P. Philipp Steiner zum Vierten Adventssonntag

18.12.2022

Liebe Schwestern und Brüder

Ahas und Josef – auf diese zwei Männer lenken die Schriftlesungen des Vierten Adventssonntags unsere Aufmerksamkeit. 16 Generationen liegen zwischen dem König von Juda und dessen entferntem Nachkommen, dem Zimmermann Josef aus Nazareth. Doch es sind nicht nur 16 Generationen, welche die beiden trennen. Sie stehen für zwei entgegengesetzte Weisen, mit Gott Umgang zu pflegen.

König Ahas macht in der Geschichte der Könige von Israel und Juda keine gute Falle. Als König des Südreichs steckt er nicht nur in einer schwierigen aussenpolitischen Situation, er macht auch in der Innenpolitik, insbesondere im religiösen Bereich, grosse Fehler: Er begibt sich in Abhängigkeit von anderen Herrschern und huldigt fremden Göttern. Zu Recht bekommt er in der heutigen Lesung von Jesaja einen Rüffel.

Anders Josef: Er wird vom Evangelisten Matthäus als «gerecht» bezeichnet und wird als rücksichtsvoller, authentischer Mann mit Taktgefühl beschrieben.

Was die beiden ungleichen Männer Ahas und Josef eint, ist nicht nur der gemeinsame Ahne König David. Es ist auch die verzwickte Situation, in der die beiden stecken. Und gerade hier zeigt sich deren Unterschiedlichkeit in aller Deutlichkeit. Ahas sieht sich von mächtigen Feinden bedroht und bekommt durch den Propheten Jesaja das einmalige Angebot: «Erbitte dir vom Herrn, deinem Gott, ein Zeichen, sei es von unten, aus der Unterwelt, oder von oben, aus der Höhe.» Doch Ahas geht nicht darauf ein. Ja, er schlägt das Angebot sogar noch mit einer scheinbar frommen Begründung aus. Und Josef? Er wird damit konfrontiert, dass seine Verlobte schwanger ist – und das garantiert nicht von ihm. Josefs Zukunftspläne zerrinnen ihm zwischen den Fingern. Dieser Skandal einer ausserehelichen Schwangerschaft stellt sein Leben auf den Kopf. Doch Josef bleibt cool – jedenfalls lesen wir in der Heiligen Schrift nichts davon, dass er die Nerven verloren hätte. Vielmehr will er seine scheinbar untreue Verlobte vor der Ächtung und der Lynchjustiz der dörflichen Gemeinschaft schützen und sie in aller Stille entlassen. Doch hier greift der Himmel ein – doch anders als König Ahas hat Josef keinen Wunsch frei. Aber er wird über den richtigen Sachverhalt aufgeklärt. Ein Engel erscheint ihm im Traum und teilt ihm mit: «Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen; denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist.»

Doch das Beste kommt kurz darauf: In seiner Erklärung spannt der Engel den Bogen zu genau jener Episode, die 730 Jahre früher stattfand, die Verheissung, die Jesaja dem Ahas verkündete: «Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllte, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären und sie werden ihm den Namen Immanuel geben, das heisst übersetzt: Gott mit uns.»

Die Schriftgelehrten unserer Tage streiten zwar über die genaue Bedeutung der rätselhaften Immanuel-Weissagung bei Jesaja: Ist damit wirklich der Messias gemeint und nicht eher der leibliche Sohn von Ahas, der tatsächlich glücklicher regierende König Hiskija? Aber Josef wird als gläubiger Jude die Hoffnung Israels auf den verheissenen Messias geteilt haben und so brauchen wir nicht an der Konsequenz zu zweifeln, die Josef aus diesem Traum zieht: «Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.»

Liebe Schwestern und Brüder!

Ahas und Josef – zwei Männer in einer heiklen Situation, zwei Männer mit einer schwierigen Mission, zwei Männer konfrontiert mit einer Jungfrau, die den Immanuel gebären wird. Ahas und Josef – Symbolfiguren für zwei Verhaltensweisen, die auch wir wählen können.

Ahas antwortete auf das durch Jesaja übermittelte Angebot Gottes: «Ich werde um nichts bitten und den Herrn nicht versuchen». Verspüren nicht auch wir manchmal die Versuchung, auf das Gebet in einem konkreten Anliegen zu verzichten, um dann nicht enttäuscht sein zu müssen, wenn das Erbetene nicht eintrifft? Oder erliegen wir nicht ab und zu der Verlockung, eine Herausforderung selbst in die Hand zu nehmen, anstatt unser Vertrauen auf Gott zu setzen? Zögern wir zuweilen nicht, Gott die Führung zu übergeben in der Angst, dass er uns irgendwohin führen könnte, wohin wir nicht gehen wollen? Auch wir können Ahas sein….

Doch ebenso können wir uns auch am Beispiel Josefs orientieren: Er lässt sein Leben von Gott bestimmen und tut, was ihm aufgetragen wird. Während der gerechte Josef Gott wirken lässt, verweigert Ahas Gott die Oberhoheit über dessen Leben und dessen Reich. Das ist wohl die Grundversuchung der Mächtigen. Ein einfacher Zimmermann scheint damals wohl eher gewohnt gewesen zu sein, sich fremdbestimmen zu lassen. Aber diese Begründung scheint mir zu kurz zu greifen. Denn Josef vertraut Gott und nimmt sich selbst nicht zu wichtig. Das ist die «Gerechtigkeit», die Josef aufrecht gehen lässt. Und damit steht er für mich auch für einen etwas platten, aber doch auch inspirierenden Ausspruch: «Glaube nicht an Wunder, rechne mit ihnen».

Eine solche Grundhaltung rückt auch unser Leben in ein anderes Licht. Damit überlassen wir Gott das Ruder, ganz im Sinne des heiligen Ignatius von Loyola, von dem das Wort stammt: «Nur wenige Menschen ahnen, was Gott aus ihnen machen würde, wenn sie sich ihm ganz überliessen». Anders als Ahas hat Josef tatsächlich die Hoffnung Israels erfüllt gesehen, freilich nur mit den Augen des Glaubens.

Liebe Brüder und Schwestern!

Lassen wir uns in dieser letzten Woche des Advents inspirieren von Josefs Mut, sich auf die Führung Gottes einzulassen. Glauben wir nicht nur an Wunder, sondern rechnen wir mit ihnen. So wird es Weihnachten auch in unserem Leben, denn: Gott ist mit uns!

Amen.