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Predigt von P. Philipp Steiner am Dritten Fastensonntag 2025

Liebe Schwestern und Brüder!

Jetzt, wo auch im rauen Einsiedler Hochtal der Frühling nicht mehr allzu fern scheint, macht sich unsere Klostergärtnerei bereit, für Menschen mit einem grünen Daumen all das zur Verfügung zu stellen, was es für einen blühenden Garten braucht.

Als ich gestern auf der Suche nach einer Inspiration für diese Predigt durch unseren Klostergarten gelaufen bin, sind mir deshalb in einer Ecke zwei Dutzend Palette mit Garten- und Topferde aufgefallen. Die darauf mannshoch gestapelten Säcke stehen dort bereit, um von Hobbygärtnern in noch leere Blumentöpfe gegeben zu werden oder um damit dem ausgelaugten Gartenboden neue Nährstoffe zuzuführen. Damit Pflanzen gedeihen können, ist das Erdreich, aus welchem ihre Wurzeln Wasser und Nährstoffe beziehen, sehr wichtig.

Wir können diese Gesetzmässigkeit auch auf das geistliche Leben beziehen, zumal am heutigen Dritten Fastensonntag beide Schriftlesungen vom Boden handeln.

Beginnen wir bei unserer Betrachtung mit dem naheliegenderen Bild aus dem vorhin gehörten Evangelium (Lk 13, 1–9): Nach einem Wortwechsel rund um die Frage nach dem Grund für zwei kürzlich vorgefallene Tragödien bringt Jesus das Gleichnis vom Winzer und dessen Feigenbaum. Jesus erzählt diese Geschichte, um die Geduld Gottes mit der fehlbaren Menschheit zu veranschaulichen – einer Menschheit, die der Umkehr bedarf. Gegenüber dem Eigentümer des Weinbergs, der sich über die drei Jahre währende Unfruchtbarkeit des Feigenbaums ärgert, plädiert der Winzer um Nachsicht und Geduld: «Herr, lass ihn dieses Jahr noch stehen; ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen» (Lk 13,8). Der Winzer setzt sich also für den Erhalt des Feigenbaums ein und er nimmt damit eine gewisse Mühe auf sich. Wir wissen nicht, ob der Besitzer sich auf dieses Angebot einlässt oder nicht, denn als talentierter Geschichtenerzähler lässt Jesus die Frage bewusst in der Schwebe, damit sich seine Zuhörerschaft selbst Gedanken dazu machen kann. 

Der Evangelist Lukas lässt Jesus dieses Gleichnis gleich im Anschluss an Jesu Reaktion auf die beiden Tragödien des durch Pontius Pilatus veranlassten Massakers im Tempelbezirk und den viele Opfer zählenden Turmeinsturz beim Teich Schiloach in Jerusalem erzählen. Bei dieser Gelegenheit widerlegt Jesus die Ansicht seiner selbstgerechten Zeitgenossen, dass diese Menschen von Gott wegen ihrer Sünden bestraft worden seien und dass sie selbst – da in ihren Augen frei von Schuld – vor einem solchen Unglück gefeit wären. Aber für uns wichtiger ist die Frage: Was sagt das Gleichnis über uns? Es fällt uns nicht schwer, den Feigenbaum mit uns selbst zu identifizieren und Jesus Christus als den Winzer, der nicht nur eine Gnadenfrist ausgehandelt hat, sondern sich alle Mühe gibt, uns zum Blühen und zu Fruchttragen zu bringen. 

Im Johannesevangelium hören wir davon in einem einprägsamen Bild, wenn Jesus dort im 15. Kapitel die Worte spricht: «Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen» (Joh 15,5). Nun können wir uns fragen: Welche Früchte sollen wir denn überhaupt bringen? Eine mögliche Antwort liefert der Apostel Paulus in seinem Brief an die Gemeinden in Galatien, wenn er schreibt: «Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Enthaltsamkeit» (Gal 5,22-23). 

Wenn die Kirche das Gleichnis vom geduldigen Winzer und seinem (noch) unfruchtbaren Feigenbaum ausgerechnet in der Fastenzeit vortragen lässt, dann ist der Gedanke naheliegend, dass die vierzig Tage der Österlichen Busszeit eine solche «Gnadenfrist» darstellen, um die von Gott bei uns erhofften «Früchte des Geistes» zu bringen. Wenn es darum heisst, dass dafür der Boden umgegraben und gedüngt werden soll, dann dürfen wir diese zum Fruchtbringen notwendige Energiezufuhr in den Grundvollzügen der Fastenzeit sehen, wie sie eingangs im Tagesgebet genannt worden sind: «durch Fasten, Gebet und Werke der Liebe». 

Liebe Brüder und Schwestern!

Kommen wir zum Schluss noch kurz zum zweiten Schrifttext mit Bodenbezug: der Lesung aus dem Buch Exodus (Ex 3, 1–8a.10.13–15). Dort haben wir von der Begegnung des Mose mit dem brennenden Dornbusch am Gottesberg Horeb gehört. Als sich Mose der merkwürdigen Erscheinung näherte, sprach der Herr aus dem Dornbusch: «Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden» (Ex 3,5). Dies scheint mir ein wertvoller Hinweis zu sein: Wie das zum Leben und Gedeihen notwendige Erdreich an sich ein Wunderwerk des Schöpfers ist, so ist auch der Ort unserer Gotteserfahrung heiliger Boden. Es kann deshalb lohnenswert und geistlich fruchtbar sein, in der verbleibenden Fastenzeit uns auf die Suche zu machen nach dem heiligen Boden unserer ersten Gottesbegegnung und uns zu fragen: Wann begann in mir die Faszination für das Geheimnis Gottes? Wo hat Gott mich wie Mose angezogen, mich beim Namen gerufen und mir eine Verheissung für mein Leben gegeben? 

Diesen heiligen Boden unserer Berufung haben wir seither vielleicht etwas vernachlässigt, ihm zu wenig geistliche Nährstoffe zugeführt oder ihn womöglich auch mit allerlei Unnötigem zugemüllt. Ein vergifteter Boden ist steril, unfruchtbar. Da kann es hilfreich sein, sich zu überlegen, ob nicht gerade die Fastenzeit eine Einladung für uns bereithält, das Sakrament der Versöhnung zu feiern und in einer ehrlichen Beichte das vor Gott zur Sprache zu bringen, was der Vergebung und des Neubeginns bedarf.

Wenn wir in den kommenden Wochen in der Natur das Wunder des neu aufblühenden Lebens bestaunen dürfen, dann wollen wir dankbar dafür sein, dass das neue, österliche Leben durch Gottes Gnadenwirken und Geduld auch in unserem Herzen aufblüht und Früchte bringen darf. So werden die verbleibenden Wochen der Fastenzeit zu einem fruchtbaren Weg zum Gartengrab, wo wir – wie die weinende Maria Magdalena am Ostermorgen – den Auferstanden treffen und meinen könnten, er sei der Gärtner. Amen.
 

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