Die Predigten am Triduum Paschale 2023

10.04.2023

Hier stellen wir Ihnen die Predigten vom Hohen Donnerstag, vom Karfreitag, von der Osternacht, vom Ostersonntag und vom Ostermontag vor: Ein bunter Strauss von wertvollen Gedanken aus der Feder von Abt Urban, P. Gerhard, P. Jean-Sébastien und P. Thomas. Für Sie zum Nachlesen!

 

Predigt von Abt Urban Federer am Hohen Donnerstag

Liebe Schwestern und Brüder

Das war kein gemütliches Mahl, das letzte Abendmahl. Beim ältesten Bericht über dieses Mahl im ersten Brief an die Gemeinde in Korinth scheint dieser Umstand nicht durch. Dort hat der hl. Paulus ein Ziel: zu sagen, was er uns weitergeben möchte, wie es die Worte über Brot und Kelch sagen: Das ist mein Leib für euch. Das ist der neue Bund in meinem Blut.

Anders das Evangelium nach Johannes. Hier spüren wir, wovon der ganze Abend vor allem geprägt war: von der Angst. Das Mahl fand im Verborgenen statt – in der Angst, aufzufliegen bei denen, die Jesus umbringen wollten. Die Teilnehmenden müssen während des ganzen Anlasses gespürt haben: «Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war.» Da war also vor allem auch die Angst vor dem Ungewissen, was kommt. Und Untreue und Verlogenheit waren nicht etwa nur ausserhalb des Saales zu finden, sondern mitten unter den Aposteln. Da war darum die Angst vor dem Verrat, vor den anderen im engsten Freundeskreis, denen doch nicht wirklich vertraut werden konnte. Und dazu kam die Angst, die vor allem Menschen kennen, die eine Zeitenwende erfahren: Wenn Werte umgekehrt werden. Warum musste jetzt der Meister allen die Füsse waschen? War das nicht ein Dienst der Knechte, der Sklaven? Waren diese nicht dafür da, bei der Ankunft Füsse vom Schmutz zu reinigen? Von dieser Angst spricht das Gefasel von Petrus mit seinem «dann nicht nur meine Füsse, sondern auch die Hände und das Haupt». Eigentlich weiss er in dieser ungewissen Situation einfach nicht, was er sagen soll.

Passt die Angst zu uns Christinnen und Christen? Hat nicht Friedrich Nietzsche einmal über uns gesagt: «Die Christen müssten mir erlöster aussehen?» Nietzsche wusste nur zu gut, dass jeder Mensch zuerst einmal auch von der Angst getrieben wird. Es gibt die Angst vor dem Bekannten, die Angst, die ein Gesicht, einen Namen hat. Solche Personen und Situationen umgehen wir am liebsten. Es kann uns aber auch eine unbestimmte Angst befallen. Eine, die uns beim Aufstehen daran hindert, mutig in den Tag zu gehen und die uns am Abend keinen Schlaf finden oder in der Nacht aufwachen lässt. Eine Angst, die uns lähmt, weil ein dumpfes Gefühl uns sagt: Ich weiss nicht, wie es weiter geht. Und machen wir uns nichts vor: Diese Angst hat letztlich mit unserem Tod zu tun. Mit diesem Zeitpunkt, der für uns alle kommen wird und den wir definitiv nicht mehr auf die Seite schieben können. Es ist diese Angst vor dem letzten Loslassen, vor dem Sterben, die das letzte Abendmahl begleitet. Die Jünger denken an sich selbst – «Niemals sollst du mir die Füsse waschen!» –, dabei möchte ihr Herr und Meister sich ihnen so kurz vor dem Tod von seinem innersten Wesen her zeigen.

