Wie soll das gehen? Eine Taufe, wenn der Taufspender verhaftet wurde und im Gefängnis sitzt? Zwar berichten alle drei Synoptiker Markus, Matthäus und Lukas von der Taufe Jesu. Es gibt aber bemerkenswerte Unterschiede in ihren Berichten. Es lohnt sich, genauer hinzuschauen.
Liebe Schwestern und Brüder!
Nach Matthäus begibt sich „Jesus von Galiläa an den Jordan, um von Johannes getauft zu werden.“ Dann folgt die Diskussion zwischen dem Täufer und dem Täufling, wer nun wen taufen soll, wer von beiden in der Rangordnung höher ist. Eine Diskussion, die uns Mönchen sehr vertraut ist. Die Seniorität ist fast so etwas wie eine heilige Kuh bei uns Benediktinern. Natürlich ist Christus höher als Johannes und trotzdem lässt sich der Höhere vom Niedrigeren taufen. Ganz ähnlich berichtet Markus, er lässt aber die ganze Diskussion beiseite. Bei Lukas fallen drei Dinge auf, auf die ich Sie aufmerksam machen möchte. Man kann sie leicht überhören oder überlesen. Unser langjähriger lieber Gast Pfarrer Wolfram Weihrauch aus Deutschland hat uns vorhin den lukanischen Taufbericht vorgelesen, allerdings nur in zwei Ausschnitten. Nicht etwa aus eigenem Willen. Nein, die Liturgiekommission hat diese Ausschnitte so zusammengestellt. Im zweiten Ausschnitt hat es geheissen: „Es geschah aber, dass sich zusammen mit dem ganzen Volk auch Jesus taufen liess. Und während er betete, öffnete sich der Himmel“.
Fällt Ihnen auch auf, dass der Name des Taufspenders nicht genannt wird? Ist ja klar, werden Sie sagen, es ist Johannes, das wissen wir von Markus und Matthäus, und Lukas selber spricht ja im ersten Ausschnitt von Johannes, dass er mit Wasser taufe und dass ein Stärkerer komme, der mit Geist und Feuer taufe. Aber so klar ist es nicht. Der oben zitierte Satz ist der Vers Lukas 3,21. Und unmittelbar davor, in Lukas 3,20, der im heutigen Evangelium ausgelassen wurde, steht, dass Herodes Johannes den Täufer verhaften und ins Gefängnis werfen liess. Also kann er nicht mehr als Taufspender zur Verfügung stehen. Doch ich will dieses heikle Problem lieber den Exegeten überlassen und gehe über zum zweiten Unterschied.
Anders als bei Matthäus und bei Markus erwähnt Lukas, dass das ganze Volk sich taufen liess. Das scheint ihm wichtig zu sein. Jesus solidarisiert sich mit dem Volk, mit den Sündern und Ausgestossenen, mit den Armen und Verschupften. Es gibt im siebten Kapitel des gleichen Lukasevangeliums zwei Verse, die wir heute auch im Hinterkopf haben sollten, wenn wir den lukanischen Taufbericht richtig verstehen wollen. Dort spricht Jesus ebenfalls über das Volk, das sich von Johannes taufen liess. Es heisst in Lukas 7,29 und 30: „Das ganze Volk, das Johannes hörte, selbst die Zöllner, sie alle haben den Willen Gottes anerkannt und sich von Johannes taufen lassen. Doch die Pharisäer und die Gesetzeslehrer haben den Willen Gottes missachtet und sich von Johannes nicht taufen lassen.“ Also dürfen wir mit gutem Recht unseren knappen Vers in folgender Weise erweitern: „Zusammen mit dem ganzen Volk, aber unter den strafenden und verachtenden Blicken der Pharisäer und Gesetzeslehrer liess auch Jesus sich taufen.“ Ich kann mir die Szene lebhaft vorstellen! Jesus geht zu den Sündern. Er solidarisiert sich mit ihnen. Er schenkt ihnen unter dem heftigen Protest der Pharisäer und Gesetzeslehrer seine Gemeinschaft. Die Solidarität mit den Allerärmsten zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Lukasevangelium. Es fängt an mit der Geburt in allerärmsten Verhältnissen, die nur Lukas erzählt. Es geht weiter mit der Taufe als Solidarisierung mit den Sündern, weiter mit den vielen Treffen mit Zöllnern, Sexarbeiterinnen und stadtbekannten Sündern bis zur schmachvollen Kreuzigung zwischen zwei Schwerverbrechern; und einem von ihnen schenkt er sterbend noch seine Gemeinschaft. Das ist das Zweite: die Solidarität mit den Sündern. Ja, sagen wir lieber konkreter: die Solidarität mit uns Sündern. Die Taufe Jesu hat nämlich auch etwas mit uns zu tun.
