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Pater Odo M. Lang

Manchmal fügen sich die Dinge auf eigenartige Weise: So begehen wir die Beerdigung unseres Mitbruders P. Odo Lang, zu der wir uns nun versammelt haben, just an dem Tag, an dem die im Kampf gegen das Coronavirus von Seiten des Bundes beschlossenen, verschärften Massnahmen in Kraft treten. Eine Folge davon ist, dass wir bis auf weiteres nicht mehr zusammen mit der versammelten Gemeinde im Kirchenschiff singen dürfen. Diese Fügung mag uns und alle, die P. Odo gekannt haben, vielleicht etwas verstören, hat er sich doch während seines Wirkens hier im Kloster als Kantor stark für die Liturgie und den dazugehörigen liturgischen Gesang eingesetzt! Ausgerechnet ab heute gilt nun das Gesangsverbot. Als Mönchsfamilie singen wir aber trotzdem. Für das Requiem entnehmen wir die Gesänge aus einem Büchlein, das P. Odo selbst vor genau 30 Jahren zusammengestellt hat und das seither bei uns in Gebrauch ist.

Die letzten Jahre seines Lebens wohnte P. Odo auf unserer klösterlichen Pflegestation. Dort wurde er liebevoll betreut, wofür er selbst immer wieder seine Dankbarkeit aussprach. Wir möchten dem Pflegeteam, das zusammen mit uns in den letzten Monaten gleich von mehreren Mitbrüdern Abschied nehmen musste, für alles danken, was sie für unsere kranken und betagten Mitbrüder hier im Kloster tun!

P. Odo kam am 30. März 1938 als lang ersehntes Kind der Eltern Othmar und Mathilde Lang-Kyburz in Aarau zur Welt. Fünf Tage später wurde er in der dortigen Kirche St. Peter und Paul auf den Namen Josef Othmar getauft. Er hatte zwei ältere Stiefgeschwister, welche das Ehepaar Lang-Kyburz aufgrund des bis anhin unerfüllten Kinderwunsches adoptiert hatte. Josef verbrachte bei seinen Eltern in Schönenwerd im Kanton Solothurn eine schöne und behütete Kindheit, wofür er sehr dankbar war: «Ich kann Gott nicht genug danken, dass er mir so gute Eltern gegeben hat», notierte er als Zwanzigjähriger. In Schönenwerd besuchte Josef die Primarschule, die er 1951 mit der Bezirksschulprüfung abschloss. Sein Weg führte ihn dann aber nicht an die Bezirksschule sondern ans Gymnasium nach Einsiedeln. Nach der Matura 1958 trat er ins Kloster Einsiedeln ein, das ihm während seiner Stiftsschulzeit zur Heimat geworden ist. Er schrieb: «Die Regel verlangt die stabilitas loci …; wo aber fällt es einem leichter, dieses Gelübde zu halten, als an einem Ort, wo man auch zu Hause ist.»

Und P. Odo blieb «zu Hause»! Fast ein halbes Jahrhundert später notierte er: «Seit ich Mönch bin, habe ich mein Leben im Kloster zugebracht.» Ausnahmen bilden lediglich sein Studium der Theologie und der Liturgiewissenschaft an der Hochschule S. Anselmo in Rom und eine Lehrtätigkeit in Liturgiegeschichte und liturgischer Spiritualität am Liturgischen Institut in S. Anselmo und vorübergehend auch in S. Giustina in Padua. Den Grundstein zu seiner stabilitas loci legte er am 8. September 1959 mit der zeitlichen Profess, wobei er den Namen des heiligen Cluniazenserabtes Odo annahm. Auf die zeitliche folgte drei Jahre später die ewige Profess, und am 1. Juni 1963 empfing P. Odo die Priesterweihe.

Nebst der erwähnten stabilitas loci gehörte für P. Odo die Lectio Divina zum Kern benediktinischer Spiritualität, nach der er leben wollte. «Mein Streben war auf das Studium der Schriften gerichtet», schrieb er. Zu seiner liebsten Lektüre gehörten zweifellos die Werke des heiligen Augustinus, dessen Bekenntnisse ihn schon als junger Novize fesselten: «Sein [Augustins] Wort vom ‘ruhelosen Herzen’ hat es mir ganz besonders angetan.» Dieser Heilige begleitete P. Odo bis zuletzt. Davon zeugt die noch jetzt auf seinem Schreibtisch bereitliegende Ausgabe von Augustins Enarrationes in psalmos im Corpus Scriptorum Ecclesasticorum Latinorum.

