
P. Pascal Meyerhans am 20. Sonntag im Jahreskreis 2023
In unserm Kloster ist ein Anschlagebrett für Gebetsanliegen. Wir sollen für das und jenes beten, damit etwas eine gute Wendung nimmt. Wir alle wissen, wie das oft wie bei einer Lotterie aussieht: die einen Anliegen werden erhört, die andern eben nicht. Manchmal ist unser Gebetseinsatz auch weniger als minimal. Leider.
Haben Sie den Ablauf im Evangelium noch in Erinnerung? Da ist eine Frau, die für ihre kranke Tochter bittet. Da ist Jesus, der auf die Bitte der Frau nicht eingeht. Da sind die Jünger, die ihren Meister umzustimmen versuchen, damit die Frau endlich Ruhe gibt. Und diese Frau gibt keine Ruhe. Sie ist hartnäckig, setzt sich durch. Sie ist sogar clever, intelligent, weiss wie es anstellen. Darauf gibt Jesus nach. Er lobt ihren Glauben.
Also kommt es doch darauf an, wie geschickt jemand ist, um zum Ziel zu kommen?
Kürzlich hat mir ein aufgestellter, froh wirkender Mann, der aber wegen seiner Kinderlähmung an den Rollstuhl gebunden ist, gesagt, er hätte sicher mindestens 50’000 Gebete wegen seiner Behinderung an Gott gerichtet, um davon befreit zu werden. Er sei aber nicht erhört worden. Eigenartig für mich war: er hat gar nicht gehadert – er wirkte auf mich und andere aufgestellt, zufrieden, sogar lustig. Vermutlich konnte er das tragen – bereits seit 50 Jahren.
Ein anderes Beispiel. Vor etwa 20 Jahren durfte ich im Kloster Uznach Exerzitien predigen. Bei einem Gespräch hat mir Bruder Leo, der in Lourdes von einer ganz schlimmen Krankheit geheilt wurde, erzählt, wie das alles gegangen ist. Er hatte eigentlich gar nichts dazu beigetragen, ausser, dass er auf die Bitte des damaligen Priors eingewilligt hat, mit dem Krankenzug nach Lourdes zu fahren. Dort ist das Wunder plötzlich, in einer Sekunde geschehen: totkrank – gesund, und zwar total gesund. Man kann das alles heute noch in einem Büchlein nachlesen oder im Internet in einem Interview mit Bruder Leo erfahren. Höchst spannend auf jeden Fall.
Zwei Beispiele, beide so verschieden. Also doch eine Lotterie? Warum ist der eine geheilt, der andere nicht? Ist der eine cleverer gewesen als der andere, der eine hartnäckiger im Bitten als der andere – so wie bei der Frau im Evangelium, die einfach frech aufs Ganze ging, was allem Anschein nach Jesus Eindruck gemacht hat? Eine zufriedenstellende Antwort kann ich Ihnen nicht geben. Ist bei jedem Mensch wieder anders.
Was bei Gott zählt, weiss ich nicht. Nur das kann ich sagen: wir alle, ausnahmslos, sind noch nicht am Ende. Jemand hat zu Bruder Leo gesagt: Das, was du in Lourdes erlebt hast, ist eine ausserordentliche Gnade, es ist aber noch kein gratis Eintrittbillett in den Himmel. Für uns Christen, für alle gibt es noch etwas Anderes als Heilung auf dieser Welt, nämlich, was Jesus bei der Frau von Kanaan gelobt hat, etwas viel Wichtigeres, was am Ende zählt: nämlich die Möglichkeit des Glaubens.
Wie immer unser Leben verläuft – mit Wundern können die Wenigsten rechnen – auf eines kommt es aber an: auf den Glauben und dass ich diesem Glauben treu bleibe. Dieser Glaube ermöglicht jedem, wer er auch sei, am Ende des Lebens ein unerhört grossartiges Geschenk: die Auferstehung, die Liebe Gottes, das ewige Leben. Und auf das kommt es an.