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Predigt von P. Daniel Emmenegger am Hochfest Christi Himmelfahrt 2024

Wir Christen feiern heute das Fest Christi Himmelfahrt: Christus, der für uns am Kreuze hing und auferweckt wurde, entschwindet in das Geheimnis Gottes hinein – und entzieht sich den Blicken der Apostel (Apg 1,9). Dieses Ereignis ist nach einem Wort Romano Guardinis «wie der Anschlag eines gewaltigen Akkords, der nun in der Luft steht und harrt, dass er in seiner Lösung zur Ruhe komme».

Nun, was ist eigentlich geschehen?
Wir glauben und bekennen, dass Christus von Gott ausgegangen ist, an der «Brust des Vaters» ruhte, wie der Beginn des Johannesevangeliums es ausdrückt (Joh 1,18); dass er den Raum dieser vollkommenen «Liebesharmonie» verlassen und in unsere Welt gekommen ist; dass er durch Zeugung und Geburt aus Maria, der Jungfrau, unsere Menschennatur angenommen und somit als Mensch in unserer Welt gelebt hat. Als solcher musste er nicht nur deren Misstöne und Disharmonien erdulden. Nein, ihre Kakophonie hat ihn getötet! Aber dieser Tod war frei: So hat er sich die Kakophonie der Welt regelrecht einverleibt und sie mit in den Tod genommen. Dann aber wurde er auferweckt. Nach drei Tagen stand er leibhaft – also mit dem aus Maria angenommenen Leib – erneut vor seinen Aposteln und zahlreichen weiteren Zeuginnen und Zeugen. Sein Menschenleib war gezeichnet von der Kakophonie dieser Welt; Christus hatte als Mensch seine Geschichte. Aber diese Geschichte wurde zum Gericht für die Kakophonie und zur Befreiung des Menschen. Wenn er nun wieder an die «Brust des Vaters», in die vollkommene Liebesharmonie Gottes eingeht, dann mit seiner leibhaften Menschennatur.

Was also ist geschehen?
Für uns Menschen hat sich eine ungeheure Möglichkeit aufgetan: Wir können als Menschen – mit Leib und Seele! – sein wo Christus ist: In der vollkommenen Liebesharmonie Gottes jenseits der engen Grenzen unseres sterblichen Daseins; jenseits aller Misstöne, Disharmonie und Kakophonie. Ein gewaltiger Akkord vollkommenster Harmonie ist angeschlagen, der nun in der Luft steht und harrt, dass er in seiner Lösung zur Ruhe komme.

Wie aber steht es? Glauben wir dieser Botschaft, die von den Aposteln an die Kirche ergangen und bis zu uns gedrungen ist? – Mögliche Früchte solchen Glaubens wurden uns in der Lesung genannt. Drei davon möchte ich nochmals ins Blickfeld nehmen:

Zunächst die Demut.
Sie anerkennt, dass nicht wir die Tür zum göttlichen Leben aufgestossen haben. Christus hat das getan. Und er hat es nicht deshalb getan, weil es in uns und um uns keine Misstöne gäbe, sondern er hat es trotz dieser Misstöne getan. Diese Liebesbewegung Gottes hinein in unsere kakophonische Welt zu uns misstönenden Menschen hat ein bedeutender Schweizer Theologe einmal wie folgt ins Wort gefasst: Es entschleiert sich hier «absolute Liebe, die absteigend ihren Kreaturen die Füsse, ja die Seelen wäscht und allen Unrat der Schuld, allen Gott angeifernden Hass, alle mit Knüppeln auf ihn einhauende Anklage, allen seine Enthüllung höhnisch wiederverhüllenden Unglauben, alle seine unfassbare Abstiegsbewegung endgültig annagelnde Verachtung in sich hineinnimmt, um vor sich selbst und vor aller Welt seine Kreatur zu entschuldigen.» Ich weiss nicht, ob Sie diesem Zitat folgen konnten. Falls Sie es konnten, dann werden Sie ahnen, dass Demut hier keineswegs eine selbstverständliche Antwort ist. Man kann daran auch Ärgernis nehmen. Ist es nicht des Guten zuviel, ja geradezu ungerecht und gegen jegliche Vernunft? – Nur Demut ist zur Aufnahme solcher Liebe bereit und fähig. Und sie scheint mir auch der Humus für eine weitere Frucht zu sein:

