Am Vortag von Mariä Himmelfahrt erinnern wir uns im Kloster Einsiedeln an eine der für uns bedeutsamsten Persönlichkeiten. Nach dem heiligen Meinrad (+861, Festtag am 21. Januar) und dem seligen Bischof Benno (+940, Gedenktag am 3. August) ist der selige Eberhard der dritte Heilige, dem Kloster, Dorf und Bezirk Einsiedeln ihre Existenz verdanken. Der selige Eberhard war der erste Abt des Benediktinerklosters am Ort der Meinradszelle und er brachte aus dem Elsass die ersten «weltlichen» Bewohner ins Einsiedler Hochtal, um den Mönchen bei der Urbarmachung der waldreichen Gegend behilflich zu sein. Abt Eberhard wird als der eigentliche Gründer unseres Klosters betrachtet und verehrt.
Eberhard wurde um 890 geboren und stammte wohl aus schwäbischem Adel. Er wirkte als Domprobst (Vorsteher des Domkapitels) an der Kathedrale von Strassburg, wo auch der selige Benno vor dessen Rückzug in den «Finstern Wald» im Jahr 906 als Domherr in Amt und Würden war. Nach der Blendung Bennos und dessen dadurch erzwungener Resignation als Bischof von Metz begleitete Eberhard im Jahr 924 seinen erblindeten Verwandten zur Meinradszelle, wo sie die hier bereits vorhandene Eremiten-Siedlung zu einem Benediktinerkloster ausbauten und wo Eberhard der erste Klostervorsteher wurde. Aus diesem Grund gilt das Jahr 934 als Gründungsdatum der Benediktinerabtei zu Unserer Lieben Frau in Einsiedeln.
In der Amtszeit Eberhards wurden wichtige Grundlagen gelegt, die bis heute nachwirken: Bischof Ulrich von Augsburg brachte 940 eine Reliquie des heiligen Mauritius hierher. 947 wurde der Grundbesitz des Klosters durch König Otto I. bestätigt und mit Schenkungen erweitert, das Kloster erhielt freie Abtswahl und Reichsunmittelbarkeit. 948 wurde die erste Klosterkirche fertiggestellt und durch Bischof Konrad von Konstanz der Gottesmutter Maria und Mauritius geweiht (diese Patrone hat auch die heutige barocke Klosterkirche). Auch brachte Bischof Konrad einen bedeutenden Partikel des heiligen Kreuzes aus Jerusalem hierher. Zudem ist mit der Amtszeit des seligen Abtes Eberhard auch die «Engelweihlegende» verbunden, wonach Jesus Christus selbst, begleitet von Engeln und Heiligen, in der Nacht auf den 14. September 948 die Kapelle zu Ehren seiner Mutter Maria geweiht habe.
Eberhard starb am 14. August 958 und wurde in der Heiligen Kapelle bestattet. Schon bald wurde er im Kloster Einsiedeln als Heiliger verehrt. Die hohe Wertschätzung Eberhards zeigt sich darin, dass König Otto I. in einer Urkunde von 961 das Kloster statt als «Meinradszell» als «Eberhardszell» bezeichnete. Eberhards Gebeine wurden im Jahr 1465 erhoben, doch sind sie seit dem Franzoseneinfall 1798 verschollen.
Abt Eberhard war ein Mann, der Altes loslassen sowie Neues beginnen und konsolidieren konnte. Er war jemand, der keine halben Sachen macht, sondern der alles «von ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft» tat (vgl. Deuteronomium 6,5 und Lukasevangelium 10,27; übrigens auch Motto der Stiftsschule Einsiedeln!). Um seine Ziele zu erreichen, nutzte er seine weitverzweigten Beziehungen zum Adel und zum höheren Klerus. Doch er war mehr als einfach ein geschickter «Networker»! Er war ein mutiger Visionär, ein geistlicher Vater seiner Mönche, ein Kämpfer für eine wirkliche Erneuerung der Kirche und ein Mann, der mit dem eigenen, guten Beispiel voranging.
Der selige Eberhard ermutigt uns, unsere Träume zu leben, sie mit anderen zu teilen durch unseren eigenen Einsatz und mit Gottes Hilfe diese Welt zu einem bewohnbaren Ort zu machen.
Seliger Eberhard, bitte für uns!
Zum Autor: P. Philipp Steiner OSB ist Mönch des Klosters Einsiedeln und hier für den Wallfahrtsbetrieb und die Klosterkirche verantwortlich. Seit seiner Kindheit üben die Heiligen eine grosse Faszination auf ihn aus.