Meine Lieben, das Abendmahl ist nicht nur von der Angst geprägt, sondern auch vom Versuch Jesu, den Seinen alles mitzugeben, was er zu geben hat: Er liebte sie «bis zur Vollendung», heisst es im Evangelium. Und: «Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füsse gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füsse waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe.» Christus gibt sich nicht einfach in Brot und Wein, damit wir unseren Seelenfrieden haben und unsere Angst verdrängen können. Vielmehr kommt er mit seiner Gegenwart in unsere Angst hinein. Er führt uns in unserer Angst. Wir sollen wie Gott werden: liebender. Und wir sollen diese Liebe weitergeben. Die eigenen Ängste zu verdrängen, bringt uns nicht weiter. Die Angst führt uns vielmehr zu dem, was wir in diesen Tagen feiern: zu Sterben und Tod. Christliches Feiern macht diese Angst zum Mittelpunkt des Geschehens. Wir verbinden uns mit der Angst Christi, der nach dem Lukas-Evangelium Blut geschwitzt hat aus Angst. Christliches Feiern lässt uns aber eben nicht bei der Angst stehen. Wir dürfen uns konkret in die Nachfolge Christi begeben, uns verwandeln lassen, und so etwas aus unserer Angst machen.

Ubi caritas et amor, Deus ibi est – «Wo Liebe ist und Güte, da wohnt Gott», werden wir während der Fusswaschung singen. Wenn ich heute einzig meinen Mitbrüdern die Füsse waschen, dann ist das ein Auftrag auch innerhalb unserer Gemeinschaft: Nicht in der Angst zu verharren, sondern einander die Liebe Christi weiterzugeben, den Mut zum Dienst zu haben, damit Versöhnung unser Leben bestimmen kann. Nicht die Verdrängung der Angst, sondern die Angleichung an die Hingabe, die Christus uns vorlebt, lässt uns erlöst leben. Amen.

 

Predigt von P. Jean-Sébastien Charrière am Karfreitag

CRUX SACRA SIT MIHI LUX – Vielleicht kennen Sie, liebe Schwestern und Brüder, diesen Satz auf der Benediktusmedaille: «Crux Sacra Sit Mihi Lux / Möge das heilige Kreuz mein Licht sein».

Das Zeichen des Kreuzes ist allgegenwärtig in unseren Glauben. Taufbrunnen wurden in der Urkirche oft in Kreuzform gebaut und sie ist auch die traditionelle Bauform der Kirchen. Vor dem Gebet oder bevor wir das Evangelium hören, bezeichnen wir uns mit einem Kreuz. Auch segnen tun wir durch ein Kreuzzeichnen. Die Urhaltung des Gebetes, die sogenannte «Oranten-Haltung», die während des «Vaterunsers» oder am Altar mit erhobenen Armen eingenommen wird, drückt aus, dass wir mit Christus gekreuzigt sind. Und nicht selten tragen wir ein kleines Kreuz um den Hals. Dies sind nur ein paar wenige Beispiele vom Kreuzzeichen in unserem Glaubensalltag.

Aber wie können wir ein so schreckliches Zeichen, ja ein Folter- und Todesinstrument als Licht annehmen und verehren? Ja, oft hören wir, dass das Kreuz uns erlöst hat. Aber können Ungerechtigkeit, Leid und Tod, die am Kreuz Christi geschehen sind, uns erlösen? Nein. Leid und Tod sind Früchte der Trennung Gottes und können nicht retten. In diesem Sinne haben das Leid und der Tod Christi allein niemals jemanden gerettet.

Nur die Liebe heilt und rettet! Eine Liebe, die bereit ist, für andere das Leiden auf sich zu nehmen. Eine Liebe, die bereit ist, für andere das Leben, das Kostbarste, zu schenken. „Es gibt keine grössere Liebe, als wenn einer sein Leben gibt für die Freunde“ (Joh 15,13), lehrt uns Jesus im Johannes-Evangelium. Er verkündet auch im Lukas-Evangelium die Kraft der Liebe, indem er über die Sünderin sagt: «Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel geliebt» (Lukas 7,47).

Die grenzenlose Liebe Gottes, die ihn bis zur Hingabe am Kreuz führte, hat uns erlöst. Dort betet er sogar für seine Peinigern: «Vater, vergib ihnen, sie wissen nicht, was sie tun!» (Lukas 23,34). So hat Jesus das zerstörerische Todeszeichen des Kreuzes in ein Zeichen der vollkommenen Liebe verwandelt. Die Liebe ist das, was Sinn, Kraft, Heil und Ziel gibt.

