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Predigt von Weihbischof Thomas Maria Renz anlässlich der Diakonatsweihe von Frater Meinrad Hötzel am 10. Februar 2024

Hinweis: Weihbischof Renz hielt die nachfolgende Predigt frei ohne Skript. Wir danken für die Transkription!

Lieber Frater Meinrad, ich möchte Sie bitten, dass Sie bei Ihrer Mutter unten Platz nehmen; nur für die Predigt, damit ich Sie besser im Blick habe. Und ich glaube, die Mutter freut sich.

Lieber Frater Meinrad, liebe Schwestern, liebe Brüder, liebe Festgemeinde hier in Einsiedeln oder zuhause oder wo immer Sie uns auch folgen und mitfeiern.
Es war dem Vater Abt, aber auch dem Frater Meinrad wichtig, dass wir genau dieses Datum für die Diakonweihe ausgesucht haben, das Fest der heiligen Scholastika, das natürlich hier bei den Benediktinern von Einsiedeln wie bei allen benediktinischen Gemeinschaften auf der ganzen Welt heute in besonderer Weise gefeiert wird. Ich möchte gerne 3 Gedanken, Ihnen lieber Frater Meinrad mitgeben auf den Weg des Diakons, den Sie heute beschreiten werden. 

Ein erster Gedanke: der Wert der wahren Freundschaft.

Der Weg der wahren Freundschaft. Die heilige Scholastika hat sich nach dem Zeugnis des heiligen Gregor – wir wissen ja wenig tatsächlich historisch Gesichertes aus dem Leben der heiligen Scholastika, aber der heilige Gregor hat uns das hinterlassen - einmal im Jahr mit ihrem Bruder Benedikt zum geistlichen Austausch und zur Begegnung getroffen, obwohl sie relativ nah beieinander gewohnt haben – einmal im Jahr, die beiden Geschwister, Scholastika und Benedikt. Offensichtlich hat das gereicht. Aber eine geistliche Freundschaft, eine Seelenverwandtschaft tut gut – ich weiss, dass es auch Ihnen guttut, Freunde zu haben, Freundinnen, Menschen, die Sie unterstützen, die auf der gleichen Wellenlänge sind wie Sie, die aber auch neue Perspektiven im Blick auf Gott und die Welt uns ermöglichen können. Das brauchen nicht intensive Kontakte zu sein, aber wir wissen von einer ganzen Reihe von Heiligen, dass sie solche Seelenverwandten an ihrer Seite hatten, auch wenn sie sich wie Benedikt und Scholastika vielleicht nur einmal im Jahr oder auch gar nie wieder gesehen haben, wie z.B. der Bruder Klaus und seine Frau Dorothee. Die waren ja auch ganz eng beieinander, als Bruder Klaus in den Ranft ging, um seiner