Das Dritte: Nur bei Lukas steht, dass Jesus bei der Taufe betet. Das ist ein zweiter roter Faden durch das ganze Lukasevangelium: dass Jesus betet. Er betet bei der Taufe, er geht oft ganze Nächte auf die Berge, um zu beten, er betet eine Nacht lang, bevor er die 12 Jünger auswählt, er betet am Ölberg, er betet schliesslich sterbend am Kreuz: „Vater, in deine Hände übergebe ich meinen Geist“. Die Stimme aus dem Himmel, die alle drei Evangelisten erwähnen, erscheint bei Lukas als logische Antwort aus dem Himmel auf das Gebet Jesu. Er hat die Macht, betend den Himmel zu öffnen und er erhält die Antwort des Vaters: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.“ Das ist ein Zitat aus dem ersten Lied vom Gottesknecht, wie es der Prophet Jesaia im 42. Kapitel aufgeschrieben hat: „Seht, das ist mein Knecht, den ich stütze; das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Gefallen. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er bringt den Völkern das Recht.“ Auch in unserer eigenen Taufe sind wir als Kinder Gottes angenommen worden. Gott hat damals zu uns gesagt: Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter.
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Taufe Jesu geht auch uns etwas an. Ob nicht der Evangelist Lukas uns mit seinem Taufbericht etwas Besonderes sagen will? Solidarisiert Euch wie ich mit den Allerärmsten! Behaltet den Geist und das Licht, das Ihr wie ich in der Taufe bekommen habt, nicht für Euch! Gebt es weiter! Macht die Welt hell! Und betet, dann wird sich auch für Euch der Himmel öffnen. Und denkt an das Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe! Beides ist wichtig.
Vielleicht sind es gerade wir Mönche und Nonnen, wir Männer und Frauen Gottes, welche das Gebot der Nächstenliebe immer wieder vernachlässigen oder meinen, es sei für uns nicht so wichtig oder es gebe für uns Wichtigeres. Drei Mönche, so erzählt man, kamen zu ihrem Abt und berichteten von ihren Superleistungen der Gottesliebe. „Ich habe das Alte und das Neue Testament auswendig gelernt“, sagte der erste. Der Kommentar des Abtes: „Du hast die Luft mit Worten angefüllt!“ „Ich habe die ganze Bibel abgeschrieben“, sagte der Zweite. Und der Abt: „Du hast die Welt mit Papier angefüllt!“ Schliesslich der dritte: „Ich habe so stark gefastet, dass auf meinem Kochherd Gras gewachsen ist.“ „Mein Lieber“, sagte der Abt, „Du hast die Gastfreundschaft vernachlässigt.“
Nein, nicht Superleistungen der Gottesliebe, sondern Superleistungen der Nächstenliebe, das ist es, was Jesus seit unserer Taufe, seit wir Kinder Gottes geworden sind, von uns erwartet. Taten der Nächstenliebe. Tun wir sie! Lasst uns schon heute damit beginnen! Dann kann der himmlische Vater auch von uns sagen: „Du bist meine geliebte Tochter, Du bist mein geliebter Sohn. An Euch habe ich meine Freude“. Amen.