Benediktsregel 19,6-7: Beachten wir also, wie wir vor dem Angesicht Gottes und seiner Engel sein müssen, und stehen wir so beim Psalmensingen, dass Herz und Stimme in Einklang sind.
In meinem letzten Text für die Kolumne «Meine Benediktsregel» habe ich bereits über das Thema geschrieben, dass vertraute Worte nicht zu leeren Worthülsen werden dürfen. Für den heutigen Beitrag möchte ich dieses Thema ein zweites Mal aufgreifen; schliesslich widmet auch der heilige Benedikt gleich ein ganzes Kapitel seiner Regel der rechten Haltung beim Gottesdienst.
Insbesondere dann, wenn es sich um ganz bekannte Gebete handelt, die meistens seit der frühen Kindheit vertraut sind, wie beispielsweise das Vaterunser, kann die Gefahr bestehen, dass man während des Betens gar nicht mehr darüber nachdenkt, was man da eigentlich sagt.
Gerade deshalb finde ich die bildliche Beschreibung in der Benediktsregel so schön, weil sie in wenigen Worten ein ehrliches Beten beschreibt: Herz und Stimme sollen möglichst im Einklang sein. Ich denke, gerade weil das Christentum keine Buchreligion ist, sondern weil es wirklich um meine konkrete Beziehung zu Gott geht, ist es von essentieller Bedeutung, dass mein Gebet nicht aus oberflächlichen Worten besteht, sondern wirklich von Herzen kommt.
Wenn ich also versuche, mir die Bedeutung meiner gesprochenen Worte immer wieder aufs Neue vor Augen zu führen, sei es nun beim Vaterunser oder beim Rezitieren der Psalmen in der Tagzeitenliturgie, kann ich dabei immer wieder etwas Neues entdecken: Denn ein eigentlich vertrauter Text, den ich schon viele Male gelesen habe, bietet beim bewussten Beten jedes Mal andere Aspekte, welche erst durch eine erlebte Situation, in einem bestimmten Kontext, für mich lebendig werden.
Es lohnt sich also, wenn man sich für das Gebet auch wirklich Zeit nimmt, und lieber ein kurzes Gebet von Herzen spricht als einen langen Text, bei dem die Gedanken bald wieder ganz woanders sind. Denn nur so kann ich beim Beten mehr und mehr in den von Benedikt beschriebenen Zustand kommen, bei dem Herz und Stimme tatsächlich im Einklang sind und dadurch auch meine Gottesbeziehung gestärkt und vertieft wird.
Matthias Gatt, 20 Jahre, Student.