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Predigt von Abt Urban im Pontifikalamt am Ostersonntag 2025

Waren Sie schon an einem Ort, an dem es stockdunkel war? Ohne jegliche Strassenbeleuch-tung oder sonstigen Lichtquellen, so dunkel, dass Sie draussen nichts unternehmen konnten? So leben in anderen Kulturen Menschen heute noch, wie es früher auch bei uns war: mit dem Stand der Sonne. Wer in der Nacht nichts sieht, verlässt das Haus nicht mehr und sicher nicht das Dorf oder die Stadt, denn ohne Licht ist das zu gefährlich.

«Am ersten Tag der Woche kam Maria von Mágdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war.» Liebe Schwestern und Brüder, diesen schlichten Satz müssen wir in seiner ganzen Dramatik lesen: Maria Magdalena verlässt nicht nur im Dunkeln die Stadt Jerusalem, sie begibt sich allein zur Hinrichtungsstädte Golgota und zu den angrenzenden Gräbern, an einen Ort also, der gefährlich war. Das war nicht nur als Frau mehr als riskant, zumal sie den Weg kaum sah. Aber Maria ist von etwas getrieben, sie verweigert sich darum auch am dritten Tag dem Offensichtlichen: Er, der sie von einer grossen Lebenslast befreite, er, der ihren neuen Lebenssinn gab, er, dem sie überall-hin folgte: Er soll tot sein? Geschlafen wird sie nicht haben, den Weg hätte sie darum auch bei Tageslicht kaum gesehen, denn in ihrem Hirn läuft ein Kopfkino ab, Fragen trommeln auf sie ein: Wie konnte das geschehen? Das kann doch nicht alles gewesen sein! Warum genau laufe ich eigentlich zum Grab? Warum kann ich meine Hoffnung nicht endlich begraben? «Mors et vita duello conflixere mirando» hat vor dem Evangelium die Schola in der 1'000-jährigen Ostersequenz gesungen: «Tod und Leben, die kämpfen ein unbeschreibliches Duell.» Dieser Kampf spielt sich in der Osternacht nicht nur im Grab Christi ab, das erlebt Maria Magdalena an sich selbst!

Wer so durcheinander ist, wer ein solches Kopfkino durchlaufen muss, kann sich nicht mehr auf die eigenen Gefühle verlassen, auch nicht mehr auf die eigenen Sinne. Was gestern noch normal war, trägt heute nicht mehr. Maria läuft in ihrem Gefühlschaos direkt zum Grund ihrer Hoffnung. Doch ihr Herr ist tot! Und noch schlimmer: Jetzt ist auch noch der Stein, der das Grab verschlossen hat, weg – und das Grab leer. Spätestens hier muss es ihr den Boden unter den Füssen wegziehen. Maria Magdalena rennt los! Sie holt Hilfe bei anderen, denn allein kann sie diese Situation nicht mehr ertragen. 

Das Licht von Ostern, liebe Schwestern und Brüder, braucht die anderen. Das Osterlicht kommt Maria nicht wie ein Scheinwerfer entgegen. Wir haben Ostern in dieser Nacht mit einem kleinen Licht gefeiert, das sich langsam ausbreitet. Es braucht dieses erste zarte Licht – und es braucht das Weitergeben. Der erste Mensch, der im heutigen Evangelium an die Auferstehung Christi glaubt, heisst einfach: «Der Jünger, den Jesus liebte.» Und das Erstaunliche daran ist, dass er nicht glaubt, weil er wie Maria Magdalena kurz darauf dem Auferstandenen begegnet. Er tritt ins leere Grab. Dazu heisst es verblüffend einfach: «Er sah und glaubte.» Dieses griechische «eíden – er sah» meint mehr als das Sehen der Tücher, in die der Tote ge-wickelt war. Dem gleichen Wort eíden begegnen wir bereits, wenn Jesus seine ersten Jünger beruft. Auf deren Frage: «Meister, wo wohnst du?», antwortet Jesus: «Kommt und seht! Sie kamen und sahen, wo er wohnte» (Joh 1, 38-39). Sehend wird der Mensch, wenn er mit Jesus vertraut ist, bei ihm wohnt. Dieser erste namenlose Jünger, der an die Auferstehung glaubte, ist jemand, der in persönlicher Freundschaft mit Christus lebt und sich bedingungslos von ihm geliebt weiss. Sehend wird er an Ostern, weil er merkt: Die Worte, die Jesus zu uns sagte, sind wahr geworden! Wenn Du glaubst, dass die Worte Jesu wahr werden – hier und heute –, dann bekommt der namenlose Jünger Deinen Namen: etwa Urban, Barbara, Timo oder Rita. Sehend wird an Ostern zuerst die Liebe, erst dann der Verstand. Es ist die Liebe, die mit Jesus und seinen Worten vertraut ist und dabei wächst – und das über den Tod hinaus. 

«Sag uns, Maria, was hast du auf dem Weg gesehen?», hat die Schola in der Ostersequenz weiter gesungen. Gesehen hat sie auf dem Weg nicht viel und aus ihrem Kopfkino heraus konnte sie nicht einmal den Auferstandenen erkennen. Erst als er sie jetzt anspricht, als sie sein Wort hört, ist ihre Hoffnung in Jesus plötzlich wieder voll da – und damit auch das Leben, das von ihm ausgeht. Darum singt Maria ist der Ostersequenz die Worte des Evangeliums: «Auferstanden ist Christus, meine Hoffnung, er geht euch voran nach Galiläa.» Meine Lieben, die Osterhoffnung kommt zu uns, wenn wir mit anderen zusammen auf sie zugehen, manch-mal auch uns zu ihr durchkämpfen! Wer mit Christi Wort vertraut ist, ist heute aufgerufen, die Osterhoffnung auch im Dunkeln dieser Welt zu sehen und zu glauben! Und als Glaubende sollen wir mit Menschen zusammen, die in ihrem eigenen Kopfkino gefangen sind, Wege der Hoffnung gehen! 

Dafür steht dort drüben das Kreuz dieses Heiligen Jahres mit dem Motto von Papst Franziskus: «Pilgerinnen und Pilger der Hoffnung» sollen wir sein. Zusammen folgen wir dem Kreuz, das für das Dunkel der Nacht steht, für unsere Lebenskämpfe. Damit auch in unserem Dunkel die Osterhoffnung sehend, liebend und glaubend wird, muss die Osterhoffnung gesungen werden, müssen wir sie zusammen singen – so bunt, wie wir sind und wie diese Gemeinschaft dort drüben dem Kreuz des Heiligen Jahres folgt. Singen wir darum mit Maria Magdalena zusammen unsere Osterhoffnung mit dem Refrain des heutigen Schlussliedes, um diese Hoffnung danach in unsere Welt zu tragen: Halleluja, Jesus lebt, Jesus lebt, Jesus Lebt, Halleluja, Jesus lebt!
 

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