Salve 1/2025

1 salve 1/2025 Die Zeitschrift der Klöster Einsiedeln und Fahr 1/2025 Balance 26 Eine harmonische Mischung Die Paramentenwerkstatt des Klosters Fahr im Wandel der Zeit 20 Im Gleichgewicht des Miteinanders Lernen, Leben und Loslassen am Internat der Stiftsschule 6 «Messen sind Inseln der Ruhe» Botschafterin Manuela Leimgruber spricht mit Pater Kolumban Reichlin über Aspekte der Balance. 12 Verzichten für den spirituellen Ausgleich Fasten als Weg zum spirituellen Gleichgewicht und zu einer geschärften Wahrnehmung salveKloster Welt Begegnung

Titelbild: Manuela Leimgruber, Schweizer Botschafterin beim Heiligen Stuhl, spaziert mit Pater Kolumban Reichlin, Kaplan der Päpstlichen Schweizergarde, über den Petersplatz in Rom. INHALT EDITORIAL Abt Urban Federer Priorin Irene Gassmann 5 INTERVIEW «Messen sind Inseln der Ruhe» Zwischen Flexibilität und klaren Interessen: Die Schweizer Botschafterin beim Heiligen Stuhl spricht im Interview überihre Arbeit. 6 PERSPEKTIVE Verzichten für den spirituellen Ausgleich Für Pater Jean-Sébastien Charrière ist Fasten eine spirituelle Praxis, welche die Sinne stärkt. 12 KONTEXT Massvoll leben, gelassen bleiben Schulseelsorger Pater Cyrill Bürgi über die Aktualität des Masshaltens und die Auswege aus dem Hamsterrad 16 MOMENTUM Harmonie 19 EINBLICK Im Gleichgewicht des Miteinanders Balance im Internat der Stiftsschule Einsiedeln – wie kann sie gelingen? Ein Schüler erzählt. 20 BEGLEITUNG Dank Mut und Offenheit zur seelischen Balance Die Rückkehr ins Gleichgewicht durch die Beichte erfordert Mut und Vertrauen. 22 MOMENTUM Ausgleich 25 AUSFLUG Eine harmonische Mischung Die Paramentenwerkstatt des Klosters Fahr schlägt die Brücke zwischen damals und heute. 26 EINKEHR Hinhören, bewegen, balancieren Alternative Heilmethoden im Kloster: vom Menschen als materielles und spirituelles Wesen 28 REGULA Die Abtskapitel in der Benediktsregel Pater Christoph Müller 31 GASTBEITRÄGE 32 TABULA 38 IMPRESSUM 50 salve 1/2025 Balance Die Fahne am Balkon der Schweizer Botschaft beim Heiligen Stuhl.

4 salve 1/2025 Balance Balance ist mehr als ein Gleichgewicht der Kräfte – sie ist ein inneres Pendel, das stetig zwischen Tun und Lassen, Zuhören und Sprechen, Gemeinschaft und Alleinsein schwingt. Auch im Rhythmus des benediktinischen Klosters zeigt sie sich in der Ordnung des Tages, im Wechsel von Stille und Gesang und im Zusammenspiel von Arbeit und Gebet. Unsere innere Balance hält Geist, Körper und Seele in Einklang und schafft Raum für Heilung und Frieden.

5 salve 1/2025 Heute ist viel von Hektik und Überforderung die Rede, wobei damit wohl nicht nur Arbeitslast und allgemein Stress gemeint sind, sondern auch der psychisch-seelische Druck, der mit einer unsicheren Weltlage und mit einer gewissen Perspektivenlosigkeit einhergeht. Die Benediktsregel bietet in dieser Situation für unsere Zeit dasselbe an wie für die Zeit ihrer Entstehung im 6. Jahrhundert: den Versuch, ein ausgewogenes Leben zu führen. Diese benediktinische Balance soll dem Leben dienen. Jede Zeit hat ihre Herausforderungen und somit stellen sich immer neu die Fragen: Wo ist das Leben aus dem Gleichgewicht geraten? Wie kann die Balance wieder gefunden werden? Die Strukturierung des Tages ist dabei nicht nur psychisch ratsam, sondern auch sinnstiftend. Ein zentrales Element der Benediktsregel ist die Idee von «ora, labora et lege» – das Miteinander von Gebet, Arbeit und Bildung. Diese Vorgehensweise bringt spirituelle und praktische Aspekte unseres Lebens ins Gleichgewicht. Der heilige Benedikt fordert die Mönche und Nonnen auf, in ihrem Alltag eine Balance zwischen geistiger Hingabe und körperlicher Arbeit zu finden. Wobei für ihn Gebet auch eine wertvolle Arbeit ist und die Arbeit dem Menschen seine Würde gibt. Darüber hinaus betont die Regel die Bedeutung der Gemeinschaft. In einer Zeit, in der Individualismus oft im Vordergrund steht, lehrt uns der heilige Benedikt, dass das Leben in Gemeinschaft eine Quelle der Stärke und Unterstützung ist. Die Balance zwischen persönlichem Wachstum und dem Wohl der Gemeinschaft ist entscheidend für ein erfülltes Leben. Die Benediktsregel erwähnt auch die Achtsamkeit im Umgang mit der Zeit: Der heilige Benedikt ermutigt seine Mönche, ihre Tage strukturiert zu gestalten, um Raum für Gebet, Arbeit und Ruhe zu schaffen. Die Struktur hilft, die Zeit sinnvoll zu nutzen und Überforderungen zu vermeiden. Dies kann uns helfen, Prioritäten zu setzen und Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen. Das Thema dieses Hefts ist die Balance. Die Titelgeschichte widmet sich Manuela Leimgruber, der Schweizer Botschafterin im Vatikan. Sie spricht über ihre diplomatische Arbeit und gibt Einblicke in ihre Erfahrungen mit der Kommunikation und Verhandlungskunst. Pater Jean-Sébastien Charrière erzählt über die Bedeutung der Fastenzeit und wie der bewusste Verzicht zur spirituellen Balance beiträgt. Pater Cyrill Bürgi erläutert, wie das Masshalten gemäss der Benediktsregel in den modernen Alltag übertragen werden kann und welchen Rat er Schülerinnen und Schülern für ein ausgewogenes Leben gibt. Auch das Leben eines Internatsschülers wird porträtiert, um zu zeigen, wie junge Menschen zwischen Gemeinschaft und Einkehr ihren eigenen Weg zu innerer Balance finden können. Zudem beleuchten wir die Beichte als spirituelle Praxis, die Menschen hilft, nach einem inneren Ungleichgewicht wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Ein traditionelles Kunsthandwerk wie die Paramentik in die Zukunft zu führen, ist oftmals ein Balanceakt. Dank kreativer und innovativer Fachfrauen ist die Paramentenwerkstatt im Kloster Fahr seit Jahrzehnten führend in diesem speziellen Segment. Ein weiterer Text widmet sich der Gesundheit: Seit ein paar Jahren ist die Kinästhetik im Kloster Fahr kein Fremdwort mehr. Die Bewegungsfreiheit zu trainieren und das körperliche Gleichgewicht zu finden, macht den Klosterseniorinnen Spass. Im Kloster Einsiedeln bietet Pater Benedict Arpagaus Craniosacraltherapie an. In den drei Gastbeiträgen zeigen externe Autoren und Autorinnen unterschiedliche Bedeutungen von Balance auf. Die Suche nach Balance in der Benediktsregel ist also nicht etwa ein Ziel, sondern ein fortwährender Prozess. Indem wir die Prinzipien von Gebet, Arbeit, Bildung, Gemeinschaft und Achtsamkeit in unser Leben integrieren, können wir zu mehr innerem Frieden kommen. Und dieser Friede ist kreativ und damit auch sinnstiftend. Abt Urban Federer Kloster Einsiedeln Priorin Irene Gassmann Kloster Fahr Liebe Leserinnen, liebe Leser EDITORIAL

