Evangelium: Joh 6,60-69
„Was er sagt, ist unerträglich.“ (Joh 6,60.) Dieser Vorwurf gegen Jesus aus seinem eigenen Jüngerkreis hat einen ganz bestimmten Zusammenhang, nämlich die so genannte Brot-Rede im JohEv. Jesus behauptet in dieser Rede: „Ich bin das Brot des Lebens.“ (6,35.48.) Und: „Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben.“ (6,51.)
„Unerträglich“ ist aber für viele nicht nur der Glaube an die Eucharistie. Dass sich Jesus für uns hingibt und in Wein und Brot gegenwärtig wird, das ginge noch.
Zum christlichen Glauben gehört jedoch noch viel mehr: dass Gott in Jesus von Nazaret Mensch geworden, für uns gestorben und wieder auferstanden ist. Das ist für viele Menschen heute „unerträglich“.
„Was er sagt, ist unerträglich.“ Unser Glaube mutet uns tatsächlich einiges zu. Dabei haben wir meist gar nicht so sehr mit konkreten Glaubensinhalten Mühe. Die Schwierigkeiten liegen anderswo.
„Unerträglich“ wird unser Glaube vor allem dann, wenn wir die Erfahrung machen, dass unser Glaube und unser Herz nicht in Einklang miteinander sind, wenn unser Leben unserem Glauben zu widersprechen scheint und umgekehrt, wenn uns angesichts des Leids in der Welt und der Konflikte im eigenen Herzen der Glaube an einen barmherzigen Gott schwerfällt.
Das ist die Situation, die wir im heutigen Evangelium gespiegelt sehen können. Die Jünger, die Jesus seit längerem kennen, müssen plötzlich feststellen, dass ihnen nicht mehr alles gefällt, was ihr Meister sagt. Was sollen sie jetzt tun?
Zwei Lösungen sind denkbar. Entweder sie bleiben ihrem Meister trotz allem treu und finden einen Weg, seine Aussagen und ihre eigenen Erfahrungen miteinander zu verbinden. Oder aber sie lösen ihre Gefolgschaft auf und gehen fortan wieder ihre eigenen Wege.
„Daraufhin zogen sich viele Jünger zurück und wanderten nicht mehr mit ihm umher.“ (Joh 6,66.)
Auch wir stehen immer wieder in dieser Situation. Gerade wenn wir in Bezug auf Christus eine Lebensentscheidung getroffen haben, sei es für ein Leben aus dem Glauben an ihn, für eine christliche Ehe oder für den Eintritt ins Kloster, werden wir früher oder später und immer wieder vor diese Entscheidung gestellt: Sollen wir weggehen oder bleiben?
Wir machen dann die Erfahrung: Wir sind schon bei Christus, haben uns für ihn entschieden, und nun wird das Leben trotzdem oder gerade deswegen plötzlich schwierig.
An diesem Punkt angelangt, stellt Jesus auch uns die Frage: „Wollt auch ihr weggehen?“ (Joh 6,67.) ---
Wir sind alle freiwillig hier. Jesus will es auch gar nicht anders. Er lässt uns frei, auch andere Wege zu gehen. Die Frage ist: Warum bleiben wir?
Wir sind alle freiwillig hier. Das ist wohl auch der Grund, weshalb es uns persönlich trifft, wenn Bekannte oder Freunde tatsächlich weggehen, sich scheiden lassen, Familie, Klosterleben oder Priestertum aufgeben, zur Kirche austreten. Solche Entscheidungen treffen uns tief, weil es, wenn wir ehrlich sind, auch unsere eigenen sein könnten. Warum bleiben wir?
Wie so oft in den Evangelien gibt Petrus eine gute Antwort: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Du bist der Heilige Gottes.“ (Joh 6,68f.)
Wie so oft gibt Petrus eine gute Antwort. Aber mit welchen Gefühlen tut er das in dieser Situation? Steckt dahinter wirklich Begeisterung, felsenfeste Überzeugung – oder nicht einfach nur tiefe Resignation, die Befürchtung, dass es doch keine sinnvolle Alternative gibt?
Petrus ist von Jesus immer wieder sehr begeistert. Er lässt sich schnell überzeugen. Petrus legt als erster das Messias-Bekenntnis ab, und er ist der erste, der sogar sein Leben für Jesus hingeben will.
Die Begeisterung des Petrus ist gross, doch es ist oft nur ein Strohfeuer, und darauf folgt die Ernüchterung. Zwar bekennt Petrus, Jesus sei der Messias, doch hat er damit von Jesus bekanntlich überhaupt nichts verstanden, denn Jesu Leiden und Sterben lehnt er ab. Zwar bietet Petrus Jesus an, sein Leben für ihn hinzugeben, doch am Schluss ist es genau umgekehrt: Jesus stirbt auch für ihn. ---
Begeisterung allein garantiert also noch kein wirkliches Bleiben bei Jesus. Aus der blossen Begeisterung folgt nicht wirklich die Erkenntnis, dass Jesus „der Heilige Gottes“ ist.
Die Erkenntnis, die zum Bleiben bei Jesus führt, ist viel leiser, nicht mehr so stürmisch wie die ursprüngliche Begeisterung. Sie ergibt sich erst nach mancher Enttäuschung, nach mancher geschlagenen Schlacht. Dafür ist sie solid und verlässlich geworden.
Erst durch die konkrete Erfahrung des eigenen Lebens mit seinen Schwierigkeiten können wir langsam, ganz langsam verstehen, was Jesu Botschaft und sein Beispiel wirklich beinhalten. Mit der durchlebten und manchmal durchlittenen Erfahrung des eigenen Lebens wächst auch die Erkenntnis Jesu.
Das ist ein grosser Trost für alle Gläubigen, die von sich denken, sie seien zu wenig begeisternde Beispiele für andere. Viele von uns im Dienst der Verkündigung, im Priester- oder Ordensstand sehen uns dem grossen Druck ausgesetzt, immer aufgestellt und begeistert sein zu müssen oder doch wenigstens so zu scheinen – oder noch schlimmer:so zu tun.
Eine erlösende Botschaft des heutigen Evangeliums könnte deshalb sein, dass Jesus nicht Begeisterung verlangt, sondern Echtheit, ein Stehen zum Leben, so wie es ist, im Gespräch und im Ringen mit Gott, durch alle Schwierigkeiten hindurch.
Paulus schreibt im Galaterbrief: „Christus will ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit seinen Leiden; sein Tod soll mich prägen. So hoffe ich, auch zur Auferstehung von den Toten zu gelangen.“ (Gal 3,10f.)
Amen.