P. Lukas Helg zum Hochfest des hl. Bruder Klaus

25.09.2022

„Wirst Du es wagen, mit mir in den Ranft hinunter zu steigen?“ – so fragt Heinrich Federer den Leser seiner unvollendet gebliebenen Bruder Klaus-Biographie. Walter Nigg schreibt:

“Es ist ein Wagnis, sich mit Nikolaus von Flüe einzulassen; nur zu leicht kann es geschehen, dass man eines seiner Worte nicht mehr los wird.“

Was könnte uns eigentlich Besseres geschehen, liebe Schwestern und Brüder, als dass wir eines seiner Worte nicht mehr loswerden? Ich möchte Ihnen drei Worte des heiligen Bruder Klaus mitgeben  – drei Worte aus seinem Brief an die Ratsherren des damals noch katholischen Bern. Vielleicht bleibt eines hängen.

Das erste Wort: „Gehorsam ist die grösste Ehre, die es im Himmel und auf Erden gibt, weshalb ihr trachten müsst, einander gehorsam zu sein.“

Will man die Erlösungstat Jesu unter ein einziges Wort stellen, gibt es kein passenderes als Gehorsam. „Siehe, ich komme, deinen Willen zu tun. Vater, dein Wille geschehe. Es ist meine Speise, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat.“ Im alten Hymnus, den Paulus im Philipperbrief überliefert, wird das Leben Christi zusammengefasst unter dem Motto: Gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Bruder Klaus trat in die Fussstapfen seines Meisters und wurde gehorsam bis in die Hungerzelle unten im Ranft.

Der heilige Benedikt ermahnt uns Mönche, nicht nur dem Abt, sondern auch uns gegenseitig gehorsam zu sein. Auf diesem Weg des Gehorsams gehe man Gott entgegen. Ist es nicht genau das, was wir Alle wollen und suchen: Gott entgegen gehen?  Also – hier ist ein Rezept: einander gehorsam sein. Beten wir mit den Worten des heiligen Bruder Klaus: „Mein Herr und mein Gott! Nimm alles von mir, was mich hindert zu dir“.

Ein zweites Wort: „Ihr sollt auch das Leiden Gottes in eurem Herzen tragen, denn es ist des Menschen grösster Trost an seinem letzten Ende“.

Vor seinem Rückzug in den Ranft machte Bruder Klaus eine grosse seelische Krise durch.  „Ich war so tief niedergedrückt, dass mir selbst die liebe Frau und die Gesellschaft der Kinder lästig ward“. In seiner Not wandte er sich an den Krienser Pfarrer, der ihn in die Passionsmystik einführte. Bruder Klaus begann, im geregelten Ablauf eines Tages die einzelnen Stationen des Leidens Christi zu betrachten. In den Nachtstunden versenkte er sich in die Todesangst Christi am Ölberg, an den feigen Verrat durch Judas und die ebenso feige Flucht aller Jünger bei der Gefangennahme. Tagsüber betrachtete er alle 3 Stunden eine Station im Leidensweg Christi von der Verurteilung durch Pilatus über die Geisselung, Kreuzigung, Kreuzestod, Kreuzabnahme bis zur Grablegung. Diese Übung hat ihm aus der Krise geholfen und ihn zu einem Mystiker gemacht.

Auch wir Mönche sollten Mystiker werden. In den wunderbaren Fresken im Oberen Chor hinter dem Hochaltarbild hätten wir  eine gute Hilfe dazu. Leider sehen wir sie in der täglichen Mette nicht, weil sie im Dunkeln sind oder weil wir noch halb schlafen. Aber die Idee des Künstlers oder dessen, der ihn beauftragt hat, ist ganz klar: wir Mönche, die wir unter diesen herrlichen Fresken die Mette beten, sollten unseren Tagesablauf wie Bruder Klaus nach dem Leiden Christi ausrichten. Das ist ein möglicher Weg, Mystiker zu werden. Was Bruder Klaus den Ratsherren von Bern schreibt, gilt natürlich für alle Christinnen und Christen. Wir sollen Jesus auf seinem Leidensweg, den er für uns gegangen ist, begleiten. Fast so etwas wie eine über den ganzen Tag verteilte Kreuzwegandacht. Wenn wir das machen, gehen wir ohne Angst dem eigenen Sterben entgegen.  Mit dem Gebet des heiligen Bruder Klaus auf den Lippen: „Gib alles mir, was mich führet zu dir“.

Noch das dritte Wort, es ist wohl das bekannteste: “Friede ist allweg in Gott, denn Gott ist der Friede, darum sollt ihr schauen, dass ihr auf Frieden stellet.“

Als Friedensstifter ist Bruder Klaus weit über unsere  Landesgrenzen hinaus bekannt. Als der polnische Papst Johannes Paul II. 1984 ins Flüeli kam, hat er uns Eidgenossinnen und Eidgenossen gehörig ins Gewissen geredet. Ich zitiere nur einen einzigen Satz, der heute, am Tag der Migrantinnen und Migranten, hoch aktuell ist.  Der Papst sagte: „Bisher habt ihr euch, liebe Schweizerinnen und Schweizer,  in eurem Land als Menschen verschiedener Sprache, Kultur und Bekenntnis gegenseitig angenommen, heute muss sich dieses Einander-Annehmen ausweiten auf Menschen ganz anderer Religionen, Denk- und Lebensweisen, die bei euch Arbeit und Schutz suchen, indem sie euch ihre Dienste und Menschlichkeit anbieten.“ Soweit der Papst. Warum sind gerade wir frommen Leute  stets in Gefahr, den Frieden zu verweigern und auf Fremde und Migranten herabzuschauen? Vielleicht, weil wir den Frieden nicht auf Gott stellen, sondern auf ein von uns selbst konstruiertes Gerechtigkeitsgebäude. Bruder Klaus hat gebetet: „Nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir.“

Sollte dies nicht auch unser eigenes Gebet werden? „Mein Herr und mein Gott! Nimm mich mir, sonst bleibe ich ein ewiger Egoist. Gib mich ganz zu eigen dir, damit ich von dir lerne, was du für ein wunderbarer Gott des Friedens und der Güte bist.“

Ich wiederhole die drei Worte. Vielleicht bleibt eines hängen:

Einander gehorsam sein

Täglich den Kreuzweg beten.

Mein Leben ganz auf den Frieden stellen

AMEN.