6 salve 1/2025 «Messen sind Inseln der Ruhe» INTERVIEW Manuela Leimgruber ist seit 2023 Schweizer Botschafterin beim Heiligen Stuhl. Sie vertritt die Schweizer Interessen auch in Malta und San Marino. Pater Kolumban Reichlin, Kaplan der Päpstlichen Schweizergarde, spricht mit ihr über ihre vielseitige Arbeit und den Balanceakt zwischen Unabhängigkeit und Kooperation – besonders in einem von Tradition geprägten Umfeld wie dem Vatikan. Interview: Pater Kolumban Reichlin

7 salve 1/2025 Manuela Leimgruber, Sie sind seit 2023 residierende Botschafterin der Schweiz hier im Vatikan. Was sind Ihre Hauptaufgaben? Zu meinen Hauptaufgaben gehört, dass ich mich informiere, beobachte, analysiere – und Bericht erstatte. Ich pflege verschiedene Netzwerke und bereite hochrangige Besuche aus Bern vor: Es ist eine Ehre, dass jedes Jahr anlässlich der Vereidigung der neuen Schweizergardisten ein Bundesratsmitglied vom Papst in seiner Funktion als Staatsoberhaupt empfangen wird. Bei der Aussenpolitik interessiert die Schweiz die Position des Heiligen Stuhls in internationalen Gremien. Er hat eine starke Stimme in Umweltthemen, etwa bei Klimadiskussionen, aber auch in Zusammenhang mit Abrüstung oder humanitären Fragen. Dadurch, dass der Heilige Stuhl weltumspannend ist – über Nuntiaturen sowie Kirchen, Schulen und Gesundheitseinrichtungen – kommen in Rom sehr viele Informationen zusammen, wie es vor Ort wirklich aussieht: Das interessiert die Schweiz. Dann verfolge ich die Kirchenpolitik im Vatikan – das ist so, als würde ich in einem anderen Staat die Innenpolitik verfolgen.

8 salve 1/2025 Worauf ist bei den diplomatischen Verhandlungen besonders zu achten? Bei grossen Verhandlungen gibt der Bundesrat die Leitplanken vor – innerhalb dieses Rahmens wird verhandelt. Entscheidend ist es, im Vorfeld zu klären, welche Interessen die Gegenpartei verfolgt. Verhandlungsergebnisse sind nur nachhaltig, wenn beide Seiten das Gefühl haben, das Beste erreicht zu haben und sich fair behandelt fühlen. Ein sehr einseitiger Vorteil führt langfristig zu Konflikten – das gilt für Menschen ebenso wie für Staaten. Flexibilität ist wichtig, klare Interessen ebenso – zwischen diesen beiden Polen gilt es, eine Balance zu finden. Beim Netzwerken bauen Sie Beziehungen auf und schaffen Vertrauen, ohne dabei die Unabhängigkeit zu verlieren – auch ein Balanceakt. Was ist Ihnen dabei besonders wichtig? Netzwerke sind ein zentrales Arbeitsinstrument in unserem Beruf: Neben guten Kontakten zu Partnern im Vatikan erleichtert die enge Verbundenheit unter Botschafterinnen und Botschaftern aus anderen Staaten den diplomatischen Alltag. Mein Netzwerk umfasst auch Universitäten, Laienorganisationen sowie Vertreter und Vertreterinnen anderer Kirchen und Religionen – ein entscheidender Aspekt in der multikonfessionellen und multireligiösen Schweiz. Ein besonderes Anliegen ist mir das junge Frauennetzwerk Donne in Dialogo (Women in Dialogue), das Botschafterinnen beim Heiligen Stuhl mit Frauen im Vatikan verbindet. Der Austausch stärkt uns in einem männerdominierten Umfeld. Es gibt auch bereits gemeinsame Projekte, etwa zum internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen. Weltweit übernehmen Frauen zunehmend Führungsverantwortung. Der Vatikan reflektiert diese Entwicklung, und die Synode hat betont, dass es keinen Grund gibt, Frauen Führungsrollen zu verwehren. Im Vatikan hatte ich nie das Gefühl, als Frau weniger ernst genommen zu werden; die Türen stehen mir offen. Diplomatie ist für mich nicht Durchsetzung, sondern ein ausgeglichener Dialog und gegenseitiger Respekt. Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus? Welche Bereiche bringen Sie unter einen Hut? Ein Diplomat oder eine Diplomatin sollte vor allem eines mitbringen: Freude an Menschen. Der tägliche Austausch ist essenziell, und wenn die Menschen spüren, dass man ihnen mit echtem Interesse begegnet, entsteht eine ganz andere Offenheit. In meinem Arbeitsalltag ist «In Verhandlungen führt ein sehr einseitiges Ergebnis langfristig zu Konflikten.» Manuela Leimgruber

9 salve 1/2025 dabei Abwechslung die Konstante. Mein Aufgabengebiet ist extrem vielseitig: Neben Interessensvertretung und Netzwerkpflege reicht es von Besuchsvorbereitungen über administrative und thematische Arbeiten bis zu Führungsaufgaben und Repräsentation. Ein Ritual habe ich aber: Ich gehe jeden Tag mit meinem Hund in den Park – auch wenn es mal spät wird, halte ich daran fest. Ich bin überzeugt, dass die Natur einem viel Halt gibt und dass es ein Urbedürfnis von uns Menschen ist, sich in einer natürlichen Umgebung unter freiem Himmel zu bewegen. Was hilft Ihnen sonst noch dabei, in diesem vielseitigen Alltag ausgeglichen zu bleiben? Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben sind in meinem Beruf oft nicht klar definiert. Besonders bei repräsentativen Aufgaben verschwimmen sie mit zahlreichen Abend- und Wochenendveranstaltungen. Ein Leben im Gleichgewicht bedeutet für mich, in einem inneren Gleichgewicht zu sein: mit sich im Reinen zu sein. Ich habe das Glück, dass mein Beruf mir grosse Freude bereitet – das hilft, wenn man von acht Uhr morgens bis zehn Uhr abends beruflich unterwegs ist. Wer seine Arbeit gern macht, sieht auch Herausforderungen in einem anderen Licht: nicht als Probleme und Hindernisse, sondern als etwas Wertvolles. Diese Haltung verändert den Blick auf den Alltag und auf das Leben. Unsere innere Balance ist aber auch eng mit unserem Umfeld verknüpft – worauf wir manchmal wenig Einfluss haben. Wie sähe Ihr idealer freier Tag im Vatikan ohne berufliche Verpflichtungen aus? Ich würde zuerst einen Spaziergang im Garten machen, danach würde ich die Dombauhütte, die Fabbrica di San Pietro, besuchen. Dort arbeitet eine Dottoressa, deren Begeisterung für ihren Beruf ansteckend ist. Sie hat uns bereits einmal mit Bundespräsident Alain Berset empfangen und mit grosser Leidenschaft von ihrer Arbeit erzählt. Ich würde sie bitten, mir einen Brief von Michelangelo oder einen Plan von Fontana zu zeigen. Ein weiteres Wunschziel ist die Sternwarte. Die katholische Kirche hat eine lange Tradition in der Astronomie. Ihr Observatorium wurde wegen der Lichtverschmutzung in Rom nach Castel Gandolfo verlegt. Es ist ein Traum, im Vatikan den Zug zu besteigen, dorthin zu reisen und bei Einbruch der Dämmerung die Sterne zu beobachten – das wäre für mich das Nonplusultra.

