HERZENSWEITE
«Wer aber im klösterlichen Leben und im Glauben fortschreitet, dem wird das Herz weit und er läuft in unsagbarem Glück der Liebe den Weg der Gebote Gottes.» (Benediktsregel Prolog, 50)
Der heilige Benedikt verspricht im Prolog nicht das schnelle Glück. Vielmehr sagt er voraus, dass Ordensleute am Anfang oft versucht sind aufzugeben, weil sie sich zwar mühen und auf vieles verzichten, der Erfolg aber nicht sofort eintritt. Wer aber seinen Weg wider alle inneren und äusseren Widerstände weitergeht und sich bei allem, was er tut, aufgehoben weiss in der Liebe Gottes, «dem weitet sich das Herz».
Jesus erzählt dazu ein Gleichnis: „Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn, grub ihn aber wieder ein. Und in seiner Freude verkaufte er alles, was er besass, und kaufte den Acker.“ (Mt 13,44)
Wenn wir erst mal glauben können, dass Gott uns aus Liebe geschaffen hat, dass seine Liebe unverbrüchlich ist und unabhängig von unserer Leistung - dass Gott allein Ursprung und Ziel unseres Lebens ist und dass seine Liebe allen und allem gilt, so haben wir unseren Schatz gefunden. Wir wollen diesen Schatz gewinnen. Ordensleute gehen dafür einen radikaleren Weg der Gottsuche, aber auch im Alltag ist dies möglich. Der Weg ist nicht leicht, besonders am Anfang wird sich unser Ich mit all seinen Bedürfnissen heftig dagegen auflehnen. Von aussen werden wir vielleicht auch nicht verstanden. Dieses «alles verkaufen, was wir besitzen», kann ein ganzes Leben lang dauern. Aber je mehr wir Dinge loslassen, mit denen wir nur um uns selbst kreisen, je mehr wir nach dem Willen Gottes statt nach unserem eigenen Willen fragen, desto weiter wird unser Herz und desto grösser unsere Freiheit und unsere Freude. So können wir hoffen, langsam zu jenen Menschen zu werden, die Gott sich gedacht hat, als er uns schuf. Immer liebesfähiger zu werden - dies ist Gabe und Aufgabe, ob wir im Kloster leben oder draussen in der Welt.
Zur Autorin: Cäcilia, geboren 1959, ist pensioniert, Mutter dreier erwachsener Kinder und seit 2010 Oblatin des Klosters Einsiedeln.