
P. Georg Liebich zum Dritten Fastensonntag 2023
Was hält ist uns den lieben langen Tag, ja lebenslang auf Trab?
Was lässt uns arbeiten, ruhen, sorgen, lieben, eifern, streiten und hassen, beten und manchmal auch fluchen? Weshalb die unersättliche Sehnsucht, mehr zu haben und mehr zu sein? Weshalb Ärger, Wut, Zorn, weshalb Hoffnungen und Träume, Überdruss und Niedergeschlagenheit?
Ist halt Leben so? Es ist nicht satt zu kriegen. Ständig werden wir umgetrieben durch unstillbaren Durst nach mehr und besserem Leben. Es ist ein Durst, der ebenso wirkt im Raffer und Süchtigen, im Phlegma und im Aktivisten, im Leidenden – im Liebenden.
Auf dem Weg von Judäa nach seiner Heimat Galiläa, so der Evangelist Johannes, kam Jesus zu einem Ort in Samarien. Erhitzt, müde und durstig setzt er sich an einen Brunnen. Warum hat er sich dahin manövriert? Es gehört zu seinem Leben, zum Leben, wie es in ihm und durch ihn mehr Leben will, für sich, für die Menschen, denen er begegnet, für uns.
Eine Frau kommt mit einem Krug an den Brunnen, um Wasser zu schöpfen. Sie tut, wonach Leben verlangt.
Zwischen Jesus und der Samaritanerin entspinnt sich ein Gespräch, das ganz dem Bedürfnis von Leben gewidmet ist: Jesus bittet um Wasser. Die Frau wundert sich: ein Fremder, einer von den Judäern, die für die Samaritaner sonst nur Verachtung übrighaben, bittet sie um Wasser. Wohl, wenn es ans Lebendige geht, dann gibt man sich auch mit einer Samaritanerin ab, deren Religion man wie Abfall, Abgötterei einschätzt. Wenn es ans Lebendige geht, vermag ein Schluck Wasser selbst religiöse Tabus zu durchbrechen.
Durstig wie er ist, gibt Jesus vor, er verfüge über ein Wasser, das Durst für immer zu stillen vermag, das im Trinkenden zu einer Quelle wird und in ewiges Leben fliesst.
Die Frau möchte von dem Wasser, das ihr den mühsamen Gang zum Brunnen erspart. Jesus führt sie auf die Fährte des Lebens, das ihn erfüllt. Die Frau ahnt, dass bei diesem Fremden etwas für das Leben zu holen ist. Ist da mehr als Jakob, der Stammvater Israels, der den Brunnen hinterliess, mehr als Moses, der Wasser aus dem Felsen schlug.
Das Gespräch weitet sich auf die wahre Verehrung Gottes. „Wir beten an auf dem Berg Garizim, ihr sagt, Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten muss“. So wie Anbetung noch geschieht, ist sie lebensfeindlich, daran erkennbar, dass sie ächtet statt achtet, entzweit statt vereint: Wahre Verehrung Gottes ist nicht ortsgebunden, sie ist in den finstersten Winkeln möglich, kommt aus Vertrauen in die Kraft des schöpferischen und belebenden Geistes Gottes, der Liebe ist. Es ist Zeit, dass Gott angebetet wird, wie es der Wahrheit seiner Liebe entspricht, so dass die Kraft seines Geistes im Beter lebendig wird, belebend und schöpferisch, alle in und mit Gott einend.
Das kommt an bei der Frau. Sie hofft auf einen, den Gott senden wird, in dem so Leben von Gott bekommt, wonach es immer Durst hat. «Ich bin es», sagt Jesus, ich bin die Gabe Gottes, das lebendige Wasser, das im Trinkenden zur Quelle des Lebens wird.
Nun ist alles gesagt. Die Frau lässt den Krug stehen, eilt ins Dorf, berichtet bewegt von der Frage: «Ist er vielleicht der Messias», der, den unser Leben unruhig erwartet, damit sein Durst gestillt werde über alle Zeit hinaus?
An einem Brunnen in Samarien hat sich Jesus einer Frau zu erkennen gegeben als Gabe Gottes, die den Durst des Lebens zu stillen vermag. Der Evangelist hat das Gespräch zwischen Jesus und der Samariterin aufgeschrieben, damit auch wir in Jesus diese Gabe Gottes erkennen, aus dieser Quelle trinken.
Damit Jesus als Gabe Gottes bei uns ankommt, die allen Lebensdurst stillt, gilt es, immer wieder am Anfang des Gesprächs Jesu mit der Samaritanerin anzuknüpfen: es gilt den eigenen und den Durst uns Begegnender wahrzunehmen, uns darauf einzulassen. Immer wieder dem Quell lebendigen Wassers nachspüren, das in uns fliesst, gespeist durch die Liebe Gottes, die in unsere Herzen ausgegossen ist. Daraus schöpfen, Wasser des Lebens mit Durstigen teilen, wird selbst zu Quelle von Leben in uns, um uns, wird zu Lebensmut und Lebensfreude.
Für die Bedürfnisse des Lebens aufgeschlossen werden, erfahren, wie gross der Durst nach Leben ist, wie wenig wir ihn zu stillen vermögen, kann auch bedrücken. Es kann zornig machen, wenn wir wahrnehmen, wieviel Wasser zum Leben Menschen einander abgraben. Vor allem aber werden wir erfahren: Auf die Bedürfnisse des eigenen und des fremden Lebens zu achten, verbindet Menschen, überbrückt Gegensätze, schafft dem Leben Raum, wirkt schöpferisch und belebend – wie Liebe Gottes ist.
„Gottes Ehre ist der lebendige Mensch“, so schrieb vor Jahrhunderten der Kirchenlehrer Irenäus. Durstig sein, essen, trinken, schaffen, ruhen, lieben, streiten, zweifeln, hoffen, leiden – sterben in Gott hinein, all das gehört zu unserem Leben, in all dem verwirklicht sich Leben. Es wird selbst Quelle von Leben, es wird zu Anbetung Gottes im Geist und in der Wahrheit, wenn es in Sorge und Liebe zum Leben, wenn es im Geist Jesu geschieht, der von sich gesagt hat: „Ich bin gekommen damit ihr das Leben habt und damit ihr es in Fülle habt.“