Nicht weil wir asketisch leben, weil wir verzichten, leiden oder sogar sterben, werden wir von Gott geliebt, sondern weil wir von Gott geliebt sind, haben wir die Kraft, die Schwierigkeiten des Lebens besser zu ertragen und uns auf das Wesentlichen zu konzentrieren und zu teilen.

Liebe Schwestern und Brüder

In der Passion und im Tod Christi, in seinem Kreuz, verehren wir nicht den Tod und das Leiden, sondern die unendliche Liebe Gottes die dahintersteht. In dieser Liebe, die uns bis zur Vollendung geliebt hat (Joh 13,1c), finden wir Kraft und Sinn. Aus dieser Quelle sind wir berufen zu schöpfen, um unser Leben und so auch die Welt zu verwandeln. Das folgende Wort fasst das Geheimnis des Kreuzes zusammen: «Weil die Liebe mich liebt, werde ich Liebe». Amen.

 

Predigt von Abt Urban Federer in der Osternacht

Wer gestern an der Karfreitagsliturgie teilgenommen hat, hat gesehen, wie ich neben den Schuhen stand! Ja wörtlich, denn aus Ehrfurcht vor dem Kreuz zog ich die Schuhe aus. Liebe Schwestern und Brüder, auch im heutigen Evangelium stehen verschiedene Menschen neben den Schuhen: Da sind die beiden Marien. Was sie erwarten, ist ein Grab als Ort der Trauer und des Abschiednehmens. Was sie dort erwartet, könnte verfilmt werden: mit Erdbeben, super Kräften, die Felsbrocken wegschieben, mit Blitz und mit Schnee. Und die Wächter, die sind sowieso neben den Schuhen: Sie sind plötzlich nicht mehr als Lebende am Bewachen eines Toten, sondern wirken selbst wie tot, während der Tote leben soll. Und dann nochmals die beiden Frauen, die nicht ganz sich selbst sind: Sie verlassen das Grab voll «Furcht und Freude» – ein Gefühlsdurcheinander als Hinweis darauf, dass sie tatsächlich neben den Schuhen stehen.

Ostern kennt zwar eine klare Botschaft: Fürchtet euch nicht! Jesus, der Gekreuzigte, ist von den Toten auferstanden! Doch trifft diese Botschaft auch heute auf Menschen, die oft neben den Schuhen stehen. Was heisst Ostern jetzt für mich? Fühlte ich mich nicht besser abgeholt, als wir am Donnerstag über die Angst nachdachten und gestern über die Liebe am Kreuz? Was, wenn ich auch an Ostern voll neben den Schuhen stehe, weil meine Ängste nicht weg sind, auch nicht meine Überforderung? Wozu habe ich eigentlich am Ende des Exultet, des Osterlobs der Kirche vor der Osterkerze, «Amen» gesungen? P. Philipp hat darin verkündet: «O glückliche Schuld, welch grossen Erlöser hast du gefunden!» Mit anderen Worten: Gut, steht der Menschen manchmal neben den Schuhen. Das hat die Liebe des Vaters angezogen, der seinen Sohn sandte, um uns wieder Boden unter den Füssen zu geben. Unser «Amen» drückte also unsere Hoffnung aus, dass Glaubende in der Erlösung leben, auch wo wir völlig neben den Schuhen stehen.