Die Geduld.
Dass Gott seine kakophonische Kreatur ent-schuldigt, heisst ja nicht, dass er die Kakophonie gutheisst, gar noch etwas aus ihr komponiert. Ganz im Gegenteil. Sie muss weg. Endgültig. Im Akkord, den Gott über der Kakophonie der Welt angeschlagen hat, haben keine Misstöne mehr Platz. Aber dieser Akkord ist erst angeschlagen und harrt seiner Lösung. Die Geschichte der Welt, deren Kakophonie Christus ans Kreuz geschlagen hat – diese Geschichte dauert fort. Auch als Glaubende leben wir inmitten dieser Geschichte und sind selbst von ihr geprägt. Und weil uns der von Gott angeschlagene Akkord ans Ohr gedrungen ist, hören wir die Misstöne umso deutlicher, ja sie tun regelrecht weh! Aber wir wissen: Es ist nicht unsere Sache; es ist überhaupt nicht Sache des Menschen, die Lösung des göttlichen Akkords herbeizuführen, ihn zur Ruhe zu bringen. Das ist einzig und allein Sache Gottes. Unsere Sache ist es, in dieser Welt jeglicher Disharmonie zu widersagen und Misstöne zu meiden. In täglicher geduldiger Übung. Wie könnten wir anders, wenn doch Gott selbst die Disharmonie verurteilt hat!? Weiter ist es unsere Sache, den Mitmenschen nicht mehr länger in seiner Disharmonie zu sehen, sondern in seiner Befreiung von Christus her. In geduldig ertragender und verzeihender Begegnung (Eph 4,2). Wie könnten wir anders, wenn doch Gott selbst die Disharmonie nicht mehr in uns sieht – weder in mir noch im Anderen –, sondern in Christus, dem geliebten Sohn, der sie trägt; dass Gott sie dort erblickt, in Leidensliebe gewandelt, und uns liebt, weil wir die schmerzlich Geliebten Jesu Christi, seines Sohnes sind!? Kurzum: Unsere Sache ist es, in den von Christus angeschlagenen Akkord einzustimmen und ihn anzustimmen, hinausgehend in die ganze Welt und verkündigend der ganzen Schöpfung (Mk 16,15). Das können wir nicht, ohne dass Christus selbst diesen Akkord in uns anschlägt. Das geschieht in den Sakramenten. Die Geduld überlässt es dann Gott, wann dieser über der Welt und in der Welt angeschlagene Akkord in seiner Lösung zur Ruhe kommen soll. 

Und schliesslich: Geduld hat, wer hofft.
Denn die Hoffnung weiss, dass Gott den Akkord, der in der Luft steht und seiner Lösung harrt, auch tatsächlich lösen und zur Ruhe bringen wird. Sie weiss, dass die Welt und ihre Geschichte in diesen Klang mithineingenommen wird, alle Misstöne, Disharmonie und Kakophonie ausscheidend; Hoffnung geht deshalb mit der Welt und ihrer Geschichte nicht so um, als ob sie ihren Sinn in sich selber hätte; als ob all das bereits das Ganze wäre. Sie weiss um die unbeirrbare Ausgerichtetheit menschlicher Existenz auf die «Göttliche Liebesharmonie», worin allein der Mensch zu «lebendiger Ruhe» kommen kann. Sie weiss gegen alle Hoffnungslosigkeit gerade unserer Tage, dass es mit der ganzen Schöpfung und darin mit dem Menschen gut kommt, wenn dieser lernt, auf Gottes Wort zu hören und Raum zu geben für Gottes Harmonie. Wie der von Christus angeschlagene Akkord seiner Lösung harrt, so harrt die Hoffnung auf die Wiederkehr Christi, in der sich alle Dinge erfüllen, worin der Akkord zur Ruhe kommt. Solche Hoffnung kommt aus dem Glauben an das Zeugnis der Apostel. Das heisst: Sie liegt gerade nicht in der Möglichkeit des Menschen. Der Mensch kann sich solche Hoffnung selbst nicht zusprechen. Er kann sie sich höchstens einreden und einbilden. Aber das ist nicht nötig!

Denn: Was ist geschehen? – Gott hat gesprochen! Oder besser: Er hat gesungen!

Amen.
 

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