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Predigt von Abt Urban Federer zum Weihetag unserer Klosterkirche 2024

Am 3. Mai 1735, also vor 289 Jahren, wurde die heutige Klosterkirche geweiht. Von den Vorgängerbauten aus der Romanik und der Gotik sehen wir heute praktisch nichts mehr. 

Was denn feiern wir heute? Erinnern wir uns an den Barock und damit an das Jahr 1735? In diesem Jahr begann der russisch-türkische Krieg und es tobte der polnische Erbfolgekrieg. Entscheidend für diese Kirchweihe ist darum wohl weniger das Jahr 1735. Entscheidend ist vielmehr, dass wir uns an am 3. Mai an diese Weihe erinnern.

«Seine Jünger erinnerten sich, dass geschrieben steht: Der Eifer für dein Haus wird mich ver-zehren.» Auch im Evangelium erinnern sich Menschen. Mit Jesu Verhalten im Tempel von Jerusalem mussten seine Jüngerinnen und Jünger umgehen können. Dabei half ihnen Psalm 69. Sie erinnerten sich, wie der Beter dieses Psalms Gott um Hilfe anruft: «Rette mich, Gott, denn das Wasser reicht mir bis an die Kehle!», beginnt der Psalm. Ein Mensch, der sich suchend und vertrauend auf Gott einlässt, wird auch verletzlich. Es kann ihn in dieser Freundschaft auch einmal zerreissen: «Der Eifer für dich wird mich verzehren». Doch gerade von diesem Gott, der uns kein Kreuz aus dem Weg räumt, erwartet Psalm 69 Heil und Rettung. 

Der 3. Mai ist das alte Fest der Kreuzauffindung durch Kaiserin Helena. Einsiedeln war ein Kreuz-Wallfahrtsort, bevor er ein Marienwallfahrtsort wurde. So ist die Klosterkirche am Fest Kreuzauffindung geweiht worden, während wir den Weihetag der Gnadenkapelle, der Kapelle des hl. Meinrad und der Schwarzen Madonna, am 14. September feiern, am Fest der Kreu-zerhöhung. Wir erinnern uns am 3. Mai daran, dass der Glaube uns oft fast zerreisst, dass die Beziehung mit Gott nicht ohne seine und unsere Verwundbarkeit, nicht ohne das Kreuz zu haben ist, dass gläubige Menschen dem Kreuz nicht ausweichen können. Darum ist es in den Bildern unserer Klosterkirche immer dunkel – in der Weihnachtsnacht – in der Nacht des Abendmahls – in der Nacht der Engelweihe vom 13. auf den 14. September. In unserer Glaubensnacht, so zeigen diese Bilder, kommt das Licht einzig von Christus her. 

«Als er von den Toten auferweckt war, erinnerten sich seine Jünger, dass er dies gesagt hatte, und sie glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesprochen hatte», heisst es im Evangelium weiter. Wir erinnern uns heute nicht nur an das Kreuz, sondern auch an die Kraft dieses Lichtes, das von Christus kommt, an die Kraft der Auferstehung. Dieser Glaube erlaubt uns erst, ein Kreuz anzunehmen und Schritte zu wagen, weil wir im Kreuz das Ja Gottes zu uns Menschen glauben. Wir wagen heute Kirche zu sein, weil wir aus der Kraft von Ostern leben.

Kirche sein in der heutigen Zeit, kann sich darum nicht an der Barockzeit orientieren. Heute haben wir es mit einer völlig andere Situation zu tun als 1735. Aber heute Kirche zu leben, lebt aus der Hoffnung, die Menschen auf den 3. Mai 1735 hin zu diesem Kirchenbau ermutigte. Kirche lebt aus der Hoffnung von Psalm 69. Sie lebt aus der Kraft Christi, der sich vom Eifer für das Haus seines Vaters verzehren liess – mit allen Konsequenzen, die ihn das kosteten. Wenn wir heute feiern, dann darf, ja müssen diese Hoffnung und dieser Eifer in uns zum Schwingen kommen!

Diese unsere Hoffnung muss uns dabei nicht von anderen abgrenzen, sondern kann den Dialog mit anderen suchen. So auf jeden Fall verstehe ich das heutige Evangelium. «Welches Zeichen lässt du uns sehen, dass du dies tun darfst?» Es ist also nicht so, dass die anderen Jesus keine Autorität zubilligen. Aber sie wollen wissen, warum es so ist. Ob wir Zeichen genug sind für die Welt, dass Jesus Christus Vergebung für alle ist, Friede für alle, das Heil für alle? 

Die Lesung braucht als Zeichen für eine neue Realität in Christus starke Bilder, etwa jenes von der neuen Stadt Jerusalem – ein starkes Bild für ein Volk, für das Jerusalem die Gegenwart Gottes schlechthin war. Dieses neue Jerusalem können wir nicht selbst bauen, diese Stadt kommt vom Himmel herab, sie ist ein Geschenk Gottes, wie wir am Schluss dieses Gottes-dienste mit den Worten Silja Walters singen werden: «Eine grosse Stadt ersteht, die vom Himmel niedergeht». Diese neue Stadt ist ein göttlicher Gegenentwurf zur Katastrophen-Endzeit-Stimmung, die in unseren Breitengraden die Runde macht. Die neue Stadt Jerusalem ist dabei nicht etwa das Paradies des Anfangs. Wir erinnern uns hier nicht an vermeintlich bessere Zeiten zurück. Diese Stadt ist eine Gesellschaft mit ihrer Geschichte, die durch Not, Chaos und gar Verfolgung geht. Das neue Jerusalem ist Ausdruck einer Hoffnung, die uns sagt: Die letzte Zukunft der Geschichte ist nicht die Katastrophe, sondern eine Endzeit, die von Gott her kommt und von der her wir die Gegenwart deuten und leben dürfen.

Kirche-Sein lebt davon, einander und allen Menschen von dieser Erfüllung unserer Hoffnung zu erzählen. 
Seien wir einander und allen Licht im Dunkeln des Lebens!
Seien wir einander und allen Hoffnung in den Katastrophen unseres Lebens!
Seien wie einander und allen Zeichen – Sakrament – der Endzeit Gottes in dieser Welt!
Seien wir einander und allen österliche Gegenwart Gottes in Hier und Jetzt!
Amen.

 

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