P. Alois Kurmann am 13. Sonntag im Jahreskreis 2023

02.07.2023

Am 2. Juli 2023 feierten wir die „Sekundiz“, den fünfzigsten Jahrestag von Priesterweihe und Primiz, unseres Mitbruders Pater Georg Liebich. Es ist bei uns Brauch, dass der Jubilar einen Mitbruder als „Festprediger“ bestimmt. P. Georg hat dazu P. Alois bestimmt, dessen Predigt wir hier wiedergeben:

Im Jahr vor meiner Matura, also vor 60 Jahren hat der Leiter unseres Internates, P. Rupert Ruhstaller, uns von Zeit zu Zeit am Abend zusammengerufen und uns einen Abschnitt aus der Bibel erklärt. Einige Male hat er über den Römerbrief des Apostels Paulus gesprochen, aus dem wir heute einen Abschnitt als Lösung gehört haben. Als ich ein Jahr darauf ins Kloster eigetreten bin, erinnerte ich mich an diese Abende und nahm mir vor, jeden Tag einen Abschnitt aus dem Römerbrief zu lesen. Doch ich habe nicht lange durchgehalten; der Text war zu schwierig, ich habe ihn nicht verstanden. Später, im Theologiestudium, hatte ich in Rom bei einem Paulusspezialisten eine Vorlesung über den Römerbrief;  dabei wurde auch der berühmte Kommentar zum Römerbrief des protestan-tischen Pfarrers Karl Barth verwendet. Und heute haben wir aus diesem Brief einen Abschnitt aus den 6. Kapitel gehört, und ich möchte versuchen, den schwierigen Text etwas zu erklären, denn Erklärung der Heiligen Schrift ist ja seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil in den Jahren 1962-1965 eine der wichtigen Aufgaben von uns Priestern, Diakonen, Gemeindeleiterinnen und Gemeindeleitern.

Paulus hat den Brief an die Römer um das Jahr 55 nach Christus geschrieben, also vor bald 2000 Jahren. Im 6. Kapitel, aus dem der heutige Text stammt, spricht Paulus über die Taufe. Getauft wurden in diesen Jahren in Rom nicht Kinder, sondern erwachsene Frauen und Männer, die sich zum Glauben an Christus bekehrten. Die Taufe, so legte es Paulus dar, ist eine symbolische Handlung. Sie symbolisiert den Tod, die Grablegung und die Auferstehung, und wird durch Untertauchen in ein Wasserbassin vollzogen. Das Untertauchen stellt den Tod und die Grablegung Jesu Christi dar, aber auch den Tod des natürlichen Menschen, so sagt es Paulus im heutigen Text. Es ist ein Sterben mit Christus. Wenn der Menschen dann aus dem Wasser auftaucht, ist er mit Christus vom Tod auferstanden. Wer so durch Untertauchen mit Christus stirbt und durch das Auftauchen mit ihm neues Leben geschenkt bekommt, der ist, so sagt Paulus, für die Sünde tot, lebt aber in Christus zur Ehre Gottes. Später hat die Kirche den Ritus der Taufe geändert, so wie wir ihn heute kennen, und in unserer Gegend werden meistens Kinder getauft. Aber der Sinn, die Wirkung der Taufe ist immer, dass ein Mensch in die Liebe, in die Gemeinschaft mit Christus aufgenommen wird und in dieser Liebesgemeinschaft lebt.

Nach der Lesung haben wir einen Abschnitt aus dem Matthäusevangelium gehört. Von diesem Text werden also wir, die wir getauft sind, angesprochen.

Es sind ernste, gewichtige Worte. Die Liebe zu Vater und Mutter, zu Sohn oder Tochter, sagt der Text, ist nicht das Grösste, sondern die Liebe zu Jesus ist das Grösste. Selbstverständlich wird damit die Liebe zu Menschen nicht abgewertet, sondern in die richtige Beziehung zur Liebe zu Gott gesetzt. Ebenso ernst ist das Wort, dass Getaufte das Kreuz Christi tragen müssen und dass sie unter Umständen um des Glaubens willen getötet werden. Sehr wichtig ist aber auch, dass wir durch die Sorge für Arme und Verfolgte Gott in uns haben, und dass auch ein kleiner Dienst an einem Menschen von Gott anerkannt und belohnt wird.

Liebe Schwestern und Brüder! Diese zwei Texte, über die wir kurz nachgedacht haben, werden uns heute geschenkt, wo wir das 50-jährige Priestertum von P. Georg feiern dürfen. Doch diese Texte stehen nicht wegen und keineswegs nur für uns Priester in der Bibel. Sie alle werden durch diese Texte angesprochen, Ihnen allen wird die Kraft, die Bedeutung, das Geschenk Ihrer Taufe erklärt, Sie alle werden ermutigt und gestärkt, damit Sie mit ihrer Liebeskraft die Liebe Gottes unter uns wirken lassen. Dass gerade diese Texte uns am heutigen Festtag zugesprochen werden, wollen wir mit grosser Dankbarkeit und mit ebenso grossem Ernst hören. Sie sind Geschenk und Verpflichtung, Verpflichtung für uns, für unsere Kirche. Wir alle, wir Glieder unserer Kirche, ob Priester, Diakone, Gemeindeleiterinnen, Gemeindeleiter, und hoffentlich auch bald einmal Diakoninnen und Priesterinnen, wir alle haben eine grosse , wunderbare  Aufgabe und Verpflichtung: wir müssen dafür sorgen, darum kämpfen, darum beten, dass unserer Kirche nie die Männer und Frauen fehlen, die die biblischen Texte auslegen, uns helfen, diese Texte zu verstehen, aus ihnen Kraft und Hoffnung zu schöpfen, die uns ermöglichen, Gottesdienste zu feiern, im heiligen Brot Jesu Leib in uns aufzunehmen.

Darum ist das heutige Fest nicht nur ein freudiger Dank, sondern auch eine grosse Bitte, dass Gott auch auf neuen Wegen unserer Kirche neue Kraft gibt.