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Predigt von P. Lukas Helg am Hochfest des heiligen Mauritius und seiner Gefährten 2024

Liebe Mitchristen!

Als ich meinem Mitbruder P. Philipp klagte, dass mir die heutige Predigt am Hochfest des Heiligen Mauritius und seiner Gefährten schon lange Bauchweh mache und ich nicht wisse, wie ich das anpacken soll, sagte er mir: „Mach doch ein fingiertes Interview mit Mauritius“. Ich fand den Vorschlag gut. Darum will ich es versuchen. Ich als Prediger und Interviewer stelle hier am Ambo die Fragen, unser Subprior P. Mauritius wird als Zelebrant in die Haut seines Namenpatrons, des Heiligen Mauritius, schlüpfen und meine Fragen beantworten.

P. LUKAS: Heiliger Mauritius! Du wirst in unserem Kloster seit den Anfängen hoch verehrt. Der heilige Ulrich von Augsburg hat im Jahre 940 dem Kloster eine Reliquie von Dir geschenkt, die da drüben bei Deinem Altar in einem kostbaren Reliquienschrein aufbewahrt und verehrt wird. In einer Handschrift des 11. Jahrhunderts findet sich das Verzeichnis der 12 Altäre der ersten Kirche von Einsiedeln. Als Nr. 6 erscheint ein Altar, der Dir und den Heiligen Felix und Regula gewidmet ist. In der Kirche um 1509 steht Dein Altar bereits als Nr.2 neben dem Hochaltar, der der Muttergottes gewidmet ist. Und im heutigen Barockbau bildet Dein Altar mit dem Hochaltar und dem Sigismund Altar ein Dreieck. Das Dreieck, vor allem das gleichseitige, ist das Symbol für die göttliche Dreifaltigkeit. Du bist neben Maria der Hauptpatron von Einsiedeln. Wie geht es Dir mit dieser Ehre?

ST. MAURITIUS: Lieber Pater P. Lukas! Ich habe diese Ehre nicht verdient und mir ist nicht wohl dabei. Mit mir ist im Jahre 285 im Unterwallis meine ganze Legion, über 6000 Mann, brutal niedergeschlachtet worden, weil wir uns weigerten, den Göttern Roms zu opfern und gegen Mitchristen in die Schlacht zu ziehen. Warum nur mir diese Ehre? Warum nicht auch Candidus, Exsuperius, Innozentius, Vitalis und  all meinen Soldaten der ganzen Legion? Ehrlich gesagt, wenn es schon sein muss: ein Altar der thebäischen Legion wäre mir lieber. 

P. LUKAS: Ich kann das verstehen. Aber denk daran, wir sagen Mauritius und meinen Dich und Deine ganze Legion. Die Nachwelt weiss das Datum eurer gnadenlosen Abschlachtung nicht.  Aber der Ort ist im Gedächtnis geblieben. Am 22. September 515 gründete der Burgunderkönig Sigismund an diesem Ort ein Kloster, wo erstmals in Europa in einem Kloster das ununterbrochene Gotteslob eingeführt wurde. Deshalb wurde der 22. September im kirchlichen Kalender zum Gedächtnistag der thebäischen Legion. Kloster und Ort wurden nach dir benannt: Heiliger Mauritius oder in der dortigen Sprache St. Maurice. Ein Kloster, das bis heute existiert und damit auch das älteste noch lebendige Kloster des Abendlandes ist. Leider ist die Heiligkeit dieses Ortes zurzeit massiv beschmutzt durch mehrere Missbrauchsfälle. Was sagst du dazu?

ST. MAURITIUS: Natürlich freut es mich, dass ihr in Einsiedeln auch einen Sigismund-Altar habt, der mit Maria und mir zum Einsiedler Dreieck gehört und Euch damit an die göttliche Trinität erinnert. Sigismund hat mit der Klostergründung für ein begangenes Verbrechen gesühnt. In der heutigen Zeit würde er wohl kaum noch heiliggesprochen. Könige sind eben nicht immer Heilige. Das gilt übrigens auch von euch Mönchen. Auch in einem Kloster leben nicht nur Heilige, nicht bloss in St. Maurice, sondern überall, auch bei euch in Einsiedeln. „Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein“.  

P. LUKAS: Wir feiern heute in Einsiedeln ein Hochfest zu deinen Ehren, nein: zur Ehre der thebäischen Legion. Ein Hochfest, das sogar den Sonntag, das kleine Ostern, verdrängt. Wir singen im Chorgebet zum Lob Gottes uralte, aus Gallien stammende Texte, die wohl schon im 10. Jahrhundert aus St. Maurice zu uns gebracht wurden. Wir haben uns erlaubt, sie etwas zu kürzen. Wir freuen uns natürlich auch auf den Ehrenwein am Mittagstisch. Wenigstens ich! Aber bestimmt willst Du uns Mönchen von Einsiedeln noch etwas Spirituelles sagen. Bitte, sprich zu uns.

