Abt Urban, P. Mauritius und P. Gerhard an Weihnachten 2022

24.12.2022

In den beiden Hauptgottesdiensten des Weihnachtsfestes und am Stephanstag hielten Abt Urban, P. Mauritius und P. Gerhard eindrückliche Predigten, deren Lektüre sich lohnt!

Predigt von Abt Urban Federer im Rahmen der Mitternachtsmesse in der Heiligen Nacht

Liebe weihnachtlich gestimmte Festgemeinde hier in der Kirche oder zu Hause am Bildschirm

Ist Ihre Weihnachtsfreude auch im Eimer? Ich hoffe es für Sie! Denn wenn all Ihr Geschenkpapier im Papierkorb liegt, dann sind die Geschenke wirklich ausgepackt und bei Ihren Liebsten angekommen. Denken Sie an ihre Weihnachtfreude, die nun im Eimer liegt: Haben Sie nicht eben so viel Mühe und Zeit in das Einpacken der Geschenke gesteckt wie ins Suchen und Kaufen dieser Überraschungen? Geschenkpapiere könnten Geschichten erzählen über die Freude, die wir anderen machen wollen, und über die Liebe, die wir weitergeben möchten. Und ist es nicht so: Je kleiner die Person, desto mehr Geschenkpapier? Für die Spiele und Wünsche der Kinder braucht es doch meist mehr Papier als für die Überraschungen für Erwachsene. Bei diesen kann sich die Liebe gar in einem einfachen Couvert mit einem Gutschein zeigen, von dem die Partnerin oder der Partner dann letztlich ebenfalls profitiert.

Unsere Weihnachtsfreude im Eimer hat viel mit dem Geheimnis von Weihnachten zu tun. Erstens schenkt Gott gerne und bringt seine ganze Fantasie auf, um uns zu beschenken. Zweitens war es auch bei ihm so: Je kleiner Jesus war, desto mehr Geschenke bekam er. Und mein dritter Punkt: Als Jesus erwachsen war, lehrte er uns: Geben ist seliger als nehmen.

Also erstens: Gott schenkt gerne: «Du schenktest ihr grosse Freude. Man freute sich vor deinem Angesicht, wie man sich freut bei der Ernte», haben wir in der 1. Lesung gehört. Für den Propheten Jesaja ist mehr als 700 Jahre vor Christi Geburt klar: Gott schenkt Freude – wofür in einer von der Landwirtschaft geprägten Gesellschaft die Ernte steht. Gott hat sich nach der Bibel schon immer überlegt: Wie kann ich am besten bei den Menschen sein und ihnen Freiheit und Freude schenken? Zu Urzeiten, bei Abraham und Sara, hat er seine ganze Fantasie aufgewendet, um ihnen zu zeigen: Ich bin kein Götterhimmel, ich bin ein einziger Gott, der eine Beziehung mit dem Menschen sucht, ein Du, das dich, Mensch, segnet und einen Weg mit dir geht. Zur Zeit des Propheten Jesaja zeigt Gott, was er unter Frieden versteht. Wir Menschen unterdrücken uns gegenseitig immer wieder und nehmen uns dabei die Freiheit – die gegenwärtigen Kriege sprechen Bände dazu. Wer Gott vertraut, sagt der Prophet in der Lesung, kann aus diesem Kreislauf der Gewalt ausbrechen: «Jeder Stiefel, der dröhnend daherstampft, jeder Mantel, im Blut gewälzt, wird verbrannt, wird ein Frass des Feuers.» Menschliche Perversionen werden in der Beziehung mit diesem Gott umgekrempelt, ist Jesaja überzeugt, denn Friede hat mit wahrer innerer Freiheit zu tun. Gott schenkt also Freude, in dem er uns Menschen Frieden und Freiheit anbietet, wenn wir bereit sind, uns verwandeln zu lassen. Darum ging seine Fantasie, uns nahe zu sein, noch weiter: Er steigt in unsere Unfreiheit hinein. An Weihnachten wird er Mensch, und darum zuerst ein Kind, um Himmel und Erde und Menschen miteinander zu versöhnen: «Und plötzlich war bei dem Engel ein großes himmlisches Heer, das Gott lobte und sprach: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.»