10 salve 1/2025 Der Vatikan ist ein spirituelles Zentrum von historischer und künstlerischer Bedeutung. Er war auch Schauplatz zahlreicher historischer Dramen, was seine Komplexität verstärkt. Wie beeinflusst Sie diese einzigartige Atmosphäre? Mir fallen bei dieser Frage spontan die Messen im Petersdom ein. Das diplomatische Corps wird zu wichtigen Messen eingeladen. Es gehört also auch zu meinen beruflichen Verpflichtungen, an Messen teilzunehmen. Während der Messe ist man ganz im Augenblick. Es gibt keine elektronischen Geräte, stattdessen riecht man die Essenzen wie Weihrauch, man hört die Musik und lauscht den Worten. Die beeindruckende Architektur und Kunst des Doms strahlen nicht nur Schönheit, sondern auch Macht aus. Man fühlt sich demütig und wird sich bewusst, dass man nur ein Teil der Geschichte ist, die immer weitergeht. Ich bin dann in einer anderen Welt, weit weg vom Alltag – wie auf einer kleinen Insel. Diese Momente sind besonders: Sie reissen mich aus dem Gewohnten heraus und ich kehre oft mit neuer Gelassenheit in meinen Alltag zurück. Gibt es besondere Herausforderungen, wenn Sie als Botschafterin zwischen den säkularen Anliegen der Schweiz und den religiösen Überzeugungen des Heiligen Stuhls ermitteln? Wir müssen nicht immer die gleichen Auffassungen haben: In Meinungsunterschieden sehe ich nicht unbedingt ein Spannungsverhältnis. Wichtig ist, zu unterstreichen, dass die Schweiz beim Heiligen Stuhl keine Kirchen- oder Religionspolitik macht. Ich vertrete weder die katholische Kirche noch eine Religion, sondern die Schweiz. Und das Verhältnis zwischen Kirche und Staat ist in der Schweiz kantonale Kompetenz. Gleichzeitig richtet der Heilige Stuhl seine Aussenpolitik an christlichen Werten «In der Diplomatie sollte man Freude an Menschen mitbringen.» Botschafterin Manuela Leimgruber im Gespräch mit Pater Kolumban Reichlin.

11 salve 1/2025 aus, daher haben wir oft gemeinsame Anliegen. Ein Beispiel ist unser Einsatz für die Abschaffung der Todesstrafe. Auch in der nachhaltigen Entwicklung und bei der Religionsfreiheit gibt es Parallelen; gerade in der humanitären Zusammenarbeit bestehen langjährige Verbindungen. In welchen weiteren Bereichen jenseits von Konfession und Religion überschneiden sich die Interessen der Schweiz und des Heiligen Stuhls? Da gibt es viele, auch möglicherweise überraschende Themen: Der Heilige Stuhl ist beispielsweise in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit künstlicher Intelligenz (KI) sehr aktiv. Die Päpstliche Akademie der Wissenschaften forscht schon lange dazu, und der Heilige Stuhl engagiert sich international, etwa bei der UNO und im Europarat, zu diesem Thema. Die Schweizer Botschaften beim Heiligen Stuhl und in Italien organisierten zusammen mit dem Heiligen Stuhl eine internationale Konferenz zu den Auswirkungen von KI auf das humanitäre Völkerrecht. Meine Aufgabe ist es, gemeinsame Werte und Interessen zu erkennen und abzuwägen, wo es Potenzial für Zusammenarbeit und neue Schulterschlüsse gibt. Die künstliche Intelligenz birgt dieses Potenzial – und es wird auch weitere geben. In Afrika beispielsweise verfügt der Heilige Stuhl über grosses Know-how. Dort könnte man gezielt nach Überschneidungen mit Schweizer Interessen suchen, etwa im Mediationsbereich. Welche besonderen Herausforderungen begegnen Ihnen im Vatikan – oder was ist hier atypisch in Bezug auf die Diplomatie? Ich würde die Besonderheiten nicht als Herausforderung, sondern als Bereicherung bezeichnen. Die Aussenpolitik ist eng mit religiösen, ethischen und philosophischen Fragen verknüpft, was für mich neue Perspektiven eröffnet. Besonders beeindruckend ist die internationale Vielfalt: Meine Gesprächspartner im Vatikan stammen aus ganz unterschiedlichen kulturellen Kontexten. Der Heilige Stuhl betrachtet die Welt nicht eurozentrisch, sondern weltumspannend. Meine Erfahrungen in Lateinamerika und Afrika helfen mir, diese Sichtweise besser zu verstehen und die Bedeutung religiöser Gesellschaften einzuordnen: Während Religion in Europa oft als weniger prägend empfunden wird, habe ich in Kolumbien und Kenia ganz andere Erfahrungen gemacht – das ist eine wertvolle Grundlage für meine Arbeit hier. ◆ Manuela Leimgruber Manuela Leimgruber ist seit 2023 Schweizer Botschafterin beim Heiligen Stuhl, die erste Frau in dieser Funktion. Die Schweizer Botschaft beim Heiligen Stuhl in Rom gibt es seit 2023. Zuvor war Manuela Leimgruber in verschiedenen diplomatischen Funktionen tätig, unter anderem in Lateinamerika und Afrika. Manuela Leimgruber ist verheiratet und Mutter eines Sohnes – und sie hat eine besondere Beziehung zum Kloster Einsiedeln: Ihr Göttibub ist Schüler an der Stiftsschule. Pater Kolumban Reichlin Pater Kolumban Reichlin aus der Benediktinerabtei Einsiedeln ist seit 2021 Kaplan der Päpstlichen Schweizergarde in Rom. Zuvor wirkte er als Propst in der Propstei St. Gerold. In Einsiedeln war er unter anderem für die Wallfahrt zuständig und als Redaktor tätig. Im Vatikan begleitet Pater Kolumban die Schweizergardisten und ihre Familien in ihrem geistlichen Leben und ihrem Dienst im Vatikan. «In meinem Arbeitsalltag ist Abwechslung die Konstante.» Manuela Leimgruber

