
P. Cyrill Bürgi zum Christkönigssonntag
Lesung: Kolosser 1,12-20
Evangelium: Lk 23,35-41
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn,
Das Christkönigsfest stellt eine rechte Herausforderung dar, da wir das Bild eines Königs nicht mit einer Person am Kreuz verbinden. Natürlich bekennen wir, dass Christus gerade durch seine Niederlage am Kreuz, den Sieg über das Böse errungen hat, durch seine Auferstehung hat er das Leben neu geschaffen. Durch seine Vergebung und seine Barmherzigkeit triumphiert er über die gnadenlose Verdammung.
Mit diesem Gedanken des Sieges durch die Erniedrigung, durch die Hingabe und das Dienen ver-spiritualisieren wir eigentlich Wunschdenken, dass das Gute über das Böse, das Schwache über das Starke siege. Das Christkönigsfest frönt unserem Wunsch, dass David über Goliath siegt, dass das Gute und die Gerechtigkeit letztlich oberhandgewinnen. Damit bekommt dieses Fest eine triumphalistische Note, die jedoch schwerlich mit den täglichen Erfahrungen verbunden werden kann. Denn unsere Erfahrungen erzählen eine andere Geschichte. Wir sehen sehr oft, dass Lug und Trug obsiegen und ungeschoren davonkommen. Wer vergibt und verzeiht, sich der Schwachen annimmt und ehrlich handelt, wird gerne belächelt und als schwächlich taxiert. Unsere alltäglichen Erfahrungen verspotten die Idee des königlichen Sieges am Kreuz. Wir machen die hautnahe Erfahrung, dass ziemlich alles bachab geht. Nicht nur der jahrelange Aufbau eines Gemeinwohls und einer friedlichen Koexistenz geht durch den Egoismus Weniger zugrunde, selbst in der Kirche scheinen ausbeuterische Kräfte fähig, alles Gute niederreissen zu können. Es ist zum Davonlaufen, was auch Tausende tun. Die kirchliche Gemeinschaft zerrinnt wie Sand zwischen den Fingern.
Wir fühlen uns nicht wie Königskinder. Wir schämen uns, entwickeln langsam das Verhalten einer Minderheit und Gefühle der Minderwertigkeit. In Bezug zu unserem Glauben zeitigen wir regressives Verhalten. Wir trinken Milch statt fester Speise zu uns zu nehmen, würde Paulus sagen. (vgl. 1Kor 3,2). Das Fest findet kaum Widerhall in unserem Alltag und wirkt sich nicht auf unser Verhalten in der Gesellschaft aus. Der Festgedanke bleibt eine schöne Idee ohne Leben.
Wir folgen aber nicht einer Idee, sondern einer Person. Durch die Taufe haben wir uns mit dieser Person, Jesus Christus, verbunden. Auf Gedeih und Verderb teilen wir sein Schicksal. Wir sind mit Jesus in eine Schicksalsgemeinschaft eingetreten. Dem Knecht wird es nicht besser gehen als seinem Herrn (vgl. Mt 10,25).
Natürlich leben wir im Bewusstsein, dass der Sieg über den Tod schon errungen ist, dass die Tore des Himmels offenstehen, dass Christus das Haupt der neuen Schöpfung ist und ihm alle Macht im Himmel und auf Erden gegeben ist (vgl. Tagesgebet). Genauso erfahren wir aber die Schicksalsgemeinschaft in seiner Erniedrigung, seiner Verspottung und seiner Blösse. Es ist heutzutage nicht mehr einfach, sich als Christ zu outen. Die Schicksalsgemeinschaft mit dem König am Kreuz geht uns ans Lebendige. Dadurch aber wird der Gedanke vom Christkönigsfest echt. Dann spüren wir die Spannung, die in diesem Fest liegt und die Christus tagtäglich durchmacht. Der Festgedanke hängt dann nicht mehr extern, ausserhalb meines Erfahrungshorizontes, an einem schön geschmückten Kreuz an der Wand, sondern wird ins eigene Fleisch und Blut internalisiert. Wir teilen das Schicksal mit Jesus. Die Wege, die wir täglich in unseren Wohnungen und von dort zur Arbeit und zu anderen Kommissionen und wieder zurück gehen, zeichnen mehrere Kreuze. Die Gefühlswelt, die wir dabei erleben, geht kreuz und quer von Freude über Wut, von Enttäuschung bis zur Genugtuung, von Eifersucht bis zur Ohnmacht. Unsere Gedanken sind kreuz und quer beschäftigt mit Banalem, mit Arbeit und Organisation, mit Beziehungen bis hin zur allgemeinen Weltlage. Die Höhen und Tiefen des menschlichen Lebens zeichnen so in Gedanken, Worten und Werken tausend Kreuze, die auch die Kreuze Jesu sind. Die Schicksalsgemeinschaft mit ihm machen meine Kreuze zu seinen Werkzeugen. Sein Blut klebt daran. Die tausend Schicksalswege sind seine Schicksalswege. Es sind seine Höhen und Tiefen, durch die das Leben, der Sieg über den Tod, kommt. Wir müssen ihm diese Kreuze überlassen, d.h. sie mit ihm verbinden.
So verstehen wir dann vielleicht auch den letzten Satz der heutigen Lesung: «Alles im Himmel und auf Erden zu Christus führen» (Kol 1,20), also alle Höhen und Tiefen Christus übergeben. Er wird Frieden stiften, die Höhe und Tiefen versöhnen d.h. zusammenbringen in sich, in seinem Leib, dem Leib der Kirche.
Der Christkönigsgedanke ist nicht eine ans Holzkreuz externalisierte Idee. Der heutige Festgedanke vollzieht sich in jedem einzelnen Getauften. Durch die Schicksalsgemeinschaft mit Christus sind wir fähig, Anteil zu haben am Los der Heiligen, die im Licht sind (vgl. Kol 1,12).
Die Erlösung ist schon vollzogen. Wir sind Königskinder und dürfen uns dementsprechend geben. Alles, was uns geschieht, die Höhen und Tiefen, das Äussere und das Innere, ist auf Christus hin gemünzt. In ihm hat alles Bestand. Alles, was unser Leben durchkreuzt, ist sein Kreuz und damit Werkzeug zur Erlösung.
Unsere Aufgabe ist es, alles ihm zu geben, jeden Arbeitsgang, jeden Gedankengang, jeden Niedergang, indem wir aus unserem tausendfach durchkreuzten Leben ebenso oft schreien: «Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst» (Lk 23,42). Wir sind ausgespannt an den Kreuzen unseres Alltags in der Schicksalsgemeinschaft mit Christus. Wir hängen in den Spannungen unseres Lebens im Bewusstsein, dass durch Christi Auferstehung sein Reich schon mitten unter uns ist.
Ich weiss nicht, ob Ihnen diese Gedanken hilfreich waren. Jedenfalls ist für mich der Gedanke, dass ich durch die Taufe zur Schicksalsgemeinschaft mit Christus Ja gesagt habe, dienlich, weil ich so das Drunter und Drüber in der Kirche und in der Welt und in meinem eigenen Chaos besser einordnen kann. Mein durchkreuztes Leben ist sein Kreuz, das er schon überwunden hat. So darf ich im Bewusstsein und in der Gelassenheit leben, dass er mir vom Kreuz her ständig neu sagt: «Heute bist du bei mir.»