ST. MAURITIUS: Also gut, wenn du willst und es denn sein soll. Es geschieht viel Gutes an diesem Ort. Ich begreife, dass ihr das ununterbrochene Lob Gottes nicht von St. Maurice habt übernehmen können. Auch wenn ihr keine ewige Anbetung habt, pflegt ihr ein würdiges Chorgebet. Der Heilige Meinrad und all die übrigen Einsiedler Heiligen sind Eure Fürsprecher bei Gott. Ich weiss das. Aber es gibt bei Euch, um es in schonender Form zu sagen, schon noch Luft nach oben. Vor allem Du und einige Deiner älteren Mitbrüder: ihr habt den anfänglichen Schwung verloren. Du kommst mir oft vor wie eine  erloschene Kerze. Denkt an euren Novizeneifer zurück und tragt eure wunderbare Berufung in der Freude des Heiligen Geistes auch ins Alter hinein. Gebt euren jungen Mitbrüdern ein Vorbild und zeigt ihnen, dass man auch im Kloster, obwohl man auf Vieles verzichtet, glücklich werden kann. Und ihr Jungen, ihr habt gute Ideen. Euer Wirken in der Wallfahrt, in der Seelsorge und an der Stiftsschule gibt Anlass zur berechtigten Hoffnung, dass Einsiedeln eine Zukunft hat. Andere Klöster, vor allem Frauenklöster, müssen an ein Ende denken. Wir sehen das auch vom Himmel her mit grosser Sorge. Euer Kloster, auch wenn es nicht so alt ist wie St. Maurice, hat ein ehrwürdiges Alter. Seid immer besorgt, dass das heilige Feuer, das Meinrad und Eberhard im Finstern Wald angezündet haben, nie erlischt. Ihr müsst das Feuer pflegen, nicht die Asche aufräumen. Seid Mönche, die vom christlichen Glauben erfüllt sind und die ihn vor den Menschen, den Jungen und den Alten, die nach Einsiedeln kommen, mutig bezeugen. Und was soll ich euren Obern sagen? Im Himmel freut man sich über euren vorbildlichen Einsatz. Lasst euch nicht aufhalten, wenn euer Vorbild nicht von der ganzen Gemeinschaft nachgeahmt wird. Denkt daran, ihr befehligt keine thebäische Legion. Ihr steht einer vielschichtigen Gemeinschaft vor. Sie haben alle guten Willen. Aber ihr wisst: der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.

P. LUKAS: Lieber Heiliger Mauritius! Ich bin ja angetreten, um unseren Gläubigen hier im Kirchenschiff und all denen, die über Bild und Ton auch dabei sind, eine Predigt zu halten. Ist es frech von mir, wenn ich sie dir anhänge? Was kann die thebäische Legion Menschen in einer säkularisierten Welt des 21. Jahrhunderts noch sagen? Bitte, komm mir zu Hilfe und sprich zum Schluss zu den Gläubigen.

ST. MAURITIUS: Das mach ich gern. Aber  bitte, ihr Mönche von Einsiedeln, hört bitte auch zu, das geht euch genauso gut an! Liebe Schwestern und Brüder! Mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit kommt ihr nie in eine solche Extremsituation, wie wir sie erlebt haben. Entweder fremden Göttern opfern sowie Mitchristen töten und dafür überleben oder gottlose Befehle verweigern und dafür den Kopf hinhalten. Aber wenn ich euch etwas sagen darf, dann dies: Denkt einmal nach und erforscht euer Gewissen. Könnte es sein, dass ihr hier am Sonntag in der Kirche treu zu eurem Glauben steht und ihn offen bekennt,  aber draussen während der Woche gelegentlich bedenkenlos auf weltlicheren Hochzeiten tanzt und vergesst, dass ihr Christen seid und dass ihr auch vor der Welt euren Glauben durch Wort und Tat bezeugen sollt? Könnte es sein, dass ihr gelegentlich gegen Mitchristen in den Kampf zieht, nicht mit Waffen, aber mit lieblosen Worten und gehässigen Taten? Könnte es sein, dass ihr uns Märtyrer braucht, um an uns zu lernen, was mit Glaubenstreue und friedlichem Miteinander gemeint ist? Könnte es sein, dass wir Märtyrer für euch ein Spiegel sind, in den ihr nicht gerne schaut? Gott gebe euch die Gnade, heute einen Schritt näher zu Christus zu gelangen. Ich bete für euch.

P. LUKAS: Lieber Heiliger Mauritius! Ich danke Dir für dieses offene Gespräch.
 

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