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13 salve 1/2025 Verzichten für den spirituellen Ausgleich PERSPEKTIVE Fasten und Verzicht sind elementar für die spirituelle Balance. Dabei tritt das Wesentliche in aller Deutlichkeit hervor. Gleichzeitig wird man auch hellsichtiger für die Bedürfnisse der anderen. Fast alle Religionen kennen die Askese: Als Übung in Selbstdisziplin ist sie auf ein höheres spirituelles Ziel ausgerichtet. Auch bei den Benediktinerinnen und Benediktinern ist das Leben im rechten Mass eine der zentralsten Praktiken ihrer Lebensweise. «Nach dem heiligen Benedikt sollte jeder Tag ein Fastentag sein» (siehe RB 49, 1–2), sagt Pater Jean-Sébastien Charrière. Dem Pater zufolge schärft der Verzicht die Sinne und lässt einen so das Wesentliche erkennen. Pater Jean-Sébastien zieht das Beispiel einer Bergwanderung heran: «Wir Menschen neigen dazu, viel zu viel Zeug in unseren Rucksack zu packen – Dinge, die eigentlich gar nicht notwendig sind. Während des Aufstiegs wird uns bewusst, was wirklich kostbar ist. Den Rest können wir das nächste Mal getrost zu Hause lassen. Nur wer diese Unterscheidung machen kann, schafft es, den Berg zu erklimmen.» Kampf gegen die Macht der Gewohnheiten Die Tendenz zum Übermass und die Disziplin zum Masshalten seien zwei sich widerstrebende Kräfte. «Sie immer wieder in den Ausgleich zu bringen, ist eine wichtige spirituelle Aufgabe.» Leiste man einen freiwilligen Verzicht – wie zum Beispiel das Masshalten bei Süssem oder alkoholischen Getränken –, falle es leichter, Lebensqualität abseits der Gewohnheiten für sich zu entdecken. «Manchmal ist das auch mit einem Ankämpfen gegen Suchtverhalten verbunden», so Pater Jean-Sébastien. «Bestimmte Probleme kommen schleichend, sodass wir sie selbst gar nicht bemerken. Der Verzicht bewirkt, dass wir uns plötzlich bestimmter Dinge bewusst werden, die uns vorher verschlossen blieben.» In der Fastenzeit ist diese Konzentration auf das Wesentliche besonders wertvoll. Pater Jean-Sébastien erklärt es so: «Wenn man das Schweigen, die Stille bewusster pflegt und sich weniger Gedanken über das Essen macht, hat man mehr Zeit für anderes – das stärkt die Beziehung zu Gott.» Auch die Nächstenliebe intensiver zu erfahren, ist eines der wichtigsten Ziele der christlichen Fastenzeit: «Wir verzichten, damit mehr übrig bleibt für den Nächsten – sei es mehr Nahrung, aber auch mehr Zeit.» So finde man auch als Gemeinschaft zum wirklich Wichtigen zurück. Intensiver leben durch Fasten Pater Jean-Sébastien geht sogar noch einen Schritt weiter: «Beim Verzichten geht es um die ganz grossen Fragen von Leben und Tod.» Oft wird leibliches Fasten als Akt gegen das Leben angesehen. «Denn wenn ich nichts esse, richtet sich das ja theoretisch gegen das Leben.» Doch genau das Gegenteil sei der Fall: «Das Fasten hat den Zweck, das Leben noch intensiver wahrzunehmen.» Beim weitgehenden Verzicht auf Nahrung – dem sogenannten Vollfasten – sei das bereits nach wenigen Tagen am eigenen Körper zu beobachten: «Die Sinne nehmen schärfer wahr, der Geruchssinn ist stärker und das Grün der Bäume im Wald leuchtet plötzlich intensiver. Ausserdem fühlt man sich leichter, man strotzt nur so vor Energie – und auch der Verstand ist viel schärfer.» In so einem Zustand würden sich gewisse Fragen viel besser beantworten, zum Beispiel: Wenn ich eines Tages wieder zu Staub werde: Was ist mir wichtig, was möchte ich unbedingt noch machen? Die Hinwendung zum Leben ist für Pater Jean-Sébastien beim Fasten zentral. Zwischen dem leiblichen und dem geistigen Verzicht unterscheidet er nicht gern, denn: «Auch der leibliche Verzicht nährt im Endeffekt den Geist.» Das Verdauen zapft dem Körper sehr viel Energie ab. Entfalle dies, sei das ein wunderschönes Gefühl. «Ich esse und trinke sehr gern – und dennoch ist Fasten für mich immer wieder eine wunderbare Erfahrung.» «Maria», Pater Jean-Sébastien Charrièrre, Acryl auf Leinwand, 2016.

14 salve 1/2025 em aufmerksamen Auge entgeht nicht, wenn in den benediktinischen Gemeinschaften die Fastenzeit angebrochen ist: Dann wird in den Klöstern Einsiedeln und Fahr der Blumenschmuck und die sonstige Dekoration auf ein Minimum reduziert. «Da der Frühling erst kommt und es keine Blumen im Garten gibt, wird nicht dekoriert. Man muss mit dem auskommen, was es gibt», sagt Schwester Monika Ulrich, die für das leibliche Wohl der Gäste zuständig ist und das Refektorium für die Mahlzeiten herrichtet. Im Kloster Einsiedeln wird auch das Schweigegebot ausgedehnt: Es gilt an zwei Abenden pro Woche zusätzlich zu den üblichen Schweigezeiten sowie denjenigen während der Mahlzeiten. Diese Zeit der Stille verbringt der Mönch allein in seiner Zelle. Die Arbeit sollte natürlich vorher verrichtet werden. «Man sollte dann zum Beispiel Pater Jean-Sébastien Charrière Mit dem Kunstdiplom in der Tasche wurde Pater Jean-Sébastien Charrière mit 27 Jahren zum Klosteranwärter. Seit 1999 lebt er nun im Kloster Einsiedeln und ist dort künstlerisch tätig: Er malt, zeichnet und kalligraphiert. Seine Bilder sind geprägt von ausdrucksstarken Motiven. Das geistige und leibliche Fasten fasziniert ihn – schon mehrmals hat er unter ärztlicher Aufsicht eine Fastenkur gemacht. Vor seinem Eintritt absolvierte er ebenfalls eine Ausbildung als Berater für Lebenshygiene und Ernährung. Pater Jean-Sébastien machte zudem ein Diplom als Sportmasseur und für die Reflexzonenmassage. Einen radikalen Verzicht auf Nahrung empfiehlt er jedoch nur unter ärztlicher Aufsicht. Je nach gesundheitlichem Zustand kann das Fasten sogar gefährlich sein. Seiner Erfahrung nach ist es schwierig, streng zu fasten, wenn alle um einen herum normal essen. Deshalb rät er zu einer Fastengruppe. In den ersten drei Tagen, wenn sich der Körper entgifte, könne es zu Übelkeit oder Kopfschmerzen kommen. «Bei manchen kommen Emotionen hoch, andere werden aggressiv … Deshalb ist es so wichtig, sich von Fachpersonen begleiten zu lassen.» Doch sei diese Durststrecke überwunden, fühle man sich pudelwohl. Und die Ausstrahlung von fastenden Menschen beeindrucke ihn immer wieder von Neuem: «Viele sehen viel jünger und fitter aus.» Einsteiger und Einsteigerinnen warnt er vor zu viel Idealismus. Er empfiehlt, es mit der Strenge der Fastenkur nicht zu übertreiben. Auch das Beenden des Fastens müsse man langsam angehen und etwas planen. «Sonst wird der Körper überfordert.» ◆ «Die Tendenz zum Übermass und die Disziplin zum Masshalten: Sie immer wieder in den Ausgleich zu bringen, ist eine wichtige spirituelle Aufgabe.» Pater Jean-Sébastien Charrière Die Fastenzeit im Klosteralltag Längere Schweigephasen und kargeres Essen: So lebt es sich während der Fastenzeit im Kloster. Im Kloster Fahr erfolgen die Mahlzeiten in Stille und mit Tischlesung. D