Ja zweitens, Gott wird ein Kind – und bekommt viele Geschenke. Die Eltern Jesu dürften so etwas noch nie gesehen haben: Gold, Weihrauch und Myrrhe bringen ihm die drei Weisen aus dem Morgenland. So wie wir den Kindern mit unseren Geschenken zeigen, dass sie für uns wertvoll sind, erkennen die drei Weisen im kleinen Kind von Betlehem Grossartiges, ja die drei Geschenke, die auf das Alte Testament zurückgehen, huldigen in diesem Kind Gott. Beim Einzug nach Jerusalem gab es später von seinem eigenen Volk nur noch ein paar Hosanna-Rufe und am Kreuz wurde ihm nichts mehr gegeben, sondern alles genommen: Da war Weihnachten vollends im Eimer. Doch wir wissen jetzt, was wir mit Weihnachten machen, das im Eimer liegt: Wir können noch das Packpapier betrachten. Es erinnert uns an die Freude und die Liebe, die wir weitergeben wollten. Wenn Gott gibt, geht er das Risiko ein, alles zu geben, auch wenn er wie Geschenkpapier weggeworfen wird.

Als wir vorgestern in der Schule darüber sprachen, wer zu Hause wie Weihnachten feiert und was für Geschenke die Schülerinnen und Schüler für ihre Eltern und Geschwister vorgesehen haben, meinte ein Schüler plötzlich ungefragt: Ist schenken nicht schöner, als Geschenke zu erhalten? Das ist für mich ein echt weihnachtlicher – und mein dritter – Gedanke, denn Gott schenkt lieber, als beschenkt zu werden. Dafür steht das Kreuz: Gott beschenkt uns – auch wenn am Kreuz die Weihnachtsfreude im Eimer ist.

Meine Lieben, haben Sie in ihrer Jackentasche noch irgendwo eine Quittung, einen Busszettel oder sonst einen Zettel, den sie nicht mehr brauchen? Dann machen Sie den doch in diesem Gottesdienst zu einer kleinen Weihnachtsfreude und schreiben Sie für jemanden neben Ihnen auf den Zettel, dass er oder sie ein Geschenk ist – wenn nicht für Sie, dann für Gott. Oder zeichnen Sie einfach ein Smiley. Geben Sie dann den Zettel unauffällig weiter. Klar, der Zettel wird einmal im Eimer landen, aber sicher nicht die damit verbundene Weihnachtsfreude!

 

Predigt von Pater Mauritius Honegger im Rahmen des festlichen Pontifikalamtes am Weihnachtstag

Liebe Mitchristen,

Weihnachten ist ein Fest, das uns Freude bereitet, weil es viel Schönes und Angenehmes mit sich bringt. Für die Schulkinder und auch für viele Erwachsene beginnen mit dem heutigen Festtag auch die Weihnachtsferien. Viele von uns dürfen sich auf ein paar freie Tage freuen. Einige haben vielleicht den Wunsch, zum Skifahren in die Berge zu gehen, andere zieht es eher an die Wärme, irgendwo an einen schönen Strand weit im Süden.

Ferien, auch die Weihnachtsferien, sind für uns stets ein Anlass, aus unserem gewöhnlichen Alltag herauszukommen, eine Unterbrechung zu haben in der alltäglichen Routine, einen Tapetenwechsel zu erleben, etwas Neues kennen zu lernen. Wir wollen die Enge des Alltags hinter uns lassen und Grenzen überschreiten: geografische Grenzen, klimatische Grenzen, Waldgrenzen, Nebelgrenzen. Wir wollen über uns selber hinauswachsen, über unsere persönlichen, sportlichen, körperlichen Grenzen.

Dieser Wunsch nach Weite und Überwindung einengender Grenzen hat eine religiöse Dimension. In diesem Wunsch strahlt etwas vom Geheimnis unseres Menschseins auf. Im Wunsch nach Weite können wir den Funken einer tiefen Sehnsucht entdecken: der Sehnsucht nach dem Unendlichen, nach dem Göttlichen, nach dem, was sich jenseits von allen Grenzen befindet.

Aus der Sicht des Glaubens hat der Schöpfer diese Sehnsucht in uns hineingelegt. Der Mensch, den Gott als Krone seiner Schöpfung erschaffen hat, spürt in sich die Sehnsucht nach Unendlichkeit. Der Mensch genügt sich selber nicht. Er kann nicht einfach selbstzufrieden und allein bleiben. Dann verkümmert er, entwickelt sich nicht weiter, verharrt im Stillstand. Der Mensch strebt über sich hinaus. Da ist eine Dynamik, die ihn antreibt, die Welt zu erforschen, auf Mitmenschen zuzugehen, Neues kennenzulernen, seinen Horizont zu erweitern.

Es ist interessant: Wenn wir auf den Menschen blicken, erkennen wir dieses Streben nach dem Grösseren, dem Unendlichen, aus Sicht des Glaubens letztlich nach Gott. Wie sieht es nun aber aus, wenn wir auf Gott blicken? Von dem, was wir über Gott wissen, was uns von Gott offenbart worden ist, was können wir da erkennen?