Doch was ist «Erlösung»? Ostern meint sicher einmal die endgültige Erlösung vom Tod, in der unser Leben zur Auferstehung unseres Fleisches kommt, in der alles Leben sein Ziel und seinen Sinn erhält, was uns als Glaubende nicht verzweifeln, sondern hoffen lässt. Ostern meint aber auch den Alltag, den wir aus der Erlösung leben können. Da probt ein Chor monatelang neue Antwortgesänge und ein Gloria für diese Feier. Und die Chormitglieder denken: Wenn nur Lukas Meister als Dirigent im Griff hat, dass die einen Triolen singen sollten und eine andere Stimme um das verschoben singt, was die anderen sicher drausbringt…! Und so ist die Freude beim Proben beschränkt, die meisten stehen neben den Schuhen und denken: Schaffen wir das? Ich kann gut lachen: Zuerst mitproben und dann nicht mitsingen! Darum kann ich jetzt aber auch sagen: Der Chor sitzt nun erlöst in den Bänken und hat es geschafft – und das noch gut! Und die Triolen sind zu einem Sprechfluss geworden, wie sie der Komponist P. Theo haben wollte. Zwar standen wir als Chor oft neben den Schuhen, doch das Durchbeissen hat sich gelohnt: Die Osternacht steht mit einem neuen Osterlob da, das alle Mitfeiernden einschliesst! Der Chor ist von der Anspannung erlöst und hat dabei Musik erschaffen, die uns anderen mitsingen und uns mitten im Alltag erlöster atmen lässt! Auch das ist Erlösung.

Schaffen wird das? Das, meine Lieben, ist die Frage, wenn wir neben den Schuhen stehen. Der hl. Paulus hat uns in der Lesung ermutigt, als Getaufte «in der Wirklichkeit des neuen Lebens» zu wandeln, unseren Alltag also durch den Oster-Glauben prägen zu lassen. Ostern ist nicht die Auf-Lösung all unserer Probleme, sondern die Er-Lösung von unserer Bodenlosigkeit, damit wir wieder Tritt fassen und uns durchbeissen können. Wer glaubt, dass der Tod letztlich keine Macht über uns hat, wie Paulus in der Lesung ebenfalls sagt, fühlt sich im Letzten angenommen, geliebt und darum sogar im Scheitern nicht verlassen. Der verstorbene Papst Benedikt XVI. hat dazu die Überzeugung geprägt: «Wer glaubt, ist nie allein.»

«O glückliche Schuld, welch grossen Erlöser hast du gefunden!» Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir sogar an Ostern neben den Schuhen stehen, ist dies nicht neu, so erging es auch den Frauen am Grab. Und doch heisst es von ihnen: «Sogleich verliessen sie das Grab voll Furcht und grosser Freude und sie eilten zu seinen Jüngern, um ihnen die Botschaft zu verkünden.» Vielleicht fanden sie gar nicht mehr in die Schuhe zurück und rannten barfuss los: Sie rannten, und fürchteten sich, und freuten sich und gaben weiter: Wir leben auch ausserhalb unserer Schuhe als Erlöste! Und die beiden Frauen rufen auch heute jeder und jedem einzelnen von uns zu: Fürchte dich nicht! Wer glaubt, ist nie allein! Amen.

 

Predigt von P. Thomas Fässler am Ostersonntag

Es drücken schwere finanzielle Sorgen. Die Gemeinschaft wird seit Langem immer kleiner. Kaum mehr Nachwuchs in den letzten Jahren. Kurzum: Ums Kloster Einsiedeln stehts schlecht. Die meisten gehen nicht davon aus, dass es überleben wird. Am Schluss besteht es aus gerade mal noch einem einzigen Mönch, dem Abt. Und der ist mit seinen 86 Jahren auch nicht mehr der Jüngste. Wir befinden uns im Jahre 1526. Was tun in dieser ausweglos scheinenden Situation? Resignieren? Lamentieren? Schuldige suchen und anklagen? Analysieren und Kommissionen einsetzen? Weit gefehlt! Spontanes Handeln wird an den Tag gelegt. Wie ein Blitz schalten sich die Schwyzer ein. Sie reisen nach St. Gallen und erbitten sich vom Abt des dortigen Klosters einen Mönch als neuen Abt von Einsiedeln. Das war am 8. August, eben 1526. Am 10. August verlässt der besagte Mönch – Ludwig Blarer – all das bisher Gewohnte, all das, woran er gerade noch gearbeitet hatte, und reitet los Richtung Einsiedeln. Kaum angekommen, wird er hier am 14. August feierlich als Abt eingesetzt. Eine Woche davor hätte sich Abt Ludwig nicht träumen können, wo und wer er wenige Tage später sein würde. Diese Spontaneität fasziniert mich. Wohl auch deshalb, weil sie so überhaupt nicht meinem eigenen Naturell entspricht.