15 GLAUBE Fastenzeit Mit dem Aschermittwoch beginnt die vierzigtägige Fastenzeit vor Ostern. Zum Auftakt wird jeweils um 11.15Uhr das Konventamt mit Aschenweihe und Auflegung des Aschenkreuzes gefeiert. Auch in den übrigen Eucharistiefeiern können die Gläubigen das Kreuz mit geweihter Asche aus verbrannten Palmzweigen empfangen. Das Aschekreuz oder die auf das Haupt gestreute Asche sind ein starkes Symbol der Vergänglichkeit, oft spricht der Priester die Worte: «Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehrst.» Gleichzeitig ist das Zeichen auf der Stirn ein Bekenntnis zum Glauben und ein Zeichen der Bereitschaft der Gläubigen zur Busse und Umkehr. Darin drückt sich Demut und der Wunsch nach Erneuerung aus. Für sie ist das Kreuz kein Zeichen von Tod und Trauer, sondern das Symbol des Anfangs, der Auferstehung und des ewigen Lebens. An den Sonntagen während der Fastenzeit wird jeweils um 16.30Uhr in der Klosterkirche die Vesper mit Eucharistischer Aussetzung und Prozession gefeiert. Generell entfallen während der Fastenzeit in den Gottesdiensten das Gloria und das Halleluja – ab dem fünften Fastensonntag werden die Kreuze in der Kirche verhüllt. Gläubige zwischen 14 und 60 Jahren sind gemäss offizieller Fastenordnung der katholischen Kirche zum Fasten aufgerufen. Der Aschermittwoch und der Karfreitag sind strenge Fastentage, an denen nur eine sättigende Mahlzeit erlaubt ist. Freitags gilt die Abstinenz von Fleischspeisen. Die Klöster Einsiedeln und Fahr laden während der Passionszeit zu verschiedenen Angeboten und Gottesdiensten ein, um die Wochen vor Ostern bewusst zu gestalten. Angebote zu den Kar- und Ostertagen: Kloster Einsiedeln Kloster Fahr auch nicht mehr an den Computer sitzen oder die Zeit auf Social-Media-Kanälen vergeuden», sagt Gastbruder Klemens Ritler. Er ist im Refektorium für das Eindecken der Tische sowie für die Grundreinigung und die Dekoration zuständig. Auch die Reichhaltigkeit der Speisen ist während der Fastenzeit eingeschränkt: Im Kloster Fahr wird generell einfacher gegessen – so nehmen die Schwestern zweimal die Woche abends nur Suppe und Brot zu sich. Auf das Dessert wird ganz verzichtet und ab Palmsonntag auf Fleisch. Ansonsten ist das leibliche Fasten eher ein individueller Entscheid, denn: In der Fastenzeit, vor allem in der Karwoche empfängt das Kloster Einsiedeln besonders viele Gäste: In diesen körperlich fordernden Zeiten das Essen einzuschränken, wäre nicht vernünftig. Stattdessen teilt jeder Mönch dem Abt schriftlich mit, worauf er während der Fastenzeit verzichtet. Das kann der Verzicht auf alkoholische Getränke sein, auf Süsses oder eben auf Bildschirmzeit. Man kann auch anderen etwas Gutes tun: zum Beispiel älteren Mitbrüdern mehr Zeit widmen. Wie Kapitel 49 der Benediktsregel vorgibt, wird die Art des Verzichts nur mit dem Abt abgesprochen: Zu Beginn der Fastenzeit gibt jeder Mitbruder dem Abt die sogenannte «Bona Opera» ab, in welcher er seinen Fastenvorsatz schriftlich festgehalten hat. Der Abt entscheidet, ob der jeweilige Vorsatz für den Mitbruder passend ist. Er kommentiert diesen Vorsatz meistens mit ein bis zwei Sätzen und wünscht gutes Gelingen. «Da wir zu Tisch nach Seniorität sitzen, wissen wir mit den Jahren genau, was die Mitbrüder links und rechts gern essen. Da reicht meist nur ein Blick – und der andere versteht schon», so Bruder Klemens. An der Stiftsschule verzichten Lernende am Freitag auf eine volle Mahlzeit und essen nur eine Suppe mit Brot und eine Orange. Der Diffe- renzbetrag zur vollen Mahlzeit wird gespendet. Früher haben die Gläubigen in der katholischen Kirche vor jedem Hochfest eine kleine Fastenzeit gemacht. So ist auch die Adventszeit vor Weihnachten in den benediktinischen Gemeinschaften eine Zeit des Fastens und der Einkehr. «Das Schöne am Verzicht ist, dass er für das Staunen öffnet», sagt Schwester Monika. Für Bruder Klemens ist die Advents- und Fastenzeit die schönste Zeit des Jahres: «Die abendliche Stille in meiner Zelle geniesse ich besonders.» Oft hört er über Kopfhörer Musik, betet, meditiert oder liest. «Das ist Genuss ohne Störung.»

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17 salve 1/2025 Massvoll leben, gelassen bleiben KONTEXT Pater Cyrill Bürgi erzählt, wie die benediktinische Lebensweise ihm hilft, die Balance nicht zu verlieren. Und was er als Schulseelsorger den Jugendlichen für ihren manchmal turbulenten Alltag mitgeben möchte. Wir leben in einer Welt, die unendlich viele Optionen für uns bereithält. Das ist aufregend und bereichernd. Aber nicht nur. «Wir haben heute mehr Möglichkeiten, über die Stränge zu schlagen, als noch vor hundert Jahren», sagt Pater Cyrill Bürgi. «Wir fühlen uns uneingeschränkt und überborden leichter.» Masshalten ist ein Thema, mit dem sich der Schulseelsorger der Stiftsschule des Klosters Einsiedeln vertieft beschäftigt. Denn es ist ein zentraler Bestandteil der benediktinischen Lebensweise. In den Klosteralltag bringt zum Beispiel die Seniorität ein hilfreiches Raster: «Das bedeutet, dass es eine klare Ordnung gibt, etwa nach Alter und Rang. Ich habe meinen Platz und stelle mich dementsprechend ein. Das hilft mir und der ganzen Gemeinschaft, eine gewisse Ruhe zu bewahren.» Auch der Tagesablauf mit festen Arbeits-, Gebets- und Essenzeiten sorgt für Balance. «Es tut mir gut, mich daran zu halten. Arbeite ich bis zur letzten Minute und haste dann zum Gebet, strafe ich mich selbst, indem ich ausser Atem ankomme und schwerer Ruhe finde. Halte ich jedoch die Zeiten ein, bereitet sich Gelassenheit in mir aus. Sie überträgt sich auf die Menschen links und rechts von mir und strahlt letztlich auf die gesamte Gemeinschaft ab.» Die Struktur, die auf den ersten Blick vielleicht einengend wirkt, bringt laut Pater Cyrill Klarheit – und wer seine Realität klar erkennt, erlebt oft auch mehr Zufriedenheit. Masshalten: aktueller denn je Gerade in der heutigen Zeit gewinnt das Masshalten sogar noch an Bedeutung, etwa, wenn man einen Blick auf die Umwelt wirft. «Es wird uns auf brutale Art und Weise klar, dass uns ein Mass gesetzt ist, das wir nicht einfach ignorieren können», sagt Pater Cyrill. «Die Natur zeigt uns unmissverständlich die Schranken auf. Es ist schädlich, wenn wir masslos leben – für den Einzelnen und für die Gesellschaft. Wir geraten aus der Balance.» Darum ist es für Pater Cyrill zentral, immer wieder darüber nachzudenken, was man wirklich braucht und wo man sich einschränken kann. Er trinkt gerne Wein. Doch anstatt sich jeden Tag ein Glas einzuschenken, übt er sich im Masshalten. «Ich gönne mir nur am Sonntag Wein. So ist der Genuss etwas Besonderes, er wird zu einem Ritual und ich freue mich stets darauf. Das zu erleben, ist bereichernd.» Mehr Ruhe ohne Handy Es ist diese eigene positive Erfahrung des Masshaltens, die er als Schulseelsorger auch den Jugendlichen ermöglichen möchte. Ihnen kann die Nähe des Klosters helfen, die Balance nicht zu verlieren: «Indem wir ihnen von unserem Alltag im Kloster erzählen, indem sie daran teilhaben und uns beobachten, kann ein wichtiger Funke überspringen und das Masshalten kann auch Teil ihres Alltags werden.» Regeln unterstützen den Prozess: Die jüngeren Schülerinnen und Schüler des Internats geben jeweils um 22 Uhr Handy und Laptop ab. Der Pater beobachtet, dass es für die Jugendlichen eine Herausforderung ist, sich im Umgang mit der digitalen Welt zu regulieren. Sie müssten erst erfahren, dass es befreiend ist, das Handy auszuschalten und ausser Reichweite zu bringen. Aber das gilt nicht nur für die jungen Menschen: «Wir Erwachsenen checken ständig unsere E-Mails. Dabei sind die doch meist gar nicht so relevant!» Er weist auch auf die Wichtigkeit hin, etwas abzuschliessen. «Ich kann ein Projekt nicht endlos laufen lassen im Glauben, es würde immer noch besser. Man muss den Mittelweg finden zwischen Effort und dem Mut, es irgendwann auch gut sein zu lassen.» Diesen abschliessenden Punkt zu machen, hilft den Jugendlichen, mit Leistungsdruck und den hohen Anforderungen, die sie

