Vor Jahren wurde am Fernsehen eine hitzige Diskussion zwischen zwei Theologen übertragen. Der eine von ihnen kritisierte das angeblich patriarchalische, grausame Gottesbild des Christentums. Er fragte: „Was ist das für ein schrecklicher Gott Vater, der seinen eigenen Sohn am Kreuz verbluten lässt?“
Sein Gesprächspartner gab ihm darauf zur Antwort: „Was Sie da sagen, mag ja gut für sein für ein Passionsspiel, aber es ist schlechte Theologie.“
Diese Antwort trifft den Nagel auf den Kopf. Wir Christen glauben nicht an einen lieblosen Vatergott, der seinen Sohn ans Kreuz schickt und dort verbluten lässt. Ein solches Gottesbild kann sich nicht christlich nennen.
Wer kritisiert, dass der von der Kirche verkündigte Gott zu wenig mütterliche Züge trage, der kann sich nicht ernsthaft auf die Bibel berufen. Der christliche Gott ist seit den frühesten neutestamentlichen Zeugnissen weder Patriarch noch Mutter – er ist dreifaltig.
Jesus von Nazaret und seine Jünger – und damit die ersten Christen – waren gläubige Juden. Wie kommt es ausgerechnet im streng monotheistischen Judentum zur Rede von einem dreifaltigen Gott?
Zwar sind die Diskussionen und Streitigkeiten der ersten christlichen Jahrhunderte, die zur Formulierung der Lehre der Dreifaltigkeit geführt haben, schwierig und kompliziert. Der eigentliche Grund, weshalb sich bereits das frühe Christentum zu einem dreifaltigen Gott bekennt, ist aber sehr einfach.
Zum Glauben an den dreifaltigen Gott kommen die ersten Jünger durch die Erfahrung, die sie mit Jesus von Nazaret machen. Spätestens nach seiner Auferstehung bekennen sie ihn als „Christus“, als Erlöser, und als „Sohn Gottes“, d.h. als Gott. Warum? Ganz einfach: Ein blosser Mensch kann die Welt nicht erlösen; ein blosser Mensch ist nicht Gott.
Jesus von Nazaret betet zu seinem Vater. Er versteht sich als von ihm verschieden und ihm doch ganz nahe, nämlich im Geist mit ihm verbunden, ja sogar eins.
So kommt es, dass wir im Neuen Testament aus dem Munde Jesu trinitarische Formeln vernehmen, die der Mensch Jesus von Nazaret wohl kaum so geäussert hat. Jesus spricht etwa im heutigen Evangelium die eigenartigen Worte: „Alles, was der Vater hat, ist mein.“ (Joh 16,15.) Wenn wir das Geheimnis der Dreifaltigkeit ernst nehmen, kann niemand mehr behaupten, ein strenger und unbarmherziger Gott Vater sende seinen Sohn ans Kreuz. Ja, wir können dann nicht einmal mehr sagen, nur der Sohn habe am Kreuz gelitten.
Die Erlösung der Menschheit ist – genauso wie die Schöpfung der Welt – vielmehr zu verstehen als ein Werk, das der dreifaltige Gott als einer will und wirkt.
Die Theologen sagen es etwas komplizierter so: Nach innen ist der christliche Gott dreifaltig, verschieden in drei Personen; nach aussen aber wirkt der dreifaltige Gott immer als einer. Ein alter theologischer Lehrsatz besagt: „Die Werke Gottes sind nach aussen ungeteilt.“ „Opera Trinitatis ad extra sunt indivisa“. (Stosch, S. 74.)
Es lässt sich also nicht behaupten, dass nur der Sohn die Menschen erlöst habe, ebenso wenig wie man sagen kann, nur der Vater habe die Welt erschaffen. Gott wirkt zum Heil der Menschen immer als der eine dreifaltige Gott, als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Die Erlösung ist wie die Schöpfung der Welt das Liebeswerk des einen dreifaltigen Gottes.
Die Aussage, dass ein unbarmherziger Vater seinen Sohn am Kreuz verbluten lässt, ist vielleicht brauchbar für ein Passionsspiel, aber es ist schlechte Theologie. ---
Es wird heute viel diskutiert, ob Gott’ Vater oder Mutter oder beides zugleich sei; ob unser Gottesbild nicht zu patriarchalisch und entsprechend durch weibliche Züge zu ergänzen oder gar zu ersetzen sei.
Wie man sich zu dieser Frage auch stellen mag, Eines gilt es zu beachten: Die biblische und theologische Rede von Vater, Sohn und Geist hat mit patriarchalischem oder feministischem Denken wenig zu tun.
Gott steht über der Geschlechtertrennung von Mann und Frau, die er ja erst erschaffen hat. Gott kann deshalb nicht mit ihrer Hilfe beschrieben werden als weiblich oder männlich, väterlich oder mütterlich.
Der Theologe Klaus von Stosch versucht einmal, den dreifaltigen Gott mit etwas anderen Worten auszudrücken, um so deutlich zu machen, was die Rede von Vater, Sohn und Geist eigentlich meint. (Stosch, S. 50-59, bes. S. 72-74.)
Gott Vater ist demnach der Urheber und Ursprung von allem. Trotz der sichtbaren Schöpfung, die er erschaffen hat, bleibt er unfassbar und geheimnisvoll, denn er entzieht sich unserem Zugriff. Wir erfahren ihn meist in seiner scheinbaren Abwesenheit. Stosch schreibt: „Er ist der allumfassende, aber selbst nicht fassbare ursprungslose Urgrund der Welt.“ (72.)
Der Sohn hingegen ist das vom Vater gesprochene Wort, das für uns Mensch und damit verständlich geworden ist. In Jesus von Nazaret allein erkennen wir, wer der Vater wirklich ist. In ihm ist uns der Vater gegenwärtig und ansprechbar geworden. Stosch schreibt: Im Sohn „hat sich Gott für uns ausgesagt und sich uns personhaft zugewandt“ (73).
Der Geist schliesslich ist die Liebe, die Vater und Sohn miteinander vereint. Der gleiche Geist ist es, in dem auch wir Gott anrufen und einander wie uns selbst in Liebe achten. Wir leben in Gottes Gegenwart. Im Geist ist Gott uns näher, als wir selbst es sind. Wie es der mittelalterliche Mönch Aelred von Rievaulx ausdrückt: „Gott ist Freundschaft.“
Der dreifaltige Gott ist also Ursprung von allem, verbindliche Zusage an uns Menschen und liebevolle Beziehung.
In diesem Sinn richtet der Kapuziner Anton Rotzetter einmal folgendes Gebet an den dreifaltigen Gott:
„Du, Gott im Himmel oben, unbegreiflicher, ferner Vater, wir beten dich an.
Du, Gott auf der Erde unten, begreiflicher, naher Jesus, wir lieben dich.
Du, Gott in uns, begriffener, begeisternder Geist, wir bezeugen dich.“ (S. 253.)
Amen.