ganz eigenen Berufung zu folgen. Aber er ging nicht mehr zurück in das Haus seiner Frau und seiner Kinder. Und trotzdem, ohne die Rückendeckung der heiligmässigen Dorothee hätte Bruder Klaus seine Sendung nicht wirklich ausüben können. Oder wir wissen vom heiligen Franz von Assisi, dass er eine Seelenverwandtschaft mit der heiligen Klara hatte. Die waren jetzt nicht verwandt wie Scholastika und Benedikt. Oder auch wie die heilige Monika und ihr Sohn Augustinus – auch da gibt es diese Seelenverwandtschaft von Mutter zu Sohn, von Schwester zu Bruder –, und bei Bruder Klaus sogar der Ehepartner, die Ehepartnerin. Egal wie das Verwandtschaftsverhältnis aussieht, eine solche Rückendeckung, eine solche geistige Freundschaft tut immer gut. In früheren Zeiten haben wir in der Priesterausbildung in den Klöstern, aber auch in den Priesterseminaren vor Partikularfreundschaften gewarnt. Natürlich bergen Privatfreundschaften auch immer Gefahren, aber wenn sie in der rechten Weise gelebt werden, können sie einem auch immer wieder neuen geistlichen Schwung und geistliche Freude schenken. Jesus selber sagt ja: Ich nenne euch nicht Knechte, ihr seid meine Freunde und liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. Papst Franziskus hat übrigens in seiner Enzyklika Fratelli tutti (alle Brüder und Schwestern muss man übersetzen) aus dem Jahr 2020 ganz am Anfang der Enzyklika geschrieben im Hinblick auf Franz von Assisi, seinen Namensgeber, dass für Franziskus auch diejenigen quasi heiligmässig waren, die andere mit gleicher Ehrfurcht geliebt haben, die weit weg gewohnt haben, wie jemanden der in der Nähe war. Also, die geographische Nähe – und von Einsiedeln nach Tuttlingen sind es ein paar Kilometer oder wo immer auch die Freunde, die Verwandten, die Liebgewonnenen wohnen – die Kilometer der Distanz machen es nicht aus, sondern die innere Verbundenheit, der Wert der wahren Freundschaft. Das ist etwas, was wir heute am Gedenktag der heiligen Scholastika im Hinblick auf ihren Bruder, den sie nur einmal im Jahr sehen durfte oder konnte, wie auch immer, das ist ja wirklich nicht häufig, da kann man ja nicht wirklich von einer Abhängigkeit sprechen, wenn man sich so selten sieht. Das ist aber eher eine innere Seelenverwandtschaft und die hat sowohl der Scholastika als auch ihrem Bruder offensichtlich sehr gut getan. 

