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Predigt von Frater Meinrad M. Hötzel an Palmsonntag 2025

Liebe Schwestern und Brüder, im Himmel Friede und Ehre in der Höhe! Bimmelten bei Ihnen bei diesem Vers vorher im Evangelium vor der Prozession auch die Weihnachtsglöckchen wie bei mir? Ich musste da nämlich sofort an den Gesang der Engel bei der Verkündigung der Geburt Jesu an die Hirten denken: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens. Warum macht Lukas bei der Schilderung von Jesu Weg nach Jerusalem kurz vor der Passionserzählung eine Anspielung an den Beginn seines Evangeliums mit der Geburt Jesu?

Wenn wir uns darüber ein paar Gedanken machen möchten, lohnt es sich ein paar Aspekte des Textes näher in den Blick zu nehmen. Als wir vorher die Palmprozession machten, versetzten wir uns ganz praktisch in die Situation der Jüngerinnen und Jünger Jesu beim Einzug in die Stadt Jerusalem. Spannenderweise passte aber der Evangeliumstext aus dem Lukasevangelium, der in diesem Jahr von der kirchlichen Leseordnung vorgegeben ist, gar nicht so gut zur konkreten Ausgestaltung der Prozession. Die Zweige und Palmen, die wir weihten und in Händen hielten, werden bei Lukas nämlich gar nicht erwähnt, sondern gehen auf die Berichte von Matthäus und Markus sowie Johannes zurück. Vor allem aber von einem Einzug in die Stadt ist bei Lukas nicht eigentlich die Rede, denn es heisst, dass sich all die geschilderte Prozession mit der jubelnden Preisung Jesu als König abspielte, als sie sich dem Abhang des Ölbergs näherten. Also war all das noch deutlich vor der Stadt.

Auf eine Spur, was es bedeuten kann, dass sich dieses ganze Geschehen bei Lukas vor der Stadt abspielt hat mich ein Lied aus dem KG gebracht. Im Lied «Wir ziehen vor die Tore der Stadt» unter der Nummer 377 heisst nämlich die dritte Strophe: «Er ruft uns vor die Tore der Welt. Denn draussen wird er sein, der draussen eine Krippe wählt und draussen stirbt auf dem Schädelfeld. Er ruft uns vor die Tore der Welt: Steht für die draussen ein!»

«Der draussen eine Krippe wählt» Jesus bleibt sich also treu. Schon als Kind wurde der Sohn des höchsten Herrschers nicht in einem Palast geboren, sondern in einer Futterkrippe. Nun wird er nicht mit einem Ehrenspalier in der Stadt auf einem roten Teppich empfangen, sondern wird höchst improvisiert auf einem Esel mit Sattel aus Kleidern über weitere Kleidungsstücke reitend von einem Haufen aus Jüngerinnen und Jüngern, darunter Fischer, Zöllner, Prostituierte, vor den Stadtmauern zum König proklamiert. 

Aber immerhin erfolgt diese für einen König etwas anrüchige Proklamation mit Worten von Engeln: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden… halt so hat es ja im Evangelium gar nicht geheissen. Es lautete vielmehr: Im Himmel Friede und Ehre in der Höhe! Hat sich der Friede, der bei der Geburt Jesu auf die Erde kam, in den Himmel verabschiedet?

Um diese Variation, die Lukas vorgenommen hat, besser zu verstehen, lohnt es sich, dem Text des Lukasevangeliums nur wenige Verse weiter zu folgen. Dort heisst es nämlich, dass Jesus, als er endlich in Sichtweite der Stadt kam, über Jerusalem weinte und sagte: «Wenn doch auch du an diesem Tag erkannt hättest, was Frieden bringt. Jetzt aber ist es vor deinen Augen verborgen.» Um zu begreifen, was für ein hartes Wort gerade über Jerusalem dies war, muss man wissen, dass der Name Jerusalem damals von «Schauung des Friedens» hergeleitet wurde. Gerade der Stadt, in und durch die man schon dem Namen nach den Frieden schauen sollte, ist er verborgen und entzogen. 

Wo aber ist der Friede jetzt? Wo finden wir ihn? Da hilft uns einer hier in dieser Kirche, der ebenfalls einen Zweig hält, wie wir es bei der Prozession taten, den Sie aber vermutlich noch nicht entdeckt haben. In der Mitte der Weihnachtskuppel können Sie in der Laterne Gottvater erblicken. Er kommt dort bei der Geburt seines Sohnes als Mensch vom Himmel herabgestürzt. In einer Hand hält er eben einen Zweig, und zwar einen Zweig vom Olivenbaum, mit dessen Öl die Könige Israels gesalbt wurden. Denn die Königswürde Jesu kommt von Gott selbst. In der anderen Hand hält Gottvater ein Kreuz. Hier also ist der Friede zu finden: draussen auf dem Schädelfeld, wo Jesus am Kreuz sterben wird. Von dort wird er aber auch auferstehen und uns den Himmel öffnen. Himmel, das bedeutet die Nähe Gottes, in die uns Jesus Christus durch seine Hingabe zur Vergebung der Sünden führt.

Für uns kann das zu Beginn dieser Karwoche bedeuten: uns nicht in die schönen, prächtigen Städte unserer Gewohnheiten im Glauben und Handeln zurückzuziehen, sondern uns im Alltag immer wieder neu von Jesus herausrufen zu lassen, heraus in die persönliche Beziehung mit ihm, in das Wagnis, Gott auch dort zu vertrauen, wo es uns schwer fällt und uns die Sicherheit fehlt, heraus aber auch zu den Leiden und Nöten anderer Menschen, die unseren Beistand, unseren Trost, unsere Hilfe brauchen.

Amen.
 

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