Religionskongregation Gebrauch mache, nicht erst am 11. Oktober, sondern bereits am 1. September die Feierlichen Gelübde abzulegen. Zwei Wochen später – am 15. September – wurde er von Bischof Ansgar Nelson zum Subdiakon geweiht. Ansgar Nelson war Benediktiner und späterer Bischof von Stockholm. Nach seiner Emeritierung hielt er sich von 1962 bis 1967 in der Schweiz auf und stand mit unserem Kloster in Kontakt. Am Samstag nach der Weihe zum Subdiakon, am 21. September, empfing P. Raimund von Bischof Joachim Ammann, einem Missionsbenediktiner und -Bischof aus St. Ottilien, der zuletzt in Wil im Kanton St. Gallen lebte, die Diakonweihe. Diese mündete dann ein Monat später, am 26. Oktober, in die Priesterweihe, für die wiederum Bischof Ansgar Nelson nach Einsiedeln kam. Von der Feierlichen Profess bis zur Priesterweihe in knapp sieben Wochen: Man schien es eilig zu haben!? Ob es wohl in Freienbach einen dringenden Bedarf nach einem Seelsorger gab?
Jedenfalls fand P. Raimund dort als Kaplan für knapp drei Jahre sein erstes Einsatzgebiet. Doch bereits 1966 wurde er ins Kloster zurückgerufen, wo er dann als Lehrer an der Stiftsschule wirkte und in den unteren Klassen Mathematik, Religion und Deutsch unterrichtete. Vor gut fünf Wochen traf sich der Maturajahrgang von 1973, zu dem auch unser im Vorarlberg wirkender Mitbruder P. Niklaus gehört, zum Klassentag. P. Raimund war ihr letzter, vor fünf Wochen noch lebender ehemaliger Lehrer.
1971 wurde P. Raimund mit einer neuen Aufgabe betraut: Er wurde Vizestatthalter hier in Einsiedeln und erhielt in dieser Funktion auch die Führungsverantwortung über die klösterlichen Werkstätten. Viele kleinere und grössere Projekte durfte er so begleiten. Zu den grösseren gehörte die Planung und Realisierung des neuen Holzhofs, der den klösterlichen Forstbetrieb, die Sägerei und die damals neue Holzschnitzelheizung umfasste. Auf dieses grosse Projekt kam P. Raimund immer zu sprechen, wenn er auf seine Zeit in der Statthalterei zurückblickte. Nicht ohne Stolz erwähnte er auch «seine» Druckerei, in der er über Jahre nicht nur interne Aufträge zu Papier brachte, sondern auch Aufträge externer Kunden. So druckte er unter anderem die Jahresberichte für die Schulen des Bezirks und gab die katechetischen Arbeitsblätter heraus.
22 Jahre nach seinem ersten Seelsorgeeinsatz in Freienbach unmittelbar nach der Priesterweihe, fand P. Raimund erneut den Weg in die Seelsorge, wenn wir von seiner Tätigkeit als Katechet in Einsiedeln und Freienbach in den siebziger Jahren mal absehen: 1995 wurde er Pfarrer in Eschenz, wo er sieben Jahre wirkte. Die dort gesammelte Erfahrung konnte er dann noch von 2002 bis 2004 als Pfarrer in den Pfarreien Freienbach und Pfäffikon einbringen.
2004 hiess es dann zunächst einmal: «Ruhestand», soweit es so etwas im Kloster überhaupt gibt, «ruht» der Mönch ja nicht eigentlich, sondern bleibt auf dem Weg, gleichsam ausgestreckt nach dem Ziel, nach dem er sich sehnt. In diesem Sinne ruhte auch P. Raimund nicht, sondern trug treu das gemeinsame Chorgebet mit, unterstützte mit seiner Bassstimme den klösterlichen Männerchor und nahm Dienste bei Tisch wahr. Auch stand er als Aushilfsseelsorger zur Verfügung. Dennoch fand er etwas vermehrt Zeit, sich der Briefmarkensammlung des Klosters zu widmen, die er von P. Konrad übernommen hatte. Auch das schon seit Jahrzehnten für ihn zum Alltag gewordene «Rauchopfer» mit seiner Tabakpfeife durfte nicht fehlen.
P. Raimund nahm es mit einem Schmunzeln und mit der für ihn typischen Gelassenheit hin, als er zunächst 2008 und dann 2012 aus seinem «Ruhestand» wieder entlassen wurde. 2008 wurde er Pfarrvikar von Einsiedeln, Willerzell und Egg und nach dem Hinschied von Altabt Georg Holzherr musste im Kloster Seedorf der Spiritual ersetzt werden. Dieses Amt sollte nun eben P. Raimund übernehmen. Man kann sich förmlich ausmalen, wie seine Antwort dem damaligen Abt Martin Werlen gegenüber gelautet haben dürfte: «Ja, guet, dänn halt!» Es galt also, die Tabakpfeife und andere Utensilien wieder einzupacken und nach Seedorf umzuziehen. Dort wirkte er genau zehn Jahre und kam im vergangenen Herbst endgültig ins Kloster zurück.
Soweit es die Kräfte des inzwischen weit über 80-jährigen noch zuliessen, war er stets bereit, kleinere Dienste wahrzunehmen. So half er gelegentlich im Beichtstuhl aus. Einmal noch, Ende Januar dieses Jahres, hielt er in der sonntäglichen Konventmesse die Predigt. Ein weiterer Predigteinsatz wäre für Anfang dieses Monats vorgesehen gewesen. Doch diesen konnte er aufgrund der schwindenden Kräfte bereits nicht mehr wahrnehmen. Am vergangenen Sonntag äusserte er aufgrund seiner vielen Beschwerden, der deutlichen Schwäche und Atemnot den Wunsch, ins Spital gehen zu dürfen, wo er am vergangenen Dienstagabend die Augen in dieser Welt schloss, nachdem ihn P. Subprior noch mit der Krankensalbung gestärkt hatte.
P. Raimund war ein Oktoberkind. Im Oktober geboren und getauft, im Oktober ins Kloster eingetreten, im Oktober die zeitlichen Gelübde abgelegt; ohne Dispens wäre der Oktober auch der Monat seiner Ewigen Profess gewesen; im Oktober wurde er zum Priester geweiht – und im Oktober kam er aus Seedorf nach Einsiedeln zurück. Der Oktober ist der Monat der Muttergottes. So wollen wir P. Raimund ihrer Fürsprache anvertrauen: Sie möge ihn nun an der Hand nehmen und zu Jesus führen, unserem Herrn, aus dessen Hand P. Raimund ewiges Leben in unvergänglichem Licht und unzerstörbarem Frieden empfangen und auch annehmen möge.
22. Juli 2023
23. Daniel Emmenegger