Was würden die Apostel, die Jesus im heutigen Evangelium aussendet – was würden die Apostel antworten, wenn wir sie nach ihrem Beruf fragen könnten? Etwa: «Wir sind die Zwölf; unser Beruf ist es, Apostel Jesu Christi zu sein»? Oder: «Wir sind Heiler; unser Beruf ist es, Menschen von quälenden Geistern und von Krankheiten zu heilen»? – Oder würden sie schlicht sagen: «Wir sind Seelsorger von Beruf»?
Keine dieser Antworten wäre gänzlich falsch. Dennoch denke ich, dass der heutige Evangeliumsabschnitt eine ganz andere Antwort vermuten lässt, wenn wir die Apostel nach ihrem Beruf fragen. Nämlich: «Wir sind Fischer!». Denn das ist es, was sie gelernt haben; das ist ihr Handwerk. Im Steuern der Fischerboote, im Umgang mit den Netzen, im Fangen von Fischen – da liegt ihre Kompetenz.
Dass diese Fischer nun ausziehen, die Menschen zur Umkehr aufrufen, Dämonen austreiben und von Krankheiten heilen – das tun sie nicht, weil sie dazu in irgend einer Weise kompetent wären; das entsprechende «Hand-werk» gelernt hätten, ja wüssten, wie das geht. Nein, sie ziehen aus, weil sie jemand sendet und weil sie dem, der sie sendet, trauen: Jesus, dem Herrn. Sie müssen sich radikal darauf verlassen, dass er ihnen gibt, was sie für ihre Sendung brauchen. Ja, nicht nur die Menschen, zu denen sie gehen, sondern auch sie selbst sollen die Macht und die Autorität kennenlernen, die hinter ihrer Sendung steht und vor der menschenquälende Geister und Krankheiten weichen. Keinen eigenen «Proviant» dürfen sie mitnehmen, weder in Form eigener Ideen und Visionen, z. B. einer «Kirche der Zukunft», für die sie die Menschen mit den gängigen (heute auch digitalen) Propagandamitteln begeistern wollen, noch in Form einer «Absicherung» für den Fall eines Misserfolgs ihrer Sendung. Auch wenn sie einen «Erfolg» verbuchen dürfen: Sie treiben tatsächlich Dämonen aus und heilen Kranke – auch wenn die Apostel einen «Erfolg» verbuchen dürfen – er ist sekundär. Es geht nicht darum, erfolgreich zu sein, sondern einfach zu tun, was aufgetragen wurde, in radikalem Vertrauen auf den, der den Auftrag gegeben hat, die Menschen zur Umkehr zu rufen und zu heilen, was verwundet ist. Ob das gelingt, ob ihre Verkündigung etwas «bewirkt», geht sie nichts an. Verschliesst man vor ihnen die Tür, verweigert man ihnen Aufnahme und Gehör: Es hat sie nicht weiter zu kümmern; sie sollen einfach weiterziehen und nicht aufhören, Gottes heilendes Wort in der Welt zu verkünden.
Solche «Gelassenheit», die wirklich und real auf die Macht und Autorität Jesu des Herrn setzt, steht wohl jedem gut an, der seinerseits von entsprechender kirchlicher Autorität gesandt ist, Gottes heilendes Wort zu verkünden – also all jene, die, wie wir sagen, mit dem Verkündigungsdienst beauftragt sind. Ist man hier allzu sehr auf «Wirkung» aus, und hält man Ausschau nach «Likes», die den geleisteten Einsatz «honorieren»; oder macht man sich Sorgen und Gedanken über Gestalt und Rolle der Kirche in unserer Gesellschaft – dann läuft man Gefahr, DENJENIGEN aus den Augen zu verlieren, der mit seiner Macht und Autorität hinter solcher Sendung steht – und man beginnt, sich um sich selbst zu drehen, mitunter auch als kirchliche Gemeinschaft.
Den Schaden tragen die Menschen unserer Zeit und Gesellschaft! Denn sehen Sie: Es ist eben ein gewaltiger, ja lebensentscheidender Unterschied, ob jemand davon ausgeht – ob jemand glaubt! – dass seiner menschlichen Existenz, seinem Leben als Mensch eine Gegebenheit und eine Bedeutung inne-wohnt; dass jeder Mensch gewollt, gerufen, ja erwählt ist – oder ob jemand dem allem gegenüber ignorant ist oder es leugnet. Im ersten Fall wird man nach der Bedeutung des eigenen Lebens und des Lebens überhaupt fragen; man will seinem «Geheimnis» auf die Spur kommen. Im zweiten Fall wird man, wenn man seinem Leben überhaupt noch eine Bedeutung zumessen will, diese selbst konstruieren; man will – biblisch gesprochen – selbst sein wie Gott. Das kann so weit gehen, dass man gar die Gegebenheit der Natur leugnet bzw. über das (Vor-)Gegebene hinaus verfügen, herrschen will.
Von einem solchen, auf sich selbst zurückgeworfenen Menschen, der sein Leben selbst konstruieren muss, ja dies unbedingt will, dann aber keine Verantwortung übernimmt; vom Menschen, der sich nichts schenken lässt – von diesem Menschen handelt, wie ich finde, das Welttheater, das aktuell auf unserem Klosterplatz aufgeführt wird und so unserer Zeit und Gesellschaft auf eindrückliche Weise den Spiegel vorhält.
Von einer Gegebenheit und Bedeutung unserer Existenz; von einem Gewollt-, Gerufen- und Erwählt-Sein sprach hingegen der Abschnitt aus dem Epheser-brief. Der Schöpfer der Welt hat eine Vision für den Menschen, und das Ge-sicht dieser Vision ist Christus. In ihm sind wir «erwählt vor der Erschaffung der Welt» (Eph 1,4), also lange «bevor» wir in Welt und Zeit das Licht des Lebens erblickten; und in Christus wird «alles, was im Himmel und auf Erden ist, vereint» (Eph 1,10).
Ein Bruder in unserem christlichen Bekenntnis, der im vergangenen Jahrhundert gelebt und ein bedeutender Theologe war, Romano Guardini, hatte einmal einen Traum, den er in seinen autobiographischen Notizen wie folgt beschrieb: «Heute Nacht, aber es war wohl morgens, wenn die Träume kommen, dann kam auch zu mir einer. Was darin geschah, weiss ich nicht mehr, aber es wurde etwas gesagt, ob zu mir oder von mir selbst, das weiss ich nicht mehr. Es wurde also gesagt, wenn der Mensch geboren wird, wird ihm ein Wort mitgegeben, und es war wichtig, was gemeint war, nicht nur eine Veranlagung, sondern ein Wort. Das wird hineingesprochen in sein Wesen, und es ist wie das Passwort zu allem, was dann geschieht. Es ist Kraft und Schwäche zugleich. Es ist Auftrag und Verheissung. Es ist Schutz und Gefährdung. Alles, was dann im Gang der Jahre geschieht, ist Auswirkung dieses Wortes, ist Er-läuterung und Erfüllung. Und es kommt alles darauf an, dass der, dem es zu-gesprochen wird, – jeder Mensch, denn jedem wird eines zugesprochen – es versteht und mit ihm ins Einvernehmen kommt. Und vielleicht wird dieses Wort die Unterlage sein zu dem, was der Richter einmal zu ihm sprechen wird.»
Amen.