Kloster Einsiedeln, zur Startseite
Kloster Einsiedeln, zur Startseite

Predigt von P. Jean-Sébastien Charrière am 7. Sonntag der Osterzeit 2024

Liebe Schwestern und Brüder

Wie oft meditieren Sie, wie oft denken Sie über die Dreieinigkeit nach?

Dieses Geheimnis ist zentral in unserem Glauben, denn nach dem Abbild Gottes, der dreieinig ist, sind wir geschaffen. Die Abschiedsrede Jesu, von dem wir auch am letzten Sonntag im Evangelium gehört haben, ist nicht nur ein Gebet Jesu für die Menschen, die ihm nachfolgen. Es ist auch eine Zusammenfassung unseres Glaubens und unserer Berufung, sowie eine Offenbarung des Geheimnisses der Dreieinigkeit. Wenn wir von Geheimnis sprechen, heisst das nicht, dass wir sowieso nichts verstehen können, sondern, dass wir nie fertig werden, darüber nachzudenken und zu staunen. Es geht um eine Wahrheit, die wir nicht besitzen können, denn sie übersteigt unser Denkvermögen.

Am vergangenen Sonntag stand bei der Abschiedsrede das Thema der Liebe im Zentrum. Im heutigen Abschnitt geht es vor allem um die Heiligkeit und die Heiligung. Wenn ich im heutigen Evangelium die drei Verse, in denen die Heiligkeit vorkommt, nacheinander lese, ergibt sich dieses Gebet: «Heiliger Vater (v. 11b) / Heilige sie in der Wahrheit (v.17) / Ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind (v. 19).»

Der Vater ist heilig und die Heiligkeit Jesu kommt von seiner Einheit mit dem Vater. Da berühren wir das Geheimnis der Dreieinigkeit. Drei Personen, die eins sind. Und was die Einheit bewirkt, ist die Liebe. Liebe kann nur in der Beziehung sein. Das Wesen der Liebe ist, gegeben und empfangen zu werden. So ist Gott mehr als jemand der liebt. Er IST die Liebe, und aus dieser fruchtbaren Liebe sind wir entstanden. Aber durch die Trennung von Gott wurde diese Liebe verletzt. Deshalb betet Christus um Heiligung. Historisch gesehen, scheint auch das älteste Gebot in der Bibel der Aufruf zur Heiligkeit zu sein: «Seid heilig, denn ich, der HERR, euer Gott, bin heilig» (Leviticus 19,2). Jesus lehrt, dass das erste Gebot die Liebe zu Gott, zum Nächsten und zu sich selbst ist. So können wir verstehen, dass die Heiligkeit Gottes der Ausdruck seiner vollkommenen Liebe ist. Darum ist Heiligkeit für uns die Teilhabe an der Liebe Gottes. Heilig sein heisst die Liebe Gottes ganz anzunehmen und ungehindert weitergeben. Wir wissen aber aus Erfahrung, dass es nicht immer leicht ist, sich lieben zu lassen oder unsere Nächsten bedingungslos zu lieben. Ganz zu schweigen davon, dass viele Gefühle und Vorstellungen, die wir «Liebe» nennen, gar keine Liebe sind.

Diese wahre Liebe, die Christus mit dem Vater und dem Heiligen Geist teilt, ist die Freude Jesu. Und diese Freude will er uns in Fülle mitteilen, haben wir im Evangelium gehört. Er weiss aber auch, dass wir in einer Welt leben, in der diese Liebe oft abgelehnt wird. Deshalb sagt er, dass wir in der Welt, aber nicht von der Welt sind. So können wir uns fragen, wie weit wir selbst seiner Liebe durch unsere Gedanken, Worte und unser Verhalten dienen oder diese ablehnen.

Um uns vor dem Bösen zu bewahren, hat Jesus uns das Wort des Vaters gegeben in zweifacher Art und Weise: Einerseits durch die Verkündigung der Frohen Botschaft, anderseits – und vor allem – durch seine Menschwerdung, sein Vorbild und die Hingabe seines Lebens. Er ist das fleischgewordene Wort Gottes, das sich immer noch und immer wieder durch die Lesungen und die Sakramente uns hingibt! Er ist aber auch das Wort, durch welches die ganze Schöpfung entsteht. Wie weit nehmen wir uns Zeit, auf dieses Wort zu hören und uns von ihm beschenken zu lassen? Nur damit können wir uns vom Geist Gottes, von seinem Heiligen Geist der Liebe, beschenken lassen.

Liebe Schwestern und Brüder

Über die Dreieinigkeit zu meditieren oder nachzudenken, schafft eine Verbindung: Es öffnet das Tor oder baut die Brücke, durch welche die Gnade Gottes sich uns schenken kann. Die Dreieinigkeit ist vollkommene Liebe – vollkommene Beziehung: Drei, die eins sind und Einer, der drei ist. Zu dieser Einheit mit Gott und untereinander sind wir bestimmt und berufen. Alle wissen wir aber vom Kampf in der Welt, aber auch in uns selbst, zwischen lieben und nicht lieben. Auch wenn unsere Liebe unvollkommen ist, beginnt die Liebe mit unserem Bemühen zu lieben: Dies wiederum öffnet das Tor und baut die Brücke, dass Gott in und durch uns lieben kann. Seine Liebe wird uns Schritt für Schritt verwandeln. Deshalb sendet uns Jesus in die Welt, damit seine Liebe alles verwandeln kann.
 

Servicenavigation