Am Samstagabend, 28. Dezember 2024, haben Klostergemeinschaft und Pfarrei Einsiedeln das Heilige Jahr 2025 gemeinsam eröffnet. Im festlichen Gottesdienst, der in der Jugendkirche begann und in der Klosterkirche endete, hielt Abt Urban nach der Verkündigung eines Abschnitts aus der Verkündigungsbulle des Heiligen Jahres von Papst Franziskus eine eindrucksvolle Predigt, die wir hier nach dem Abschnitt aus «Spes non confundit» gerne wiedergeben.
Aus der Bulle zur Einberufung des Ordentlichen Jubiläums «Spes non confundit»:
«Spes non confundit», «die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen» (vgl. Röm 5,5). Im Zeichen der Hoffnung macht der Apostel Paulus der christlichen Gemeinde von Rom Mut. Hoffnung ist auch die zentrale Botschaft des bevorstehenden Heiligen Jahres, das der Papst nach alter Tradition alle fünf und zwanzig Jahre ausruft. Alle hoffen. Im Herzen eines jeden Menschen lebt die Hoffnung als Wunsch und Erwartung des Guten, auch wenn er nicht weiß, was das Morgen bringen wird. Die Unvorhersehbarkeit der Zukunft ruft jedoch teilweise widersprüchliche Gefühle hervor: von der Zuversicht zur Angst, von der Gelassenheit zur Verzweiflung, von der Gewissheit zum Zweifel. Oft begegnen wir entmutigten Menschen, die mit Skepsis und Pessimismus in die Zukunft blicken, so als ob ihnen nichts Glück bereiten könnte. Möge das Heilige Jahr für alle eine Gelegenheit sein, die Hoffnung wieder aufleben zu lassen. Möge die Kraft der Hoffnung unsere Gegenwart erfüllen, während wir zuversichtlich auf die Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus warten, dem jetzt und in aller Zukunft Lob und Herrlichkeit gebührt.
Predigt von Abt Urban
Liebe Pfarreiangehörige von Einsiedeln, liebe Klostergemeinschaft – liebe eine Glaubensfamilie
Wie so oft, bringt Papst Franziskus in seiner Bulle zum Heiligen Jahr etwas auf den Punkt. Ja, wir beginnen heute zusammen das Heilige Jahr, ein Jubeljahr, ja wir begeben uns heute gemeinsame auf den Weg als Pilgerin und Pilger der Hoffnung. Aber wir tun dies aus widersprüchlichen Gefühlen heraus, die die Zukunft in uns auslöst: «von der Zuversicht zur Angst, von der Gelassenheit zur Verzweiflung, von der Gewissheit zum Zweifel». So feiern wir heute am 28. Dezember auch gleich beides als Fest: Das Fest der unschuldig verfolgten und getöteten Kinder, und das Fest der Heiligen Familie. Auf der einen Seite ist da die Realität, hat doch gerade gestern das UNICEF Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen verkündet, dass seit dem Zweiten Weltkrieg nie mehr so viele Kinder in einem Konfliktgebiet leben mussten wie heute. Und auf der anderen Seite steht unsere Sehnsucht nach einer Familie, in der Menschen zusammenstehen, wo Vertrauen und Liebe und damit auch Hoffnung möglich sind.
Wenn wir das heutige Evangelium in diese Spannung zwischen brutaler Realität und dem Wunsch nach Familie dazunehmen, dann fällt auf, das Jesus durchaus nicht auf einer Seite steht, sondern diese Spannung in sich vereinigt. Jesus ehrt seine Eltern und ist ihnen gegenüber gehorsam. Doch seine Beziehung zum himmlischen Vater ist ihm noch wichtiger als seine leibliche Familie, die Gottesbeziehung lässt ihn schon als Jugendlichen unabhängig von seinen Eltern sein. Daran müssen sich Maria und Josef erst einmal gewöhnen. Später wird er zu seiner Mutter sogar sagen: «Denn wer den Willen meines himmlischen Vaters tut, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter» (Mt 12,50).
Die wahre Familie Jesu Christi sind wir, wenn wir Gottes Willen tun. Hoffnung können wir also nicht einfach nur aus der Heiligen Familie ableiten, von der wir letztlich sehr wenig wissen. Hoffnung entsteht in der Glaubensfamilie der Kirche. So meint die Lesung aus dem Brief an die Gemeinde in Kolóssä, wer sich Christin und Christ nennt, muss die Kraft des Glaubens an Christi Tod und Auferstehung im eigenen Leben durchscheinen lassen. Wer an Christus glaubt, hat also eine Hoffnung, die trägt und die wir teilen können. Wer sich von Gott geliebt weiss, der und dem kann der hl. Paulus zurufen: «Bekleidet euch […] mit innigem Erbarmen, Güte, Demut, Milde, Geduld! Ertragt einander und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorzuwerfen hat! Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! Vor allem bekleidet euch mit der Liebe, die das Band der Vollkommenheit ist!»
Wie begegnen wir heute, wie es Papst Franziskus sagt «entmutigten Menschen, die mit Skepsis und Pessimismus in die Zukunft blicken, so als ob ihnen nichts Glück bereiten könnte»? Als Familie Jesu Christi, der nichts fremd ist: die Zweifel, der Pessimismus und die Angst. Wir sind aber auch eine Familie, die in Jesus Christus ihre Hoffnung hat und die wir teilen können. Wir sind eine Familie, die sich wegen dieser Hoffnung immer wieder in Geduld, im Gegenseitig-Ertragen, in der Vergebung und in der Liebe begegnen kann, weil auch Gott uns vergibt und uns liebt.Gehen wir darum jetzt gemeinsam auf den Pilgerweg der Hoffnung, tragen wir unser Licht in die Nacht hinaus und begegnen wir so anderen Menschen mit der Hoffnung in unserem Inneren, in jener Haltung also, die im Evangelium Maria ausmacht: «Seine Mutter bewahrte all die Worte in ihrem Herzen.»