18 salve 1/2025 oft an sich selbst stellen, umzugehen. Das Massvolle soll aber nicht nur beim Lernen gelebt werden. «Der Sport ist ein wunderbarer Ausgleich für die Jugendlichen», sagt Pater Cyrill. Auch hier gilt: nicht exzessiv, sondern massvoll trainieren. «Das Ziel ist die Balance zwischen geistlicher Arbeit und körperlicher Betätigung.» Die Balance im grossen Ganzen finden Doch diese Balance verhält sich für Pater Cyrill nicht wie eine Waage: «Dabei würden sich Leistung und Ausgleich ebenbürtig gegenüberstehen, doch das widerspricht einem christlichen Lebensstil», erklärt er. «Viel mehr sollte alles, was ich tue – ob Arbeit, Erholung, Begegnungen oder Rückzug – ein grosses Ganzes bilden, und stets auf Gott und seinen vorgegebenen Massstab ausgerichtet sein. Diese Sinnrichtung balanciert meine Lebensaspekte aus.» Es geht also nicht darum, genau so viel Zeit in den Ferien zu verbringen wie bei der Arbeit. Vielmehr soll das Ziel sein, auch in der Arbeit Erfüllung zu finden. Das richtige Mass zu finden kann jedoch schwerfallen, gerade in einer Gesellschaft, in der oft gilt: je mehr, desto besser! Sich in überfordernden Momenten auf das benediktinische Masshalten zu besinnen, hilft laut Pater Cyrill – er empfiehlt, im Kleinen zu beginnen und zu beobachten, was dabei mit einem passiert: «Bei den Jugendlichen wähle ich oft das Beispiel mit der Schokolade: Gehe nicht jeden Tag zum Kiosk. Und wenn du gehst, kaufe nicht drei Tafeln Schokolade, sondern eine. Wenn du sie aufmachst, geniesse sie. Aber iss nicht alles auf einmal, sondern setze dir ein Mass und freue dich daran.» Masshalten ist etwas, das man üben kann und auch regelmässig üben sollte, davon ist er überzeugt. Und wem es im Kleinen gelingt, dem fällt es auch bei grösseren Entscheidungen leichter. Ausweg aus dem Hamsterrad Zudem kann ein regelmässiger Tagesablauf hilfreich sein – auch ausserhalb der Klostermauern. «Das heisst nicht, dass man so wie wir jeden Abend exakt um 18.30 Uhr beim Essen sitzen muss.» Aber man könne versuchen, stets ungefähr zur gleichen Zeit ins Bett zu gehen und aufzustehen und das Aufwachen mit einem Moment des Innehaltens zu verbinden. «Ein kurzes Gebet sprechen, während man auf der Bettkante sitzt. Still sein und bewusst den ersten Gedanken Gott schenken.» Das schafft Verbindung und Sicherheit. Genauso wie eine Pause nach dem Mittagessen: «Tut man das regelmässig und verbindet das eine fest mit dem anderen, schafft man sich selbst leicht ein Raster», so Pater Cyrill. Die Regelmässigkeit hilft, die Ruhe zu bewahren – vor allem dann, wenn es drunter und drüber geht. «Vielleicht fällt man einmal aus dem Raster, doch das macht nichts. Denn dank der Routine findet man leicht wieder in die Balance und verliert sich nicht im Hamsterrad des Alltags.» ◆ «Halte ich die festen Zeiten ein, breitet sich Gelassenheit in mir aus.» Pater Cyrill Bürgi Pater Cyrill Bürgi Pater Cyrill Bürgi lebt seit 1995 im Kloster Einsiedeln. Als Schulseelsorger ist er stets für die Jugendlichen, für die Lehrpersonen sowie die Eltern präsent. Er unterrichtet zudem Religion, leitet Gottesdienste und freut sich darüber, besondere Projekte – etwa Wallfahrten, Tauf- oder Firmvorbereitungen und Sammelaktionen für die Partnerschule in Sambia – zu organisieren. «Und ich spiele mit Leidenschaft Fussball mit den Internatsschülern!»

salve 1/2025 Harmonie MOMENTUM Die Bronzeplastik «Der Reigen» von Hugo Imfeld (1916–1993) aus dem Jahr 1981 steht vor dem Eingang zur Propsteikirche St. Gerold. Sie symbolisiert die Verbundenheit und den Einklang von Menschen. Mutter und Kind halten sich an den Händen und tanzen in einem harmonischen Kreis. Die Balance der Bewegung spiegelt das Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen, zwischen Halten und Gehaltenwerden wider. 19

20 salve 1/2025 Wenn Melchior Eppenberger am Morgen aufsteht, wartet schon bald der erste Fixpunkt seines Tages auf ihn: das Frühstück in der Mensa. Der 17-Jährige ist Stiftsschüler und verbringt drei Nächte pro Woche im Internat. «Das ist so cool!», sagt er und man merkt ihm seine Begeisterung an. Er fügt hinzu: «Viele Leute haben ziemlich düstere Vorstellungen, wenn sie an ein Internat denken. Dass alles strikt und streng ist – aber das stimmt überhaupt nicht.» Melchior verbringt bereits das fünfte Jahr an der Stiftsschule Einsiedeln. Er lebt mit seiner Familie in Zollikon, aber auch das Internat wurde zu seinem Zuhause. «Klar, im ersten Jahr war es schon hart», erzählt er. «Da habe ich vor lauter Heimweh fast jeden Abend geweint.» Doch mittlerweile hat er sich so gut eingelebt, dass er am Wochenende manchmal gar keine Lust hat, nach Hause zu fahren. «Wenn ich eine richtig lässige Woche mit meinen Freunden hatte, würde ich gerne noch länger im Internat bleiben.» Aber oft sei er schon froh um die Pause, etwa nach einer anstrengenden Woche mit vielen Prüfungen – und vielleicht auch einmal einer schlechten Note. Dann freut er sich, seine Eltern und seine beiden Schwestern zu sehen. Im Winter hat das Wochenende eine spezielle Bedeutung: Melchior ist ein begeisterter Skifahrer und nutzt jede Gelegenheit, um auf die Piste zu gehen. Musik und schnelle Autos Er bewohnt ein Einzelzimmer, so wie alle knapp 50 Schülerinnen und Schüler im Internat. Auch wenn er sich manchmal vorstellt, dass es schön sein könnte, mit jemandem das Zimmer zu teilen, ist er froh um die Ruhe: «Ich liebe meine Kollegen, aber hin und wieder brauche in den Ausgleich zur Gemeinschaft. Dann mache ich gerne die Tür hinter mir zu.» Diese Zeit verbringt er mit Lesen, ist am Handy oder hört Musik – von Rap bis zu Klassik ist alles dabei. «Und ich habe eine Schwäche für schnelle Autos. Ich schaue mir darum oft auch Videos von speziellen Fahrzeugen an.» Das Wissen, dass die Gemeinschaft nur ein paar Schritte – im Gemeinschaftsraum, im Kraftraum oder in der Aufenthaltshalle, wo sich die Jugendlichen treffen –, aber nie weit weg ist, ergibt für ihn die richtige Balance zwischen Gemeinschaft und Einkehr. «Ich finde es cool, dass ich nach der Schule nicht mit meinen Kollegen abmachen muss, sondern dass wir zusammenleben und sie immer in meiner Nähe sind.» Sport zum Ausgleich Alle Schülerinnen und Schüler richten sich im Internat nach der gleichen Struktur: Frühstück, Unterricht, Mittagessen, Unterricht, Freizeit, Studium, Abendessen, Freizeit, Studium, Nachtruhe. Die jüngeren Schülerinnen und Schüler haben noch einige Regeln mehr, die älteren sind in vielem freier und doch: «Ich habe den Tagesablauf so verinnerlicht, dass ich sogar am Wochenende um 17.30 Uhr denke, ich müsste mich jetzt zum Lernen zurückziehen», erzählt Melchior. Auch wenn im Alltag viel Zeit für das Lernen eingeplant ist, kommt der Ausgleich nicht kurz. Er spielt jeden Donnerstagabend Volleyball: «Das ist mein Highlight der Woche!» Im Sommer geht er joggen und verbringt Zeit am See. Im Winter wird häufig im Gemeinschaftsraum Pingpong und Billard gespielt und beim Töggelen gejubelt. Bis um 22.45 Uhr auch für die älteren Jugendlichen die Nachtruhe gilt. Zwar würde Melchior manchmal gerne länger aufbleiben, doch die Regeln sind für ihn kein Problem. «Sie geben mir eine klare Struktur und damit fühle ich mich wohl.» Dennoch ist er nicht immer so diszipliniert, wie er es gerne wäre: «Manchmal verbringe ich mehr Zeit an meinem Handy, als ich eigentlich möchte. Aber das lerne ich noch!» Wand an Wand mit einem Freund Melchior fühlt sich im Internat aufgehoben. Das liegt einerseits an seinen Kollegen und Kolleginnen, mit denen er klassenübergreifend befreundet ist. Wie mit seinem besten Kollegen, der das Zimmer direkt neben ihm bewohnt. Er kommt aus dem Appenzell und besucht ein andere Klasse. «Durch das Internat wurden wir Freunde. Fühle ich mich doch einmal einsam, kann ich an die Wand klopfen und wenn ein Klopfen zurückkommt, weiss ich, dass er da ist, Im Gleichgewicht des Miteinanders EINBLICK Melchior Eppenberger besucht die Stiftsschule und das Internat in Einsiedeln. Für ihn ist es die perfekte Schule, die für die richtige Balance in seinem Leben sorgt.