Was kann einem Mönch, dem die Lectio und damit das Buch von zentraler Bedeutung ist, passenderes zustossen als die Ernennung zum Stiftsbibliothekar? Diese erfolgte 1982. Nun hatte P. Odo erst recht Zugang zu einer über tausendjährigen Sammlung an Büchern und zu dem in diesen Büchern gespeicherten Wissen. Zahlreiche Publikationen P. Odos über Geschichte und Inhalt dieser Bibliothek bezeugen, dass er diesen Zugang nicht nur nicht ungenutzt liess, sondern das Wissen, das er sich aneignete, auch weitergab. Dies geschah nicht zuletzt auch in den jährlichen Ausstellungen in der Barockbibliothek zu verschiedenen Schwerpunktthemen. Sein profundes Wissen war schon bald auch in verschiedenen Kommissionen des Klosters, der Schweizerischen Benediktinerkongregation und weiterer Vereinigungen gefragt. Ab 1992 war er auch Mitglied der Bayerischen Benediktinerakademie, zunächst in der Theologischen, dann in der Historischen Sektion.

Doch nebst P. Odos Lese- und Schreibtätigkeit darf nicht vergessen werden, dass zu seiner Zeit als Stiftsbibliothekar in der Bibliothek auch kräftig restauriert und gebaut wurde. Komplett restauriert wurde der barocke Saal, und im früheren Kabiskeller wurde ein modernes Büchermagazin samt einem speziellen Raum für die besonders schützenswerten Bücher und Schriften eingerichtet.

P. Odo – mit der Zeit selbst zu einer wandelnden Bibliothek geworden – gab sein Wissen nicht nur mittels eigener Publikationen weiter, sondern auch durch seine Lehrtätigkeit. Sein beständiges Studieren und Lernen ging Hand in Hand mit Lehren. Während er an der Stiftsschule nur kurze Zeit von 1967 bis 1971 Latein und Griechisch unterrichtete, lehrte er an der klostereigenen Theologischen Hausschule während 44 Jahren – von 1967 bis 2011 – theologische Methodologie, Fundamentaltheologie und Dogmatik. Die blosse, allerdings sehr fein gegliederte Inhaltsübersicht seiner Vorlesungen, die er jeweils zu Beginn eines Studiensemesters austeilte, umfasste allein mehrere Seiten. Seine Vorlesungen waren entsprechend dicht und anspruchsvoll. Manche Studentin und mancher Student war damit wohl auch überfordert. Die Anspannung und Nervosität vor dem mündlichen Examen beim so streng wirkenden Dozenten war nicht selten gross. Im Examen begegnete man dann aber einem sehr milden, wohlwollenden und entgegenkommenden Pater Odo.

Stabilitas loci und Lectio Divina: Sie sind zentrale Elemente benediktinischer Spiritualität. Ein weiteres Element ist aber unbedingt hinzuzufügen – erst recht im Lebenslauf von P. Odo: Das Opus Dei. Schon als Schüler fühlte sich P. Odo sehr zum Chorgebet und zur feierlichen Liturgie hingezogen. Die Teilnahme am täglichen Chorgebet und am Konventamt war für ihn eine Selbstverständlichkeit – auch, als er längst darauf angewiesen war, hierfür von den Pflegerinnen unserer Pflegestation in die Kirche gebracht zu werden. Für die Liturgie setzte er sich aber nicht nur durch aktives Mitfeiern sowie Mit- und Vorsingen ein. Von 1975 bis 1991 war er Sekretär der Liturgiekommission der Salzburger Äbtekonferenz und mitbeteilig an der Herausgabe des Monastischen Breviers. Während 36 Jahren stellte er darüber hinaus alljährlich das sogenannte Direktorium zusammen, damit seine Mitbrüder und Mitschwestern in den Schweizer Benediktinerklöster täglich wussten, welche Feste und liturgischen Lesungen gerade anstehen.

Stabilitas loci, Lectio Divina und Opus Dei: Es sind Pfeiler benediktinischer Existenz. Für P. Odo aber auch ganz entscheidend ein Dienst, in den er sein Leben voll und ganz stellen wollte. Möge Gott nun das Gute vollenden, das P. Odo in seinem Leben begonnen hat (vgl. RB Prol. 4).

9. Dezember 2020
P. Daniel Emmenegger

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