Mit unserer Klosterkirche feiern wir, liebe Schwestern und Brüder, dieses Jahr einen runden Geburtstag, den dreihundertsten. 1724 begann nämlich die Ausmalung und Auszierung dieses barocken Gotteshauses, wofür unsere Mitbrüder mit den Brüdern Asam zwei der talentiertesten und gefragtesten Künstler ihrer Zeit im süddeutschen Raum hierhergeholt hatten. Sie bekamen den Auftrag, die drei Räume des Kircheninnerns nach einem theologischen Konzept auszuschmücken, das die Einsiedler selbst entworfen hatten. Nehmen wir uns heute einmal die Zeit, diese drei Räume samt ihrer Botschaft miteinander zu betrachten:
Der erste Raum hier vorne wird überspannt von einer Kuppel, in der das Geschehen von Weihnachten dargestellt ist. Die Botschaft dieses Festes ist schnell erklärt: Gott kommt in diese Welt. Er ist nicht jemand, der einst in Urzeiten die Welt erschaffen hat und sich seither nicht mehr für sein Werk interessiert. Vielmehr berührte ihn das Schicksal der Menschen, mit denen er deshalb seinen Bund erneuern wollte, um ihnen nahe zu sein. Dafür kam er selbst als Mensch in der Person Jesu Christi in die Welt.
Und Christus bleibt in der Welt, auch nach seinem Tod, seiner Auferstehung und seiner Himmelfahrt hinaus, in besonderer Weise durch das Geschenk der Eucharistie, das wir immer und immer wieder neu empfangen dürfen, mehrmals täglich auch hier in dieser Kirche. Das ist die Botschaft des zweiten Raumes mit der Darstellung des Letzten Abendmahles in der Kuppel.
Und Gott bleibt nicht einfach als passiver Beobachter in der Welt. Vielmehr greift er immer wieder heilsam in das Geschehen der Welt ein, sei es zum Wohle der Menschheit als Ganze, sei es für einen Teil davon oder vielmehr für einen einzelnen Menschen. Dafür steht die Darstellung der Engelweihe über der Gnadenkapelle, die vor Augen führt, wie Christus diesen Ort auf besondere Weise erwählt und mit seiner Gegenwart erfüllt hat. Die Ausmalung ist natürlich nicht zufällig dort platziert: Zu dieser Kapelle strömen ja schliesslich die Pilgerinnen und Pilger gerade in der Hoffnung, dass Gott auf die Fürsprache Marias ihre Nöte, ihre Ängste und Sehnsüchte sieht und hört – und ihr Geschick zum Besseren wendet. Davon, dass man mit gutem Grund darauf hoffen darf, zeigen die vielen Votivtafeln und Votivgaben hinter der Gnadenkapelle, die davon sprechen, wie viele Menschen schon aus einer ernsten Situation von Gott auf die Fürsprache der Einsiedler Muttergottes errettet worden sind.
Im Zentrum des heutigen Festes steht das, was sinnigerweise auch in der Mitte dieses Raumes ist: Die Eucharistie – das für den menschlichen Verstand nicht fassbare Geheimnis, dass Gott in einem kleinen Stück Brot zu uns kommt, dass sich der, der alles, was ist, geschaffen hat, in unsere Hand legen lässt, ja dass er sich von uns ganz einverleiben lässt. Es ist ein Geheimnis des Glaubens, das wir mit unseren Sinnen nicht wahrnehmen können – wie wir im Übrigen so vieles von dem, was es gibt, ohne technische Hilfsmittel nicht wahrnehmen können, im Gegensatz übrigens zu manchen Tieren, beispielsweise UV-Licht oder Radioaktivität.
Von dem, was die Brüder Asam hier erlebt hatten, waren sie übrigens so berührt, dass sie etwas davon mit nach Hause nehmen wollten. Deshalb wählten sie als Patrozinium der von ihnen in ihrer Heimat für sich errichteten Kirche die Einsiedler Muttergottes, damit sie in ihrem Alltag immer wieder daran erinnert werden sollten, was sie hier alles an Gnadenmomenten erfahren durften. Dies ist eigentlich das, was auch wir schon bald in der anschliessenden Prozession miteinander begehen: Dass wir das, was wir hier erfahren, hinaustragen in die Welt, dorthin, wo wir wohnen und leben. Hoffentlich bleibt es dabei aber nicht nur bei dieser Prozession. Hoffentlich nehmen wir die Erinnerung an diesen Gnadenmoment des Empfangs des Leibes Christi, die Erinnerung an den Moment des Innewohnens Gottes in jede und jeden von uns ganz persönlich, mit nach Hause in unseren Alltag, als Fundament für ein festes Vertrauen darauf, dass Gott auch in unserem Leben wirkt – ohne dass wir dafür aber gleich ein Kirchlein bauen müssten. Amen.