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Predigt von Abt Urban Federer am 100. Todestag von Bruder Meinrad Eugster

Liebe Schwestern und Brüder in Christus

Fakebilder machen es uns schwer, zwischen Wahrheit und Lüge zu unterscheiden. Auch geben wir wohl alle gerne ein Bild von uns, das zwar unserer Phantasie entspringt, aber mit der Realität oft nicht viel zu tun hat. Und gelogen werden kann heute etwa in der Politik in aller Öffentlichkeit. In diesen Beispielen ist Lügen heute normal. Auch Jesus setzt im heutigen Evangelium die Lüge als Normalfall voraus. Allerdings sollen seine Jüngerinnen und Jünger in der Lüge nicht das Normale sehen, sondern in der Aufrichtigkeit. «Schwört überhaupt nicht!», ruft Jesus uns darum zu, denn Gott soll nicht zum Zeugen unserer Lügen gemacht werden. 

Warum wurde vor 100 Jahren der Ruf der Menschen laut, Br. Meinrad Eugster sei ein Heiliger und müsse als solcher verehrt werden können? Weil er als echt wahrgenommen wurde, sein Interesse an anderen Menschen war aufrichtig, seine Gottsuche echt. Um es mit dem heutigen Evangelium zu sagen: Das Ja von Br. Meinrad war ein Ja – und nicht zugleich ein Nein. Und wir Menschen bewundern es auch heute, wenn jemand echt ist. Dabei musste auch Br. Meinrad in dieser Haltung der Aufrichtigkeit wachsen. Als jüngstes Kind einer armen Familie musste er früh mithelfen, für den Unterhalt seiner Familie aufzukommen. Er half mit, das Studium seiner Brüder zu finanzieren. Als er dran war, gab es niemanden, der ihm hätte ein Studium finanzieren können. Br. Meinrad ist dabei nicht verbittet, sondern hat seine Berufung auf einem anderen Weg gefunden. Er wurde «echt» auf seiner Lebenssuche.

Der wahre Christ in seiner Zeit war der Priester. Darum war es für ihn klar, selbst Priester zu werden. Auch in unseren Klöstern ging dabei meist vergessen, dass für eine christliche Berufung der Mönch nicht Priester werden muss, sondern in allem Gott suchen soll. Br. Meinrad suchte so seine Berufung ausserhalb des Priestertums: in der Arbeit, in der Gemeinschaft, in der Stille, im Gebet. Am Schluss seines Lebens galten für ihn die Worte des hl. Paulus aus der heutigen Lesung: «Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung: Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. Aber das alles kommt von Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen hat.» Br. Meinrad ist den Menschen vor 100 Jahren als versöhnter Menschen in Erinnerung geblieben, darum war er echt. So ist die heutige Feier an seinem Todestag für uns alle ein Aufruf, uns mit unserem Leben, mit unserer Berufung zu versöhnen. Weil aber echte Versöhnung nicht einfach gemacht werden kann, dürfen wir sie uns als gläubige Menschen von Gott schenken lassen.

So darf ich in diesem Gedenkgottesdienst die Berufung zum Mönch herausstreichen, der nicht Priester ist. Ich spreche von der Berufung zum Bruder. Von Ihnen, liebe Schwestern und Brüder, weiss wohl niemand, wer die Äbte waren, unter denen Br. Meinrad lebte. Wir erinnern uns nicht an die damaligen Predigten der Priestermönche, nicht an die wissenschaftlichen Leistungen der Patres, die an der Schule tätig waren. Aber wir erinnern uns an einen Bruder, der andere Menschen zuhören, sie trösten konnte, der echt war und damit transparent für andere auf Gott hin. Damit hat er das Priestertum seiner Taufe gelebt. In Br. Meinrad wurde greifbar, was der hl. Paulus in der Lesung so sagt: «Die Liebe Christi drängt uns.» Bruder Meinrad ist einer jener Menschen, die nichts Aussergewöhnliches getan haben. Aber das Gewöhnliche hat er mit einer aussergewöhnlichen Liebe getan. Wie Christus hat er nicht mehr einfach für sich gelebt, sondern für andere. Und das echt, versöhnt! 

Lasst uns darum nicht zu einem Fakebild unserer Phantasien von uns selbst werden. Lasst uns nicht einer Berufung nachlaufen, die nicht die unsrige ist. Lasst uns von Gott versöhnen und unsere Berufung, wo auch immer wir im Leben stehen, mit Liebe leben. Das ist der Weg christlicher Heiligkeit. Möge uns Br. Meinrad Eugster dabei Fürbitter sein. Amen. 
 

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