Ein zweiter Gedanke: die Kleidung.

Sie haben jetzt die Albe an, also das Untergewand, das wir bei liturgischen Vollzügen als Diakone, Priester und Bischöfe immer in der Liturgie tragen und darüber dann das entsprechende zusätzliche Gewand. Der Diakon trägt die Dalmatik, die wird Ihnen jetzt gleich nach der Weihe angelegt und der Priester das Messgewand. Dieses äussere Gewand zeigt Ihren künftigen Stand an. Wir sagen ja manchmal «Kleider machen Leute», und Sie sind dankbar, das haben Sie neulich ja selber auch ausgedrückt, dass Sie sich morgens beim Aufstehen kei-ne Gedanken mehr machen müssen, was ziehe ich heute an. Diese Entscheidung wurde Ihnen abgenommen, indem Sie eingekleidet wurden als Benediktiner von Einsiedeln. Das ist damit kein Thema mehr, Sie können sich wichtigeren Themen im Leben widmen als den der Äusserlichkeit, wie will ich nach aussen hin erscheinen. Wichtig erscheint mir aber, dass das äussere Gewand, das Sie jetzt heute bekommen – die Dalmatik, das ist ja ein Habit, ein Kleidungsstück – auch dem inneren Habitus des jeweiligen, der dieses Gewand trägt, entspricht. Sie werden jetzt heute zum Diakon geweiht und dann haben Sie schon die Perspektive, dass Sie in ein paar Monaten zum Priester geweiht werden. Aber vergessen Sie nie diesen 10. Februar 2024 in Ihrem Leben. Sie legen das, was Sie mit der Diakonweihe heute vor Gott und der Kirche versprechen nicht mehr ab, auch wenn Sie später die Dalmatik wahrschein-lich ablegen. Bei Ihnen im Kloster gibt es noch die Tradition, dass man die Dalmatik in leichter Form noch trägt unter dem Messgewand. Bis zum zweiten Vatikanischen Konzil war das ja auch üblich, dass auch Priester und Bischöfe die Dalmatik, also das Gewand des Diakons, dann immer getragen haben unter dem Messgewand, aber im Hochsommer, v.a. in Rom, war es dann einfach einmal nicht mehr ertragbar. Da musste man das dann weglassen. Eigentlich schade, ich habe das auch nie erlebt, obwohl ich in Rom studiert habe, aber diese Zeiten habe ich nicht mehr erlebt. Ich möchte auch nicht mehr mit Albe, Dalmatik und Messgewand im Hochsommer unter dieser schweren Last der Kleider schwitzen müssen. Aber eigentlich vom Symbol her ist es schade, dass wir das verloren haben, weil das Ablegen der Dalmatik darf nicht dazu führen – das nicht mehr Tragen dieses Gewandes des Diakons –, dass ich vergesse, dass ich einmal zum Diakon geweiht worden bin. Dieser Habitus muss bleiben, auch wenn Sie diesen Habit des Diakons, die Dalmatik, später einmal nicht mehr tragen. Das ist elementar wichtig, wenn wir in der Spur Jesu Christi bleiben wollen, denn er ist gekommen, nicht um sich bedienen zu lassen, wie er selber sagt, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele. Und er sagt das im Kontext der Fusswaschung. Das ist ja diese ganz typische äussere Haltung des Dienenden der in damaliger Zeit, wie das die Sklaven in reichen Haushalten getan haben, den Gästen eine Schüssel mit Wasser zum Waschen der Füsse, wo es noch keine Schuhe gab, gereicht hat. Jesus tut das. Er ist der Diener aller. Er ist der Primus diaconus, der erste Diakon seiner Kirche. Und diaconos, dieses Wort des Diakons kommt ja vom Griechischen, zusammengesetzt aus diesen beiden Worten «dia = durch» und «conos = der Staub»: durch den Staub hindurch. Ich muss mich hinunterknien, um die Füsse des andern erreichen zu können, wenn ich ihm die Füsse wasche und nicht den Kopf oder von oben herab kommen, sondern von unten her. Es ist ja ein wunderbarer, auch körperlich wunderbar schöner Gestus, den wir in Bälde am Gründonnerstag auch wieder in unserer Liturgie begehen werden. Also den inneren Habitus. Ich begegne dem anderen nicht als Herr, «Ihr seid nicht Herren eures Glaubens oder Herren des Glaubens anderer», sagt Paulus, sondern Diener zu eurer Freude, Diener, diaconoi. Also das wünsche ich Ihnen, dass Sie auch später, wenn Sie das Gewand des Diakons, die Dalmatik, durch das Messgewand ersetzen, es quasi innerlich auch immer mit anziehen, dass Sie auch symbolisch diese Haltung des Die-nenden sich bewahren. Das ist etwas ganz Wichtiges. 

Ein dritter Gedanke: das heutige Evangelium.

