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In der Kolumne «Meine Benediktsregel» teilen verschiedene Autorinnen und Autoren, die mit unserem Kloster verbunden sind, in kurzen Texten ihre Gedanken darüber, wie sie die Benediktsregel als Inspiration für ihr Leben ausserhalb von Klostermauern zu nutzen versuchen.

Die Benediktsregel als Lebensweisung für Anfänger

„Diese Regel haben wir geschrieben, damit wir durch ihre Beobachtung in unseren Klöstern eine dem Mönchtum einigermassen entsprechende Lebensweise oder doch einen Anfang im klösterlichen Leben bekunden. (…) Wenn du also zum himmlischen Vaterland eilst, wer immer du bist, nimm diese einfache Regel als Anfang und erfülle sie mit der Hilfe Christi.“ (RB 73,1.8)

In den Schlusssätzen seiner Regel bietet uns Benedikt, der Stammvater des abendländischen Mönchtums schlechthin, einen Ausweis radikaler Bescheidenheit. Seine Regel sei ein Anfang, betont er, um – so könnte man sagen – erste kleine Schritte im Mönchtum zu machen. Mit anderen Worten: Seine Regel ist ein Schnupperkurs. Und doch präsentiert uns Benedikt geradezu das Idealsystem des klösterlichen Lebens, weist den perfekten Ausgleich zwischen Ora et labora et lege (Bete und arbeite und lies) auf, präsentiert ein Kontrollsystem für klerikale Machtgewalt und legt Grundlagen für ein gelungenes stabiles Zusammenleben.

Warum also diese Bescheidenheit? Gönnen wir uns den Perspektivwechsel und blicken wir von einer anderen Seite auf dieses Schlusskapitel der Regula. Denn abgesehen davon, dass Benedikt hier auf die ihm vorangegangene Tradition verweist, schafft er zusätzlich die Verwirklichung der eigenen Regel: Er demonstriert nämlich die von ihm gepredigte Mässigung, die Zurückhaltung, die er seinen Brüdern abverlangt, gleich selbst und schafft noch ganz nebenbei ein Manifest gegen die Überhöhung kirchlicher Autorität, indem er darauf verweist, dass auch er (als Autoritätsfigur!) nur Rezipient und Redaktor von Einsichten der Heiligen Schrift und der Kirchenväter – ein „Zwerg auf den Schultern von Riesen“ – ist.

Es sind diese beiden Aspekte, die uns noch heute zum Vorbild werden können: Auch im Angesicht grosser Errungenschaften sich seiner eigenen Unvollkommenheit bewusst zu machen und kritisch jeder Autorität gegenüber (und sei es Benedikt selbst) zu sein.

David Johann Deselaers, 23-jährig, studiert Katholische Theologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

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