Als ich am letzten Dienstag nach einem Vortrag bei einem Volks-Apéro mit anderen ins Gespräch kam, sagte mir eine Frau, sie sei froh, Grossmutter zu sein und nicht mehr Mutter. Sie wüsste nicht, ob sie in dieser Welt nochmals Kinder haben wollte. Sie fügte hinzu: Zwar ginge es uns in der Schweiz ja eigentlich gut, und doch werde sie das Gefühl nicht los, die Weltlage würde immer bedrückender. Eine andere Frau stimmte ihr bei und meinte, sie würde aus Angst vor dieser Weltlage keine Nachrichten mehr schauen.
Liebe Schwestern und Brüder in Christus, Sie kennen vermutlich diese oder ähnliche Gefühle. Brauchen wir darum nicht Menschen, die diese Ängste ernst nehmen und etwas an Orientierung und an Licht, ja an Hoffnung brin-gen können? Oder mit der Sprache der Bibel: Selig die Frieden stiften, selig die Sanftmütigen, selig die Barmherzigen, denn ihnen gehört das Himmel-reich. Dieser Mensch muss allerdings nicht unbedingt eine andere Person sein. Hat Ihnen schon jemand gesagt, dass Sie diese Person sein könnten, jemandem beizustehen, wenn Friede gesucht wird, wenn Nähe in den Ängs-ten wichtig wäre und Barmherzigkeit, wo sich jemand heillos in Schuld verstrickt hat? Unsere erste Reaktion ist wohl: Ich? Ich habe selbst genügend Probleme, und überhaupt: Ist dieses Selig- oder Heilig-Sein nicht für Perfektere als mich gedacht?
Jesus preist im Evangelium nicht Menschen selig, die alles erreicht haben, die perfekt sind. Das ist kein biblisches Heiligkeitsideal. Selig gepriesen werden vielmehr, die eben arm sind vor Gott, die um ihre Unvollkommenheit wissen, die trauern können, die nach Gerechtigkeit dürsten, auch jene, die verfolgt und geschmäht werden. Gott wendet sich eben gerade nicht unseren gelifteten Outfits zu. Vielmehr spricht er sein «selig» in unsere Schwäche hinein, in unsere Bedürftigkeit. Die Menschen der Seligpreisungen sind Menschen, die auf ihrem Lebensweg ihre Hoffnung nicht auf sich selbst, sondern auf Gott setzen, wie es die Lesung sagt: «Jeder, der diese Hoffnung auf ihn setzt, heiligt sich, so wie er heilig ist.»
Könnten es also nicht doch auch Sie sein, die Sie anderen Hoffnung bringen? Nicht eine billige, hinter der das eigene Ich steht, das gut dastehen möchte, sondern eine Hoffnung, die eine Antwort auf den Anruf Gottes ist. Nur wer selbst von der Hoffnung berührt wurde, kann in sich Hoffnung tragen. Die Weihnachtskuppel spielt uns dieses Geben und Nehmen vor: Vom Himmel her, vom Glauben, dass in Jesus Christus Gott Mensch und unser Friede geworden ist, kommen Engel her, die ein Spruchband tragen mit Worten, die der Chor heute bereits für uns gesungen hat: «Gloria in excelsis deo – Ehre sei Gott in der Höhe». Und die Antwort wird von der Erde von anderen En-geln gebracht, wo wir von dieser Botschaft getroffen werden: «Et in terra pax hominimus bonae voluntatis – und Friede auf Erden den Menschen guten Willens». Dass wir selbst den guten Willen haben, Hoffnungsträger und Friedensträgerinnen zu sein, ist der Wunsch dieser Weihnachts-Kuppel. Menschen empfangen in diesem Raum das Geschenk göttlichen Friedens und geben mit dem eigenen Leben Antwort! Und Antwort geben können wir alle mit unseren Charismen, mit den Eigenschaften, die uns gegeben wurden. Anton Bruckner zum Beispiel, dessen 200. Geburtstag wir dieses Jahr feiern und dessen «Missa solemnis» in b-Moll in diesem Gottesdienst erklingt, hat seine musikalische Begabung eingesetzt, um auf den göttlichen Anruf an ihn zu antworten. Zwar wurde Bruckner für sein Antwort-Geben belächelt. Von einem anderen Komponisten, von Johannes Brahms, stammt der vernich-tende Satz: «Bruckner ist ein armer verrückter Mensch, den die Pfaffen von St. Florian auf dem Gewissen haben.» Das hat Bruckner nicht daran gehin-dert, am Ende seiner Kompositionen jeweils «O.A.M.D.G.» zu schreiben: «Omnia ad maiorem Dei gloriam – alles zur grösseren Ehre Gottes». Und von Felix Mendelssohn werden wir während der Gabenbereitung die Worte hören: «Sagt es, die ihr erlöset seid / Von dem Herrn aus aller Trübsal. / Er zählet unsere Tränen in der Zeit der Not.» Eine musikalische Antwort eines Komponisten auf die Hoffnung, dass Gott auch bei denen ist, die weinen und in Not sind.
Meine Lieben, welches sind Ihre Begabungen, mit denen Sie antworten können? Manchmal können wir das gar nicht so leicht beantworten. Fragen Sie doch nach dem Gottesdienst die anderen: Siehst Du bei mir eine Fähigkeit, mein Ohr jemanden zu leihen, irgendwo anzupacken, für jemanden da zu sein? Eine oder einer allein wird nicht eine angsterfüllte Welt mit Hoffnung füllen. Wo aber viele sind, von denen wir sagen können: Selig ist er oder sie, denn hier bildet sich Gottes Himmelreich –, wo viele ihre Charismen einbringen, da ist viel vom Heil Gottes spürbar, da ist Kirche, da ist Aller-Heiligen. Ob das nicht ein Boden sein kann, wo auch eine Grossmutter für ihre Enkel dennoch Hoffnung schöpfen kann? Mögen viele Menschen, die in Angst leben, das «Ehre sei Gott in der Höhe» der Engel hören und gemeinsam die Antwort geben: Selig sind wir, die wir zusammen diesen Frieden auf diese Erden bringen können! Amen.