«Am Abend des ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht bei verschlossenen Türen beisammen waren.» So liebe Brüder und Schwestern beginnt das heutige Evangelium. Und so beginnt das Christentum am Abend des Ostertages: als kleiner verstörter Haufen, der kurz vor der Auflösung stand. Ängstlich haben sie die Türe verschlossen. Sie wissen nicht mehr, wer sie sind, haben keine Identität mehr: Warum sollen sie noch zusammenbleiben? Denn sie sind «Loosers», haben ihr ganzes Leben und damit ihre Hoffnung auf einen gesetzt, der am Kreuz ermordet wurde. Da tritt Jesus in ihre Mitte. Er lebt! Er ist vom Tod zum Leben auferstanden! Und er sagt: «Der Friede sei mit Euch!»
Das waren auch die ersten Worte von Papst Leo auf der Loggia der Petersbasilika. Er hat nicht gesagt: Ich werde jetzt zum Friedensstifter. Er weiss zu gut, wie schwierig es ist, Frieden in der Welt zu leben. Nein, der Papst gibt der ganzen Kirche ihre Identität, indem er eben Jesus aus dem heutigen Evangelium zitiert: Friede können wir nicht machen, sondern uns nur schenken lassen. Darum sagt Jesus schon früher im Johannesevangelium: «Meinen Frieden gebe ich euch; nicht, wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch» (Joh 14,27). Er gibt inneren Frieden, das tiefe innere Geliebt-Sein von Gott. Das Leben in Gott. Christus ist für uns die Brücke zum Himmel, zum Vater. Diesen Frieden kann uns niemand nehmen. Vielmehr werden wird in diesem Gottesdienst noch aufgefordert werden, diesen Frieden zu teilen. Die Jünger-Gemeinschaft im Evangelium erhielt so wieder ihre Mitte, ihre Identität, und blieb zusammen. Wo Christus auch heute unsere Mitte ist, da ist Kirche, da kann göttlicher Friede wachsen.
Noch letzten Herbst sagte mir ein Bischof, er hoffe, Papst Franziskus sterbe nicht. Dieser habe viel begonnen und müsse das nun unbedingt zu Ende bringen. Viel leben wir auch in der Kirche in Angst und aus der Angst heraus – wie die ersten Jünger im Evangelium. Und natürlich haben auch wir Grund dazu: Mit welchem Personal werden wir die Kirche in die Zukunft führen, mit welchen Gläubigen hier im Westen Kirche sein? Wie können wir der verfolgten Kirche beistehen und Armut und Unterdrückung ein Ende setzen? Ja, Papst Franziskus hat dies und vieles mehr angesprochen und Wege für die Zukunft aufgezeigt. Haben wir auf den Geist Gottes vertraut, wenn wir meinten, es gehe nach Papst Franziskus nicht mehr weiter? Ausgerechnet dessen Beerdigung hat gezeigt: Die ganze Welt kann sich um einen Sarg vereinen, wenn wir als Kirche wirklich eine Mitte haben: den Frieden Gottes, den die Welt nicht geben kann.
Und dann kam Papst Leo, und er bezeugte uns als erstes, dass unsere Mitte nicht leer ist. In ihr lebt Jesus Christus und ist als Auferstandener unser Friede. Jesus ist eben nicht eine Gestalt, die vor 2'000 Jahren lebte, sondern Gott, der jetzt unter uns ist. Das vermag nur sein Geist, mit dem Jesus die Leere unter den Aposteln füllt: «Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!», heisst es dazu im Evangelium. So wie auch nach Franziskus ein Papst Leo die Kirche auf Christus hin führen kann – mit allen Problemen, denen auch er begegnet –, so gibt es auch für uns den Frieden Gottes, wenn auch wir heute auf die Kraft und die Führung des Geistes Gottes vertrauen, anstatt aus Angst unsere Türen zu verschliessen. Vielmehr dürfen wir unsere Türen öffnen! Wir dürfen hinaustreten und den Frieden, der in uns wohnt, weitergeben! Und das in Freude, heisst es doch auch im Evangelium: «Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen.» So öffnen sich heute Nachmittag die Türen der Klosterkirche einmal mehr für sehr viele Menschen mit kroatischen Wurzeln, die hier in dieser Kirche ebenfalls Pfingsten feiern. Unser Glaube ist nicht an Sprachen und Landesgrenzen gebunden. Im Hl. Geist beten und feiern alle, die Christus in ihrer Mitte wissen. Dabei wird heute in diesem Kirchenraum die Apostelgeschichte wahr: «Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören?» Warum können wir Menschen verstehen, deren Sprache wir ja gar nicht beherrschen? Es geht nicht um die Sprache der Zunge, sondern um die Sprache des Herzens. Unsere gemeinsame Zugehörigkeit zu Gott bringt uns zusammen. Vertrauen wir dem Hl. Geist unsere Leere und unsere Ängste an. Er wird unsere Leere füllen, in unserer Mitte lebt im Heiligen Geist der Friede Christi.
Amen.