Auch Gott, liebe Schwestern und Brüder, liebt unerwartete Wendungen. So gehören «heute» und «jetzt» zu den wichtigsten Begriffen der Heiligen Schrift, scheinen in vielen wichtigen Schlüsselsituationen der Bibel auf. Und Christus liebt spontane Menschen. Mitten in ihrem Alltag, bei ihrer Arbeit geht er auf Menschen zu und ruft: «Kommt, folgt mir!» Er drückt ihnen nicht ein paar schön gestaltete Flyer in die Hände und meint: «Kommt doch mal vorbei, morgen oder übermorgen – falls euch bis dahin nicht noch ein besseres Angebot über den Weg gelaufen ist!» Nein, er fordert sie zu einer Entscheidung heraus: Ich lege euch eine unglaubliche Chance vor. Packt sie am Schopf, hier und jetzt. Und tatsächlich: Die Männer lassen einfach alles stehen und liegen. Für uns unvorstellbar. Und gerade weil wir uns eine solche Spontaneität kaum vorstellen können, projizieren wir gerne unser eigenes Denken in diese Situation hinein und meinen: «Naja, da wird wohl schon ein längerer Prozess vorausgegangen sein. Wäre ja auch völlig irrational, völlig unverantwortlich so zu handeln.» Noch vor ein paar Jahren habe auch ich so gedacht. Heute aber nicht mehr. Denn wieso soll es nicht tatsächlich so geschehen sein?

Gott liebt spontane Menschen, die ohne Umschweife ihr Leben von heute auf morgen völlig nach ihm umkrempeln: «He Zachäus, komm da von diesem Baum runter – heute muss ich zu dir kommen.» Heute, das heisst hier und jetzt. Und Zachäus? «Ich will ein völlig neuer Mensch werden, will damit aufhören, Menschen auszubeuten, will meine alten Fahrwasser verlassen». Welch ein Mut, welch eine Kraft! Da gibt es keinen Fünf-Jahres-Plan mit vielen kleinen Zwischenschritten. Christus streckt seine Hand aus, um Welten zu verändern. Kein zaghaftes «ja, vielleicht», kein «ich würde das aber gerne nochmals überschlafen, zumindest Vater und Mutter ‘Lebwohl’ sagen». Sich Sorgen um das Morgen machen? Aber nicht mit Christus. Alles auf eine Karte setzen, um alles zu gewinnen.

Doch Christus provoziert nicht nur spontane, radikale Umbrüche – ihm widerfahren solche auch. Denken wir daran, was in den letzten Tagen alles geschehen ist. Am Donnerstagabend kommt er mit seinen engsten Freunden zu einem Fest zusammen. Dazu haben sie es sich im Obergemacht eines Hauses gemütlich gemacht, wo sie nun bei Speis und Trank liegen. Herrliche Düfte liegen in der Nase. Sein Lieblingsjünger lehnt sich an ihn. Glücklich sind sie. Und in dieser trauten Atmosphäre ist es so weit. Lange hat Christus auf diesen Moment gewartet, in dem er ihnen das schenken will, was ihm so sehr am Herzen liegt. Es ist der Höhepunkt seines Weges auf Erden: «Schaut her, hier in diesem Brot bin ich Euch für immer nahe, so nahe, wie ihr es euch kaum vorstellen könnt; in diesem Brot gebe ich mich euch ganz hin, ihr könnt mich gar in euch aufnehmen» Und: «Seid eins mit Gott, wie auch ich eins, volle Einheit mit Gott bin!» Das braucht was!