21 salve 1/2025 «Viele Leute haben ziemlich düstere Vorstellungen, wenn sie an ein Internat denken. Dass alles strikt und streng ist – aber das stimmt überhaupt nicht. » Melchior Eppenberger und ich nicht allein bin.» Andererseits ist auch die Nähe zum Kloster für ihn im Alltag bedeutend. «Ich bin ein sehr gläubiger Mensch», erzählt er. «Das Kloster Einsiedeln ist ein eindrücklicher Ort und jedes Mal, wenn ich die Kirchenglocken höre, berührt mich der Klang sehr. Er erinnert mich daran, wo ich bin.» Es ist die Balance zwischen Spass mit seinen Freunden und Momenten der Einkehr, die das Leben in Einsiedeln für ihn ausmachen. Die Gespräche mit den Mönchen – manche nur ein kurzer Schwatz, andere angeregt, lang und tief – schätzt er sehr. Er besucht regelmässig die Messen und ist Ministrant. Er freue sich jedes Mal, wenn er an der Reihe sei. «Zu ministrieren ist etwas ganz Besonderes für mich», sagt Melchior. «Die Musik, der Gesang und die Tatsache, dass ich den Mönchen mit meinem Dienst eine Freude machen kann, geniesse ich.» Ein Blick in die Zukunft Manchmal spielt Melchior mit dem Gedanken, vielleicht selbst einmal Mönch zu werden. Oder Journalist: «Dann möchte ich am liebsten über Autos schreiben!» Zuerst konzentriert er sich aber auf die verbleibenden Schuljahre und darauf, diese Zeit mit der Matura abzuschliessen. Dann wartet das Militär. «Darauf freue ich mich und es ist dann wahrscheinlich auch an der Zeit, nach sieben Jahren an der Schule etwas Neues zu erleben», sagt er. «Aber ich weiss schon jetzt, dass mir die Schule und die spontanen, so be- reichernden Gespräche mit den Mönchen fehlen werden.» Aber bis es soweit ist, werden die Kirchenglocken noch unzählige Male schlagen und Melchior daran erinnern, wo er jetzt gerade ist. ◆ Melchior Eppenberger Melchior Eppenberger ist 17 Jahre alt und einer von rund 420 Jugendlichen an der Stiftsschule Einsiedeln. Drei Nächte pro Woche verbringt er im Internat. Es gäbe fast nichts, worauf er sich nicht jeden Tag freue, erzählt er. Und er wünsche sich, dass das Internatsleben einen besseren Ruf bekomme: «Es ist so cool hier. Ich versuche ständig, meine Freunde ausserhalb der Schule davon zu überzeugen, dass die Stiftsschule Einsiedeln die beste ist!» Lernen, Sport, Musik und Spiel prägen den Schulalltag – bis zur Matura wachsen Wissen, Freundschaften und spirituelle Verbundenheit.

23 salve 1/2025 Dank Mut und Offenheit zur seelischen Balance BEGLEITUNG In der Beichtkirche des Klosters Einsiedeln legen jeden Tag Gläubige mutig ihre Schattenseiten vor Gott offen. Dadurch erleben sie Heilung, können sich selbst neu begegnen und spüren Hoffnung. Wer die Beichtkirche des Klosters Einsiedeln betritt, steht vor sechs Marmorsäulen. Genauso wie das Gewölbe durch sie gestützt wird, sollen sich auch die Besuchenden getragen fühlen. «Die Beichtkirche ist ein besonderer Ort», so Pater Philipp Steiner. «Ein Ort, an dem sich Menschen öffnen und zu ihren Seiten stehen können, die weniger schön sind. Hier passieren Vergebung, Heilung und Neubeginn.» Pater Philipp ist Beichtvater und sitzt regelmässig in einem der Beichtstühle, die links und rechts neben den Säulen aufgereiht stehen. Die Verkleidung ist verschnörkelt und aus dunklem Holz geschaffen. «Das wirkt etwas altmodisch», sagt Pater Philipp. «Doch dahinter befinden sich überraschend helle und moderne Sprechzimmer.» Hingabe statt Pflicht Dort finden täglich Beichtgespräche statt, ohne Voranmeldung, auch anonym. Während die regelmässige Beichte früher Pflicht war, lastet darauf heute viel weniger Druck. Eine willkommene Entwicklung, findet Pater Philipp: «Für uns ist nicht entscheidend, wie viele Menschen beichten. Viel wichtiger ist, dass die Beichte aus einem echten Bedürfnis und nicht als lästige Aufgabe abgelegt wird.» Die Beichtväter öffnen den Besuchenden einen liebevollen Raum, sie nehmen sich Zeit und hören unvoreingenommen zu. «In der Beichte werden unsere lichtvollen und unsere dunklen Anteile vor Gott versöhnt», sagt Pater Philipp. Das Ablegen einer Last kann den Beichtenden helfen, in eine emotionale Balance zurückfinden. Der Beichtvater unterstützt auch mit konkreten Ratschlägen: «Ich speise die Menschen nicht mit einem frommen Spruch ab, ich will wirklich helfen.» Das gelingt oft, aber nicht immer. Selbst für den Beichtvater gibt es ratlose Momente: «Dann übergeben wir die Sorge gemeinsam Gott. Ich bete für die Person und trage die Last dadurch mit.» Manche Themen sind schwerer zu verdauen als andere. «Dennoch überwiegt stets die Bewunderung dafür, dass ein Mensch in dieser Situation den Mut aufbringt und sich Gott öffnet», erzählt er. «Nie würde ich jemanden verurteilen.» Ihn selbst bringen die vorgebrachten Beichten nicht aus dem Gleichgewicht, er sei diesbezüglich gesegnet: «Ich bin emphatisch, kann das Gehörte aber auch wieder loslassen.» Beichte verlangt Mut Busse gibt Pater Philipp nicht in Form von vielen Gebeten auf. Manchmal ermutigt er aber die Beichtenden, einer geschädigten Person besonders viel Liebe zu zeigen oder sich für einen Moment der Stille in die Krypta zu setzen und sich von Jesus anblicken zu lassen. «Die grösste Arbeit passiert ohnehin vor der Beichte. Wenn sich jemand mit seinem Verhalten auseinandersetzt und die Entscheidung trifft, das Ungewollte vor Gott auszubreiten.» Das braucht Mut, weiss der Pater, und sieht in Einsiedeln als Wallfahrtsort eine besondere Chance: «Es ist schwerer, im eigenen Dorf zum Pfarrer zu gehen, als hier anonym zu beichten.» Er selbst geht stets mit einem guten Gefühl aus der Beichtzeit. «Ich blicke zwar gelegentlich in menschliche Abgründe, sehe aber auch viel Wunderbares.» Beichtvater sein – eine grosse Aufgabe Darauf freut sich Frater Meinrad Hötzel, angehender Beichtvater: «Erfahrene Priester berichten, wie erfüllend das Beichthören für sie ist. Weil sie spüren, dass Gott durch sie handelt, und sie erleben, dass die Beichtenden Heilung und Glück erfahren.» Nach seiner Priesterweihe im Juni wird er selbst im Beichtstuhl sitzen. Ihm ist bewusst, dass diese Aufgabe ihm einiges abverlangen wird: «Menschen teilen ihre Fehler und Sorgen und sind dadurch verwundbar. Ein Beichtvater braucht Einfühlungsvermögen,