Weihnachten zeigt uns da nämlich genau die umgekehrte Richtung: Da ist ein Wesen, das unendlich ist, das allmächtig ist, das weder an zeitliche noch an räumliche Grenzen gebunden ist. Und was macht dieses Wesen an Weihnachten? Etwas absolut Paradoxes: Es wird freiwillig ein Mensch, ein zeitlich, räumlich und in vielerlei anderer Hinsicht beschränktes Geschöpf. Gott verzichtet auf seine Allmacht und wird ein wehrloses Kleinkind. Er tritt ein in Raum und Zeit, in eine Existenz, die an einen Ort, Galiläa, und an eine Zeit, das erste Jahrhundert, gebunden ist.

Wenn wir auf den Menschen blicken, erkennen wir eine Sehnsucht nach dem Unendlichen. Wenn wir auf Gott blicken, oder genauer gesagt: auf das, was Gott an Weihnachten getan hat, dann erkennen wir eine Sehnsucht nach dem Menschen: So sehr hat Gott die Menschen geliebt, dass er selber einer von ihnen werden wollte. So sehr hat Gott die Menschen geliebt, dass er in Jesus von Nazareth Mensch geworden ist, um mit den Menschen Gemeinschaft zu haben, um sich ihnen mitzuteilen, um ihnen Anteil zu geben an seinem göttlichen Leben.

Das heutige Fest und die Weihnachtsferien gehören zusammen. Es zeigen sich darin zwei Bewegungen mit demselben Ziel. Unsere Vorfreude auf die Ferien, unser Fernweh, unsere Sehnsucht nach den Bergen, unser Wunsch, auszubrechen aus dem Alltag, all das ist ein Ausdruck der tiefen menschlichen Sehnsucht nach dem Unendlichen. Es ist die eine Hälfte einer Dynamik, die seit dem Anfang der Schöpfung in Gang gekommen ist.

Die andere Hälfte dieser Dynamik ist Weihnachten, ist das Geheimnis der Menschwerdung Gottes, das wir heute feiern. Vom Anfang der Schöpfung an gibt es diese Dynamik, die auf beiden Seiten erkennbar ist: auf der Seite des Geschöpfes und des Schöpfers. Es gibt eine Anziehungskraft zwischen beiden: Da ist die Sehnsucht des Geschöpfes nach der Liebe, die es erschaffen hat. Und da ist das Geheimnis von Weihnachten, an dem der unendliche Gott aus Liebe zu seinem Geschöpf in die Welt kommt.

Es gibt eine Anziehungskraft zwischen uns und der Liebe, die uns erschaffen hat. Das spüren wir immer wieder in unserem Leben, auch wenn wir es uns manchmal vielleicht gar nicht richtig bewusst sind. Es gibt eine Anziehungskraft zwischen dem Schöpfer und seinem Geschöpf. Das feiern wir heute an Weihnachten.

Unser Gott ist kein ferner Gott, kein gleichgültiger, kein distanzierter Gott. Unser Gott heisst Immanuel: Gott mit uns. Der Schöpfer überlässt die Welt nicht ihrem Schicksal, sondern greift auf überraschende Weise in sie ein: Der allmächtige Gott wird ein sterblicher Mensch. In der Geburt Jesu ist die Menschenliebe Gottes in noch nie dagewesener Weise aufgestrahlt. In der Geburt Jesu hat die Sehnsucht Gottes nach uns Menschen ihr Ziel erreicht. In der Geburt Jesu ist Gott uns in unüberbietbarer Weise entgegengekommen.

Das heutige Fest ist ein Kompass für unsere Sehnsucht. Weihnachten ist eine Einladung, unserem Leben wieder die richtige Richtung zu geben, unser Streben wieder bewusst auf Gott auszurichten. So wie er uns in seiner Menschwerdung entgegengekommen ist, so sollen auch wir ihm entgegengehen.

Ihm entgegengehen, ihm uns nähern: Das können wir tun, wenn wir uns Zeit nehmen für das Gebet, wenn wir über sein Wort nachsinnen in der Heiligen Schrift, aber auch wenn wir die Sakramente empfangen, die Zeichen seiner Nähe und Liebe, und ganz besonders in der Feier der Eucharistie, wo wir auch jetzt wieder auf ganz konkrete Weise erfahren dürfen: Sein Name ist Immanuel – Gott mit uns. Amen.

Predigt von Pater Gerhard Stoll im Konventamt am Stephanstag

Der zweite Weihnachtstag, gleichzeitig Fest des Hl. Stephanus, des ersten Märtyrers unserer Kirche – ist da jetzt ein etwas peinliches Zusammentreffen im Ablauf des Kirchenjahres oder vielleicht sogar ein Auftrag an uns zu einer Gewissenserforschung?

