"Überall ist Gott gegenwärtig, so glauben wir, und die Augen des Herrn schauen an jedem Ort auf Gute und Böse." (RB 19,1)
Die Worte der Benediktsregel, die uns daran erinnern, dass Gott allgegenwärtig ist und unsere Handlungen stets im Blick hat, sind weit mehr als eine blosse Mahnung. Sie sind ein Aufruf zu einem bewussten Leben, einem Leben, das von der Erkenntnis durchdrungen ist, dass wir niemals allein sind. Diese Einsicht kann unser gesamtes Dasein verändern, indem sie uns lehrt, jede Handlung und jeden Gedanken in der Gegenwart des Göttlichen zu vollziehen.
Anstatt den Tag in einem Strom unbedachter Aktivitäten zu verbringen, lädt uns die Benediktsregel ein, Momente der Stille zu kultivieren. Beginne den Tag nicht in der Hektik, sondern mit einem Moment der Einkehr, einem Gebet, das deine Seele auf die Gegenwart Gottes ausrichtet. Diese Praxis sollte nicht auf den Morgen beschränkt bleiben; vielmehr sollten wir uns im Laufe des Tages immer wieder kleine Inseln der Ruhe schaffen, in denen wir innehalten und uns der himmlischen Nähe bewusst werden.
Die alltäglichen Aufgaben, oft als banal abgetan, können zu einem spirituellen Übungsfeld werden. Indem wir sie mit Achtsamkeit und Bewusstsein verrichten, erkennen wir, dass Gott in jedem Moment gegenwärtig ist. Diese Erkenntnis verleiht unseren Handlungen Tiefe und Bedeutung, da wir wissen, dass sie nicht nur für uns selbst, sondern auch in der Gegenwart des Göttlichen ausgeführt werden.
Die Benediktsregel betont auch die Bedeutung der Integrität. Handle stets in Übereinstimmung mit deinen Werten, auch wenn niemand zusieht. Übernehme Verantwortung für deine Fehler und bemühe dich um Wiedergutmachung. Diese Haltung der Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit vor Gott und den Menschen ist ein wesentlicher Bestandteil eines spirituell erfüllten Lebens.
Die Begegnung mit anderen Menschen wird durch die Erkenntnis der himmlischen Gegenwart zu einer heiligen Handlung. Behandle jeden Menschen mit Respekt und Mitgefühl, als ob du Christus selbst begegnest. In jedem Gesicht, in jeder Interaktion können wir ein Spiegelbild des Göttlichen erkennen.
Die Pflege der inneren Beziehung zu Gott erfordert regelmässige Zeiten des Gebets, der Schriftlesung und der Kontemplation. Suche die Stille, um die leise Stimme Gottes in deinem Herzen zu hören. Vertraue darauf, dass dich Gott in schwierigen Zeiten begleitet und dich durch sie hindurchführt. Finde Trost im Wissen, dass Gottes Gerechtigkeit letztendlich siegen wird, und nutze die Herausforderungen des Lebens, um deine Beziehung zu Gott zu vertiefen.
Indem wir uns der allgegenwärtigen Gegenwart Gottes bewusst sind, können wir ein Leben führen, das von Sinn, Zweck und tiefem Frieden erfüllt ist.
Joel, Jg. 1993, ist verheiratet, Lokführer und Oblate des Klosters Einsiedeln.