24 salve 1/2025 Wertschätzung und Zurückhaltung.» Davor hat er zwar Respekt, aber «ich vertraue gleichzeitig darauf, dass ich Gottes Handeln geschehen lassen kann.» Seit dem Abschluss des Theologiestudiums bereitet sich Frater Meinrad in seinem Pastoraljahr auch auf die Seelsorge vor. Dazu gehören mitunter ein Beichtseminar und mehrere Kurse zur Gesprächsseelsorge. In der Seelsorge passiere oft auch Heilung, doch: «Vergebung ist das, was exklusiv in der Beichte zugesprochen wird», erklärt Frater Meinrad. Oft findet deshalb im Anschluss an ein Seelsorgegespräch eine Beichte statt. Denn: «Die Menschen haben eine tiefe Sehnsucht nach Vergebung.» ◆ Pater Philipp Steiner Pater Philipp Steiner lebt seit 2007 als Mönch im Kloster Einsiedeln. Er ist für den Wallfahrtsbetrieb und die Klosterkirche verantwortlich sowie regelmässig als Beichtvater im Einsatz. Frater Meinrad Hötzel Frater Meinrad Hötzel ist Mönch im Kloster Einsiedeln. Er hat sein Theologiestudium abgeschlossen und wird im Juni 2025 zum Priester geweiht. Dann wird er als Beichtvater tätig sein können. «In der Beichte werden unsere lichtvollen und unsere dunkeln Anteile vor Gott versöhnt.» Pater Philipp Steiner Papst Franziskus eröffnet das Heilige Jahr 2025 und durchschreitet die Heilige Pforte im Petersdom am 24. Dezember 2024. Das Heilige Jahr 2025 Pilger der Hoffnung Das Heilige Jahr 2025 ist ein sogenanntes ordentliches Heiliges Jahr, wie es seit Jahrhunderten alle 25 Jahre stattfindet. Heuer steht es unter dem Leitwort «Pilger der Hoffnung». Papst Franziskus hatte in Vorbereitung auf dieses Jubiläum zu Solidarität und Achtsamkeit aufgerufen. Das Heilige Jahr regt Gläubige weltweit an, innezuhalten, sich auf den Glauben zu besinnen und sich mit Themen wie Versöhnung, Solidarität und Umkehr auseinanderzusetzen und ihre Beziehung zu Gott und den Mitmenschen zu vertiefen. Ein fester Bestandteil des Heiligen Jahres ist die traditionelle Pilgerfahrt nach Rom und das Durchschreiten der Heiligen Pforte als symbolischer Akt der Erneuerung. Auch die Beichte ist Teil dieses besonderen Jahres. Doch die Beichte sowie die Vertiefung des Glaubens und der Beziehung zu Jesus Christus können nicht nur in Rom passieren. In der Schweiz gibt es zahlreiche Veranstaltungen und auch das Kloster Einsiedeln lädt zur Wallfahrt ein. Alle Veranstaltungen des Klosters Einsiedeln rund um das Heilige Jahr finden sich hier: www.heiligesjahr.ch

MOMENTUM 25 Ausgleich Bei der Komplet versammelt sich die Gemeinschaft am Abend zum letzten Gebet. Der Tag wird in Einklang mit dem Glauben beendet. Das Gebet symbolisiert die Balance zwischen Arbeit und Innehalten.

26 salve 1/2025 Im Innersten des Klosters Fahr, in der Klausur, finden die Nonnen Stille und Rückzug. Aber nicht nur das: Dort schlägt auch das Herz des Handwerks, nämlich in der Paramentenwerkstatt. Die Weberei und das Nähatelier sind stille, gleichzeitig aber auch bunte und geschäftige Orte. Auf den Regalen reihen sich farbige Fäden auf Spulen, wie ein nie verschwindender Regenbogen. An Webstühlen werden Garne verarbeitet, Stoffmuster und bereits gefertigte Stoffe liegen ausgebreitet auf den Tischen – manche mit Stecknadeln versehen bereit für die Näharbeit. Fertige Stücke hängen an Bügeln, andere werden für die Auslieferung sorgfältig verpackt. Drei Schwestern und vier externe Angestellte erschaffen hier grosse und kleine Kunstwerke. «Grafische Muster, ein gradliniger, schlichter und dadurch sehr zeitloser Stil», beschreibt Zoe Wüst die typischen Fahrer Paramente. Sie leitet die Werkstatt und fügt nicht ohne Stolz an: «Was hier entsteht, wird aus hochwertigen Materialen geschaffen und edel verarbeitet.» Fünf Arbeitstage für ein Gewand Wie ein fertiges Gewand oder eine Priester-Stola am Ende aussieht, ist individuell: «Jeder Auftrag ist einzigartig und wird auf Wunsch der Kundschaft erfüllt: Farbe, Muster und Grösse können ausgewählt werden.» Immer im Einklang mit den Farben, die der Liturgie entsprechend eingesetzt werden: violett im Advent und zur Fastenzeit; weiss und gelb zu Ostern und Weihnachten; rot zu Pfingsten und grün zu festfreien Zeiten. Bis ein Gewand getragen oder ein Altartuch bei einer Messe zum Einsatz kommt, vergehen viele Stunden. «In einem handgewobenen Messgewand stecken fünf volle Arbeitstage», erzählt die Werkstattleiterin. Für das Weben des Stoffes werden dreieinhalb Tage gebraucht, ein halber Tag für das sogenannte Ausrüsten, also das Veredeln des Stoffes. Ein weiterer Tag wird für das Zuschneiden und die Näharbeit aufgewendet. Eingearbeitete Gebete Jeder Schritt ist Handarbeit: Die Fäden, die für das Weben vorbereitet werden, wandern während der Arbeitsschritte Eine harmonische Mischung AUSFLUG Die Paramente des Klosters Fahr vereinen leuchtende Farben mit dezentem Stil. In der Paramentenwerkstatt des Klosters Fahr werden seit mehr als 70 Jahren sakrale Textilien in Handarbeit geschaffen. Doch die Zeit bleibt hier nicht stehen: Handy-Etuis gehören ebenfalls zum Sortiment.

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