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Predigt am 8. Sonntag im Jahreskreis von P. Thomas Fässler

(1 Kor 15, 54–58, Lk 6, 39–45; Krankensonntag)

 

«Soll ich? Oder soll ich nicht?» Immer wieder, liebe Schwestern und Brüder, haben wir Entscheidungen zu treffen. Manche von ihnen sind wichtiger, ja gar lebensentscheidend, manche weit weniger. Und während uns die einen leicht fallen, tun wir uns mit anderen recht schwer. Sie würden wir manchmal gerne delegieren, anderen überlassen, die dann an unserer Stelle die Entscheidung treffen sollen – vielleicht auch deshalb, damit nicht wir es sind, die sich falsch entschieden könnten und für allfällige unliebsamen Folgen verantwortlich wären. Von daher kommt wohl auch die Sache mit dem Münzwurf. Lieber ergeben wir uns dem vermeintlichen Schicksal, als dass wir uns zu einem Ja oder einem Nein durchringen müssen, wenn uns beide Optionen gleich gut erscheinen.

Zum Glück gibt es da aber weit ratsamere Methoden, die uns helfen, Entscheidungen zu treffen – und zwar eigenständig. Ein Weg ist folgender: Dass ich mir vorstelle, ein Freund würde in genau der Situation wie ich gerade sein – und dass ich dann überlege, was ich ihm in dieser Lage zu tun raten würde. Interessanterweise können wir nämlich anderen häufig viel einfacher Ratschläge erteilen als uns selbst – so wie wir bei anderen auch oft viel schneller Fehler entdecken als an uns selbst, wie es der heutige Evangeliumsabschnitt mit dem Bild des Splitters im Auge des Fremden und dem Balken in meinem eigenen Auge zum Ausdruck bringt. Wir können dieses Bild aber – wie gesagt – auch positiv umkehren: Ich vermag in anderen Menschen von aussen häufig leichter Stärken erkennen und abschätzen, welcher Weg für sie der bessere ist.

Ein weiterer Weg, sich bei scheinbar gleichwertigen Optionen für etwas zu entscheiden, ist der Blick auf die Folgen davon – oder im biblischen Bild ausgedrückt: Welche Früchte eine Entscheidung bringt. Zwei Bäume sehen von aussen betrachtet vielleicht genau gleich aus. Beide scheinen uns gleichwertig zu sein. Ihre Früchte aber – das, was sie hervorbringen – zeigen mir, wie sie tatsächlich sind, ob sie es wert sind, dass wir unter ihnen ruhen. Der Apostel Paulus zählt dabei unter den guten Früchten unter anderem Freude auf, Friede, Freundlichkeit, Treue und Selbstbeherrschung. Wenn ich also geduldiger werde, wenn ich zu mehr Freude finde, dann scheint es ein Weg zu sein, der gut für mich ist. Wenn ich aber statt guter, süsser Früchte lediglich bittere antreffe oder gar lauter Dornen, in denen ich mich verheddere, sollte ich nicht länger unter diesem Baum verweilen.

Immer wieder müssen wir uns im Leben entscheiden. Das Risiko besteht, dass wir uns für einen Weg entscheiden, der uns auf die Dauer nicht guttut, weil uns seine faulen Früchte krank machen. Unter ihnen erwähnt Paulus Feindschaften, Streit, Eifersucht, Jähzorn oder Neid. Von unguten Bäumen zu essen kann aber nicht nur uns selbst krank machen, sondern auch andere, indem ich beispielsweise aus lauter Verbitterung und Neid ständig über sie herziehe, in ihnen nur mehr das Negative sehe und dies auch anderen mitteile, ob sie es nun hören wollen oder nicht. Das ist der Stachel des Todes. Weil ein solches Verhalten zum Tod führen kann, indem wir andere, letztlich aber eigentlich uns selbst isolieren, von anderen wie auch von Gott, uns also vom Lebensquell abschneiden.

Meist erkennen wir selbst solche faulen Früchte erst recht spät, während es andere um uns herum vielleicht schon viel früher tun. Die Schwächen und Fehler bei anderen, den Splitter in deren Augen, leichter als bei sich selbst zu erkennen, kann nicht nur schlecht sein. Es ermöglicht, dass wir von anderen auf etwas aufmerksam gemacht werden können, am besten natürlich mit Wohlwollen und Geduld. Es kann uns also zum Guten gereichen – vorausgesetzt natürlich, wir lassen uns überhaupt etwas sagen. Von wem wir uns aber führen lassen, mit wem wir uns umgeben, ist selbstverständlich wiederum eine Entscheidung für sich: Einer, der für meine unguten Wege auf beiden Augen blind ist, ja sie sogar mitgeht, wird nur auch selbst mit mir in die Grube fallen.

Schon so manche Frucht erschien von aussen köstlich und war verlockend anzusehen, brachte aber den Tod – während manche harte und unansehnliche Frucht, die zu öffnen einige Mühe kostete, wahres Leben brachte: Freude, Grosszügigkeit, Treue. Amen.

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