Und jetzt noch das Dritte vom heutigen Evangelium, dieses wunderbare Evangelium der Begegnung Jesu mit den beiden Schwestern, wieder ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen Martha und Maria und dann kommt noch Lazarus hinzu. Er war der Dritte in dieser Familie, der jetzt in diesem Evangelium keine Rolle spielt. Dieses wunderbare Evangelium sagt uns ja, dass es jeweils einen wichtigen Augenblick gibt das Richtige zu tun. Der dritte Gedanke wäre also, das richtige Gleichgewicht zu finden zwischen Actio und Contemplatio, wie wir früher gerne sagten oder Ora et Labora, wie man es benediktinisch ausdrücken könnte oder zwischen Gottesdienst und Menschendienst, dass man da das richtige Mass und den richtigen Zeitpunkt jeweils nützt und ihn wahrnimmt. Dass Martha sich so viele Gedanken macht, wie sie jetzt diesen hohen Gast, Jesus, in ihrem Haus bewirten kann, ist ja verständlich aus der Sicht der Gastfreundschaft, aber Maria tut in dem Moment das Wichtigere. Im Schlusssatz hat es geheissen  «sie hat das Gute erwählt» oder in der bisherigen Bibelübersetzung bis vor wenigen Jahren hiess es, «sie hat das Bessere erwählt.» In dem Augenblick hat sie das Bessere erwählt, weil Jesus vielleicht nur eine halbe Stunde im Hause dieser beiden Frauen war, wer weiss, es war vielleicht ein Kurzbesuch. Und diese halbe Stunde wollte Maria nützen, um ganz Ohr zu sein, was hat er uns zu sagen und jetzt nicht in der Küche das Mittagessen vorzubereiten. Natürlich ist die Gastfreundschaft in der Regel des Heiligen Benedikt ganz wichtig, benediktinische Gastfreundschaft ist sprichwörtlich geworden. Dort wo man Gäste aufnimmt in sein Haus, muss man das Bett vorbereiten oder den Tisch vorbereiten, da ist natürlich auch Arbeit damit verbunden, aber alles zu seiner Zeit. Und diese Zeit, in der Jesus da war, wäre die Zeit gewesen für die Contemplatio, nicht für die Actio, für das Hinhören, das Gebet, die Zwiesprache mit Gott, nicht das Organisieren von irgendwelchen gesellschaftlichen Dingen, von Mahlzeiten zum Beispiel. Und da ist es wichtig, immer den richtigen Augenblick zu erwischen. In den 73 Regeln des Heiligen Benedikts befassen sich allein 13 dieser Regeln mit der richtigen Gebetsordnung oder der inneren Haltung zum Gottesdienst und zum Gebet. 13 von 73, das ist relativ viel, das war dem Heiligen Benedikt wichtig und er sagt ja auch, man soll nichts dem Gottesdienst vorziehen. Der Gottesdienst soll erste Priorität haben. Er sagt aber auch an anderer Stelle, man soll nichts der Liebe Christi vorziehen. Es muss nicht zu einem Konflikt kommen, sondern Beides ist wichtig. Als Mutter Teresa von Kalkutta einmal gefragt worden ist von einem Journalisten, wie sie das denn rein körperlich und kräftemässig schafft, dass sie den ganzen Tag sich in dieser Millionenstadt Kalkutta um die Ärmsten der Armen kümmert und sie die Sterbenden von der Strasse holt, um ihnen in ihren Sterbehäusern die letzten Stunden ihres Lebens noch mit Würde zu ermöglichen, dass sie in Würde sterben konnten, und die Hungernden und alle diese Notleidenden im Blick hatte, da gab sie dem Interviewer zur Antwort: «Indem ich frühmorgens Jesus in der heiligen Eucharistie berühre und tagsüber in den Armen.» Für sie war es der gleiche Christus, den sie in der Eucharistie berührt und den sie unter den Notleidenden ihrer Zeit berührt hat. Da braucht es keinen Gegensatz zwischen Gottesdienst und Menschendienst. Wenn die Kirchenglocken läuten, dann rufen sie Sie und Ihre Mitbrüder zum Gebet, dann darf nichts mehr dem Gebet vorgezogen werden, aber ausserhalb dieser Gebetszeiten sind wir für die Menschen da. Also das richtige Mass, dieses Gleichgewicht zwischen Oratio und Actio und Contemplatio, zwischen Gottesliebe und Nächstenliebe zu finden. Das will uns das heutige Evangelium sagen. In dem Moment hat Maria das Richtige getan, ganz für Jesus da zu sein. In einem anderen Moment ist wieder die Gastfreundschaft im Vordergrund. 

Wir wünschen Ihnen, lieber Frater Meinrad, dass Sie in diesem Sinne ein Diakon sind, der den ersten Diakon unserer Kirche, der ja Jesus Christus selber ist, glaubwürdig und in Ihrer eigenen Fröhlichkeit und in Ihrer authentischen Art, wie Sie auf Menschen zugehen können, glaubwürdig bezeugen. Dass Sie selber mit viel Freude, innerem Eifer und in der Haltung der heiligen Scholastika und des heiligen Benedikts Ihren Dienst tun und Ihren Weg mutig weiter gehen. Das ist mein Wunsch, vielleicht unser aller Wunsch für Sie zum Fest Ihrer Diakonweihe. Amen. 

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