Wenige Stunden später aber rennen dieselben Leute, seine Freunde, weg. Keiner steht zu ihm. Vielmehr verleugnen ihn alle, wollen ihn nicht einmal kennen, als ob nichts gewesen wäre. Keine 24 Stunden nach dem vertrauten Zusammensein hängt er am Kreuz und wartet unter qualvollen Schmerzen auf den Tod. Verspottet, ausgestellt. «Komm doch runter und rette dich», lachen die Leute ihn aus. Das tut weh. Ein radikaler Umbruch.

Und nun, heute, schon wieder eine solche radikale, völlig unerwartete Wendung. Christus ist nicht vom Kreuz herabgestiegen, nein. Aber er ist nach drei Tagen aus dem Grab herausgestiegen. Ein noch grösseres Zeichen. Unvorstellbar. Grösste Verwirrung unter seinen Freunden, die sich nun doch wieder zusammengefunden haben. Schon wieder etwas völlig Neues, das die Welt, ihre Welt, unsere Welt für immer verändern wird. Einmal mehr sind die Jünger bereit für den Moment, für die Gnade, die sich ihnen jetzt bietet: Sie sehen – und glauben. So schlicht wird im gehörten Evangelium dieser Umschwung beschrieben, der für sie ungeahnte Folgen hatte. Denn danach ist alles anders als vorher. Nie mehr hätten sie anschliessend so leben können wir vorher. Und schauen Sie: Diese Chance bekommen sie nicht, weil sie sich etwa in der Bedrängnis bewährt hätten. Sie bekommen sie, weil sie bereit sind, umzukehren, es nochmals zu wagen. Weil sie bereit sind, spontan neue Wege zu gehen.

Für uns ist es schwierig, die radikalen Umbrüche der letzten Tage wirklich nachzuvollziehen. Schon an Aschermittwoch wussten wir, was wir am 9. April feiern. Wir hätten es schon an Weihnachten gewusst. Für uns heute ist es schwierig, den radikalen Wandel persönlich mit-zuvollziehen, mitzugehen.

Liebe Schwestern und Brüder, ich weiss, die Predigt am Ostersonntag sollte eigentlich kurz sein. Deshalb möchte ich Ihnen nur noch eine letzte Frage stellen: Was braucht es, dass diese Predigt etwas bewirkt? Was braucht es, dass wir hinausgehen aus dieser Kirche und spontan ebenfalls einen radikalen Umbruch wagen, unser Leben umkrempeln? Dass wir sagen: «Rabbuni, Meister – wie jubelt mein Herz, dass du lebst, dass du hier bist. Dir will ich folgen. Nicht erst vielleicht morgen oder übermorgen, sondern heute, jetzt noch!» Was braucht es, dass wir nicht mehr getrieben werden von allerlei Ängsten, sondern schlicht geleitet werden vom Vertrauen auf Gott, dass wir uns ganz auf ihn verlassen, uns auf ihn stützen, in allem, was wir tun, was uns widerfährt?

Heute ist Christus von den Toten auferstanden. Heute können auch wir ein neues Leben geschenkt bekommen. Amen. Halleluja.

 

Predigt von P. Gerhard Stoll am Ostermontag

Ostern hat Unruhe gebracht – es herrscht Verstocktheit, Ratlosigkeit, Chaos aber auch Freude. Wie sollten die Jünger Jesu mit den verschiedenen Berichten über die Erscheinungen des Auferstandenen umgehen?  In der Jüngergemeinde von Jerusalem kommt es zu einer geradezu Aufbruchstimmung.  Heute Morgen möchte ich Sie einladen zu einer Wanderung von Jerusalem nach Emmaus. Haben Sie etwa keine Lust aufzubrechen und mitzugehen, dann eben nicht – dann bleiben Sie halt hoffnungslos in Jerusalem zurück wie die meisten anderen Jünger damals.

