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Predigt von Abt Urban Federer am Hochfest des heiligen Meinrad am 21. Januar 2025

«Meinrad, Mann der Hoffnung», haben wir zum Einzug in diesen Gottesdienst gesungen. Liebe Schwestern und Brüder in Christus, was für eine Farbe kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie das Wort «Hoffnung» hören? An welche Art von Bewegung denken Sie, wenn Sie «Hoffnung» hören? Ich selbst bin von der kirchlichen Farbenlehre so geprägt, dass mir beim Wort Hoffnung automatisch die Farbe Grün in den Sinn kommt. Und die Hoffnung stelle ich mir tanzend vor: Hoffnung ist für mich eine grosse Bewegung!

Tatsächlich hat das Wort «Hoffnung» mit «hoppen» zu tun, im heutigen Deutsch mit «hüpfen». Ob der heilige Meinrad wie ein Kind aufgeregt umherhüpfte, als er zum ersten Mal den Etzel und das Einsiedler Hochtal sah? Diese Gegend hatte es ihm jedenfalls so angetan, dass er hier 33 Jahre lang eine Heimat fand – bis zu seinem Tod am 21. Januar 861.

Meinrad hätte als Mönch auf der lieblichen Insel Reichenau wohl nie gedacht, dass seine Hoffnung auf das Leben als Mönch in der rauen Wildnis des Finsteren Waldes enden wird. Auch bei Abraham in der ersten Lesung ist es anders gekommen, als dieser dachte. Er wird berufen, sein Land zu verlassen, um ebenfalls eine neue Heimat zu suchen: Kanaan, dort, wo heute Israel und Palästina liegen. Was in der Bibel so einfach tönt – «Da ging Abram, wie der HERR ihm gesagt hatte» –, stand in Wirklichkeit am Ende eines langen Prozesses. Abraham zog nicht das erste Mal aus, um nach Kanaan zu gelangen. Sein Vater Terach zog mit ihm aus ihrer Heimat Ur im heutigen Irak aus, um dieses gelobte Land zu finden. Aber sie kamen nicht weiter als bis nach Haran in der heutigen Türkei an der Grenze zu Syrien, wo sie sich nieder-liessen und wo Terach starb. Abrahams Weg nach Kanaan ist also kein gerader. Ist es nicht auch bei uns so, dass wir oft einen Weg gehen wollen, dieser Weg dann aber anders aussieht, als wir ihn erhofft haben? Bei Abraham verläuft sein Weg nicht, wie er und sein Vater dies gehofft hatten. Erst als er in Haran seine eigene Vorstellung vom Glück aufgab, wurde er frei, frei, um den Willen Gottes in seinem Leben zu suchen. Nun bricht er erneut auf, nicht wie er will, sondern wie Gott will: «Geh fort in das Land, das ich dir zeigen werde!», sagt Gott zu ihm.

Meinrad und Abraham bewegen sich darum nicht nur äusserlich vom Zürichsee nach Einsiedeln oder von Haran nach Kanaan, sondern auch innerlich. Sie gehen den mühsamen Weg der Freiheit, die sie in Gott finden. Mit Gott zusammen finden sie ihre Berufung, der im Fall Meinrads ja nicht einfach heisst: Ende gut, alles gut. Seine Hoffnung auf das Leben hat er mit dem Tod bezahlt. Dennoch ist er auch auf dieser letzten Wegstrecke seines Lebens nicht davongerannt, heisst es doch, er habe gewusst, dass die beiden Mörder ihm Böses tun wollten. Trotzdem hat er in ihnen Christus erkannt und sie gastfreundlich bewirtet.

Noch mehr innerlich als äusserlich wird der Mann im Evangelium bewegt. Er hat eigentlich alles, ist aber nicht glücklich. Offenbar sind wir Menschen nicht automatisch glücklich, wenn wir von Reichtum und einem sorgefreien Leben träumen und dieses auch leben können. Oft bleibt eine Sehnsucht in uns zurück: Ist das alles? Gibt es nicht mehr im Leben? Der Mann fragt nun Jesus: Was soll ich tun? Jesus sagt dummerweise nicht: Geniess dein Leben, du hast ja alles. Vielleicht hat der Mann von Jesus ja eine solche Bestätigung seines Lebensstils erwartet. Jesus aber merkt, dass dieser Mann verkümmert, wenn er sich nicht mehr bewegt. Er merkt, dass bei diesem Menschen eine grössere innere Bewegung ansteht, um dem Glück n-her zu kommen. Und so fordert er von ihm etwas Radikales: alles loszulassen und ihm nachzufolgen. Diese Einladung hat so gar nichts mit den Hoffnungen dieses Mannes zu tun. «Der Mann aber war betrübt, als er das hörte, und ging traurig weg; denn er hatte ein grosses Ver-mögen.» Wer das wahre Glück sucht, muss aufhören, sich von eigenen Vorstellungen von Glück auffressen zu lassen, denn er könnte das Glück verpassen, wenn es von ganz unerwarteter Seite her kommt. Jesus weiss: Eine solche innere Freiheit ist für den Menschen eigentlich unmöglich. Darum sagt er danach zu seinen Jüngern: Vertraut auf Gott, denn für Gott ist alles möglich.

Meine Lieben, mit ungefähr 31 Jahren war Meinrad für das 9. Jahrhundert nicht mehr jung, als er in seinem Leben den Schritt auf den Etzel und später nach Einsiedeln wagte, also wird er bei seiner Ankunft vielleicht nicht vor Freude getanzt haben. Aber innerlich bewegt muss Meinrad auf jeden Fall gewesen sein und es zog ihn darum immer tiefer in den Finsteren Wald hinein. Bei ihm ist die Farbe der Hoffnung dabei nicht grün, sondern rot geworden, die Farbe des Blutes: Er bezahlte seine Freiheit mit dem Tod, weil andere Menschen in ihrer Gier nicht den Willen Gottes suchten, sondern die eigenen Taschen füllen wollten. Lassen wir uns darum nicht von unserer Gier nach immer mehr auffressen, lassen wir uns nicht versklaven von unserer eigenen Vorstellung von Glück. Wir sind, wie es das Motto des Heiligen Jahres 2025 sagt, Pilgerinnen und Pilger der Hoffnung und folgen so sogar dem Kreuz nach, wie wir dort drüben im Logo des Heiligen Jahres sehen. Denn die christliche Hoffnung tanzt nicht am Kreuz vorbei, sondern ist noch dort eine Hoffnung, wo andere nur noch Niedergang, Zerstörung und Tod sehen. In dieser Perspektive dürfen wir beten: Heiliger Meinrad, du Pilger der Hoffnung, bitte für uns. Amen.

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