P. Markus Steiner am Meinradssonntag

09.10.2022

Es gab gewiss viele Eremiten zur Zeit des Heiligen Meinrad. Und manche von ihnen sind Ratgeber für ihre Mitmenschen geworden. Und der eine oder andere mag sogar ebenfalls von Räubern erschlagen worden sein, nachdem er sie bewirtet hatte. Aber wir wissen von ihnen nichts mehr. Warum hat sich denn das Gedächtnis des Heiligen Meinrad erhalten, so dass wir es heute noch begehen, während sie vergessen sind?

Es ist sicher bedeutsam, dass Meinrad ein Mönch des Klosters Reichenau war. Seinen Mitbrüdern war er so wichtig, dass sie ihn in ihrem Kloster begraben liessen, obwohl der Transport des Leichnams damals eine sehr aufwändige Sache war. Nach Pater Gregor Jäggi dauerte es dann allerdings vierzig, fünfzig oder noch mehr Jahre, bis sie sich wieder um ihn bemühten. Erst im zehnten Jahrhundert entstand die erste Vita. Was der Anlass dazu war, wissen wir nicht. Und was genau der Grund war, dass der Selige Eberhard sein Kloster gerade im Finsteren Wald gründete, wissen wir auch nicht. Jedenfalls gab es ein Bewusstsein, dass hier der Ort war, wo Meinrad gelebt hatte und getötet worden war, so dass man seine Gebeine hierher übertragen liess – der Anlass für das heutige Fest – und am Ort seiner Zelle eine Kapelle errichtete, die zur Gnadenkapelle geworden ist. Ohne Meinrad wäre vielleicht das Kloster nicht entstanden – ohne das Kloster Meinrad wohl vergessen worden. Ziel der Wallfahrt war durch all die Jahrhunderte hindurch weniger der Heilige Meinrad als die Gnadenkapelle und Unsere Liebe Frau von Einsiedeln. Daran wird auch der MEINRADWEG nichts ändern.

Fazit: Der Grad der Heiligkeit lässt sich nicht am Grad der Bekanntheit ablesen. Es gibt heilige Frauen und Männer, die unbekannt geblieben sind. Was sie für die Kirche bedeuten, können wir nicht abschätzen. Weiter stellen wir ein Zusammenspielen von verschiedenen Faktoren fest, das Grosses entstehen lässt. Dürfen wir dafür nicht den Begriff „Vorsehung“ gebrauchen? Gott findet Wege, die wir Menschen nicht voraussehen können.

Für uns bedeutet das: Bekannt werden kann für uns kein Ziel sein, heilig werden dagegen schon. Aber auch dieses ist eine Gabe Gottes. Und wenn es die Vorsehung gibt, so wird sie auch in unserer verworrenen Zeit wirken, im Leben der Kirche, im Leben des Klosters, in unserem eigenen Leben. Ein Grund für Hoffnung und Zuversicht.