Meine Lieben, Sie haben sicher schon einmal folgende Erfahrung machen dürfen: Erklären ist sehr wichtig und schon manches Gespräch hat Klärung in bedrängenden Fragen gebracht. Aber was nützt der beste Erklärungsversuch, wenn die Gesprächspartner sich nicht verstehen, wenn sozusagen die Chemie nicht stimmt? In solchen Situationen hilft dann nur noch ein Zeichen. Wenn sich zum Beispiel zwei Partner/Innen immer nur gegenseitig sagen «ich liebe Dich» , so können die Beiden wohl kaum glücklich werden – wenn da nicht Zeichen der Liebe und Zuneigung folgen. Zeichen sind lebenswichtig, ja sogar überlebenswichtig. Im alten Rom gab es den bekannten Daumenzeig: wenn bei Gladiatorenkämpfen der anwesende Herrscher den Daumen hob oder senkte, entschied das über Leben oder Tod des Verlierers.

Zurück zu Jesus und den beiden Emmausjüngern. Bibelforscher haben herausgefunden, die Entfernung zwischen Jerusalem und Emmaus beträgt etwa 12 km – also ungefähr 3 – 4 Stunden Fussmarsch mit Gerede und Erklärungen über die aktuellen Ereignisse in Jerusalem. Jesus, der Auferstandene, war inzwischen von sich aus zu den beiden hinzugetreten und hatte sich in ihr Gespräch eingemischt. Aber das hat den Jüngern noch nichts gebracht oder gar überzeugt. Sie waren weiterhin darüber betrübt, dass ihr Jesus sie verlassen hatte – Ihre grosse Hoffnung – tot! Wie sollte es nun weitergehen; auf ihn hatten sie doch einmal ihr ganzes Leben ausgerichtet.

Jesus hätte ihnen nun 10mal sagen können: «Ich bin Euer Messias» – sie hätten es nicht geglaubt. Jesus hatte zwar ihre Ohren erreicht, war aber noch nicht in ihre Herzen vorgedrungen. Bei meiner Ostermontagspredigt sollte das heute besser gelingen. Und dann – kaum in Emmaus in der Herberge angekommen – wendet Jesus ein menschliches Mittel an, er tut etwas ganz Vertrautes, etwas, das er schon oft vor seinem Tod mit seinen Jüngern getan hatte: er setzt sozusagen ein Zeichen. Er lässt sich von den beiden Jüngern einladen, er hält Mahl mit ihnen.  Er beweist ihnen damit: der Jesus vor und der Jesus nach seiner Auferstehung ist derselbe. Und dann heisst es: «sie erkannten ihn, als er das Brot brach». Und dann war Jesus plötzlich vor ihren Augen entschwunden. Wie nun sollten sie dieses Ereignis den anderen Jüngern in Jerusalem klarmachen: dass Jesus lebt und auferstanden ist? Nun, so etwas geht dann einerseits durch Erklärungen und dann eben, dass wir den Auftrag Jesu erfüllen, den er uns beim Letzten Abendmahl gegeben hat. «Tut dies zu meinem Gedächtnis». Und dieser Auftrag gilt seit nunmehr 1990 Jahren! Sie spüren, meine Lieben, letzten Endes kommen wir Christen ohne die Feier des Eucharistischen (Opfer-)Mahles nicht aus. Eucharistie (er-)fordert einen starken Glauben – vor allem aber fördert sie unseren Glauben. Nicht von ungefähr heisst es in den Anweisungen des letzten Vatikanischen Konzils: «der Tisch des Wortes und des Brotes ist den Gläubigen reichlich zu decken»! Also, grundsätzlich bräuchte kein gläubiger Christ darüber zu klagen, dass Jesus ihm fern oder fremd ist. Wer sein Wort hört und sich von ihm zum Mahl einladen lässt, dem gilt der Satz im heutigen Evangelium: «es gingen ihnen die Augen auf» und es entschwanden aus seinem Herzen die Verzagtheit und aus Trauer wurde Lebensfreude.

Wahrlich, in der kleinen Herberge von Emmaus hat sich am Ostermontag des Jahres 33 nach Christi Geburt Weltgeschichte ereignet. Und wir Christen heute dürfen stolz sein, wenn wir im Zentrum der Heiligen Messe immer wieder beten können: «Deinen Tod, o Herr, verkünden wir und Deine Auferstehung preisen wir, bis Du (wieder-)kommst in Herrlichkeit». Amen.