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Predigt von Pater Thomas Fässler zu Mariä Himmelfahrt 2024

«Am Ende wird alles gut. Und ist es noch nicht gut, so ist es auch noch nicht das Ende.» Dieser Spruch, liebe Schwestern und Brüder, gehörte zum festen Repertoire des Pfarrers, in dessen Pfarrhaus ich während meines Studiums in Bern – bereits als Einsiedler Mönch – gelebt habe. «Am Ende wird alles gut. Und ist es noch nicht gut, so ist es auch noch nicht das Ende.» Äusserst kitschig fand ich diesen Satz zuerst, ja höchst weltfremd. Denn entspricht es wirklich unserer eigenen Lebenserfahrung, dass am Schluss alles gut kommt? Und was ist mit all den unschuldigen Opfern von Gewalt, mit all den Menschen, die den Hungertod erleiden, mit all jenen, die verbittert sterben oder gar selbst den Tod wählen? Sieht so ein gutes Ende aus?

Mindestens genauso kitschig ist die Vorstellung, dass es uns einfach gut geht, wenn wir mit Gott durchs Leben gehen, dass es uns an nichts fehlt, dass wir keine Not leiden müssen – oder im Umkehrschluss: Dass es ein Zeichen dafür ist, dass wir nicht auf Gottes Wegen gehen, wenn uns eben Not und Leid widerfahren. Doch ist «Erfolg» tatsächlich ein Name Gottes, jenes Gottes, der nach menschlichen Massstäben am Ende seines Lebens scheinbar gescheitert am Kreuz hängt, selbst von den meisten seiner engsten Weggefährten und Freunden verlassen? Wir können bei dieser Frage auch den Blick auf seine Mutter, auf Maria richten: Angefangen von der unheimlichen Ungewissheit, was nun wohl alles kommen wird, nach ihrem vertrauensvollen Ja zu Gottes Plänen, von den schier unmöglichen Umständen der Geburt ihres ersten Kindes und von der bald darauf erfolgten Ankündigung, dass ein Schwert ihr Herz durchdringen werde, über ihre Flucht aus der Heimat in ein fremdes Land und die Sorge um ihren 12-jährigen Sohn auf der Pilgerreise nach Jerusalem, ihrem Versuch, ihn während seiner Predigtreise durch das Land nach Hause zurückzuholen, weil sie meint, er sei von Sinnen, bis letztlich hin zum grausamen Schicksal, den schmählichen Tod des eigenen Kindes am Kreuz mitansehen, ja miterleiden zu müssen.

Genau hier aber liegt in meinen Augen die Kraft des Blickes auf Maria. Denn steht nicht auch am heutigen Festtag die Frage im Raum, was Maria denn uns heute für unser eigenes Leben mitgeben kann, das doch so ganz anders aussieht als das von ihr, vor zweitausend Jahren in einer uns völlig fremden Kultur? Nicht zu verzweifeln, nicht irre zu werden, wenn es anders kommt, als wir uns vorgestellt, gedacht, erhofft hatten: Das können wir von ihr abschauen. Und: Je dunkler es um uns wird, desto mehr müssen wir unser Herz öffnen für das Licht von oben.

Und was kann uns ihr Sterben mitgeben? «Am Ende wird alles gut. Und ist es noch nicht gut, so ist es auch noch nicht das Ende.» Heute feiern wir das irdische Ende von Maria, ihre Aufnahme in den Himmel, ihr Eingehen ins vollkommene Glück – und gleichzeitig die Voll-endung ihrer Beziehung zu ihrem Sohn. Denn das Kreuz war eben doch nicht das Ende, auch wenn es allen so schien. Dabei ist das Ende Marias ein Ende, wie wir es auch für uns gläubig erhoffen: Dass auch unser Ende das Hineinfallen in Gottes Ende ist, das gut ist, das immer gut ist – selbst dann, wenn wir das Gefühl haben, völlig gescheitert zu sein, eine völlige Katastrophe erlitten zu haben. Der Blick auf das Leben von Maria an der Seite ihres Sohnes zeigt sogar, dass aus etwas scheinbar Gescheitertem und Verlorenem Heilsames nicht nur für jemand Einzelnen, sondern gar für unzählige Menschen entstehen kann – dort, wo die meisten schon längst aufgegeben hätten. Ist dieser Blick darauf, dass das scheinbare Ende nicht wirklich ein Ende sein muss, nicht Trost in eigenen scheinbar ausweglosen Situationen, in denen wir das Gefühl haben, von Gott verlassen zu sein? In Momenten, in denen wir uns fragen, was wir denn überhaupt davon haben, mit Gott durchs Leben zu gehen, wenn auf Wegen der Lüge, der Unbarmherzigkeit und des Betrugs scheinbar viel besser gelebt werden kann?

Wir können aus dem heutigen Fest Mut schöpfen – und Vertrauen darauf, dass am Ende doch alles gut kommt – selbst wenn wir es mit unseren Augen nicht sehen können. Amen. 

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