Ein christlicher Kabarettist unserer Zeit hat einmal folgende Episode erzählt: Nachdem Jesus nach seinen 33 Erdenjahren wieder in den Himmel zurückgekehrt war, unterhielt sich Gottvater nach einiger Zeit mit seinem Sohn und fragte ihn: Wie soll es jetzt eigentlich mit der Kirche auf Erden weitergehen? Und Jesus antwortete: Ich habe da meine Freunde als meine Nachfolger eingesetzt; die predigen jetzt und geben als meine Zeugen den Glauben weiter. Und Gottvater fragte zurück: Hattest Du denn keine bessere Idee? Und Jesus schaute seinen himmlischen Vater an und sagte: Nein, eine bessere Idee habe ich bis heute nicht.

Meine Lieben, Weihnachten will alles andere sein als eine kurze romantische Gefühlsperiode im Laufe des Kirchenjahres jeweils vom 24. Dezember bis zum 6. Januar des folgenden Jahres. Weihnachten ist ein ernsthafter Aufruf, Zeugnis zu geben von der Menschwerdung dessen, der unser aller Bruder geworden ist – Gott wurde Mensch in Jesus Christus, damit wir zu wirklichen Menschen werden. Und das ist ein Ziel, auf das wir zuschreiten können, wenn wir uns durch das Beispiel des Hl. Stephanus anstecken und ermutigen lassen. Wenn wir Zeugnis ablegen für Christus – wie Stephanus – dann sollte dies keine Angelegenheit zu besonderen Hoch-Zeiten des Lebens sein, sondern ein Zeugnis für ein Leben als Christ in der Nachfolge Christi.

Es ist nun eine Tatsache aus der Kirchengeschichte, dass Zeugen des Glaubens viel häufiger in Krisen und Verfolgungszeiten anzutreffen sind, als in friedlichen Epochen der Geschichte. Eine Erklärung dafür dürfen wir im Wort des heutigen Evangeliums sehen: «Ihr werdet um meinetwillen vor Statthalter und Könige geführt, damit Ihr Zeugnis vor Ihnen und den Heiden ablegt».

Fragen wir uns heute im 21. Jahrhundert: Ist unser Zeugnis nicht deshalb manchmal so müde und so halbherzig, weil uns die persönliche Nähe von Christus zu wenig bewusst ist? Wir machen uns vielleicht zu wenig stark für den, auf dessen Namen wir getauft sind! Aus unserem Lebenszeugnis spricht zu wenig der Geist Christi – der Glaubensmut eines Stephanus verblasst da nur allzu oft!

Es ist sicher wahr, dass es leichter sein mag, in Krisen und Verfolgungszeiten seinen Glauben zu bezeugen – leichter als im nüchternen und zermürbenden Einerlei des Alltags.

Die bohrende Frage an uns heutige Christen muss also lauten: Wann und wo trete ich ein für die ganze Wahrheit meines Glaubens – und zwar in Freud’ und Leid. Machen wir uns dabei bewusst: Weihnachten und Karfreitag und Ostern gehören zusammen. Die idyllische Krippe, der Skandal des Kreuzes und die verheissene Auferstehung bilden das Zentrum unseres Glaubens. Und da bin ich gerufen: Als Vater und Mutter in der Familie – als Kind in der Schule – als Christ in Beruf und Arbeitswelt – In Politik und Gesellschaft – in Kirche und Gemeinde – im Umgang mit Not und Gewalt. Ja, wo ist bei alldem etwas zu spüren von meiner Mündigkeit als Christ – wo ist da etwas zu spüren von meiner Verantwortung, die ich als Christ in Taufe und Firmung übernommen habe. Bin ich da wie Stephanus ein mutiger Zeuge, aus dem der Geist Gottes spricht, wie durch Stephanus?

Und vor allem: was lasse ich mir mein Zeugnis kosten? Bin ich bereit, Nachteile, Verspottung in kauf zu nehmen, wenn ich eine n Dienst in der Verkündigung übernehme?

Das Kind in der Krippe – der Retter am Kreuz – das Zeugnis des Hl. Stephanus wollen uns Mut machen zu solch einem Zeugen-Leben!

In einer Weihnachtspredigt sagt uns der berühmte Papst Leo der Grosse schon im 5. Jahrhundert: «Christ, erkenne Deine Würde!« Du bist ein getaufter Christ und kein normaler Mensch. Zu ergänzen wäre: Du bist berufen, Zeugnis zu geben vom menschgewordenen, gekreuzigten und auferstandenen Gottessohn. «Christ, lebe nicht unter Deiner Würde»! – Amen.