
P. Philipp Steiner zum 21. Sonntag im Jahreskreis
Liebe Schwestern und Brüder
Es ist kein leichtes Evangelium, das uns die Kirche am heutigen Sonntag vorlegt. Dem schwierigen Inhalt entspricht die Komplexität in der Struktur. Im eben gehörten Abschnitt sind drei Worte Jesu zusammengestellt: Das Wort von der engen Tür, das Wort von der geschlossenen Tür und das Wort von der Zulassung der Völker zum Reich Gottes. Es sind drei verschiedene Gleichnisse Jesu gesprochen zu drei verschiedenen Anlässen, aber vom Evangelisten Lukas miteinander verbunden durch das allen gemeinsame Symbol der Türe und des damit ermöglichten oder verweigerten Zutritts.
Warum ist es kein leichtes Evangelium? Nun, die Frage, die diesen dreiteiligen Abschnitt einleitet, ist zuerst einmal nicht wirklich die uns aktuell bedrängende: «Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden?» Die Frage ist tendenziös formuliert, der Fragende scheint eine pessimistische Antwort zu erwarten. Damit ist eine zur Zeit Jesu verbreitete Kontroverse angesprochen. Im damaligen Judentum gab es tatsächlich die Meinung, nur ein kleiner Rest von Gerechten werde gerettet. Diese Ansicht teilen auch einige unserer Zeitgenossen, was jedoch sehr oft einfach als eine Verlagerung einer negativen Gesellschaftsbewertung ins Jenseits zu sein scheint. Verdächtig ist jeweils, dass sich diese «Heilspessimisten» selbst immer auf der richtigen Seite wähnen… Für die allermeisten von uns drängen sich jedenfalls andere Fragen auf und wir sind uns – bei einer grundlegenden christlichen Gelassenheit – wohl ziemlich einig, dass wir Gott in dieser Frage eigentlich gar nicht in die Karten schauen wollen.
Wohltuend ist es deshalb, dass Jesus gar nicht auf die gestellte Frage eingeht. Statt auf eine quantitative Heilsquote richtet er den Fokus vielmehr auf das aktive sich Bemühen des einzelnen. Und da wären wir bereits beim zweiten schwierigen Punkt, wenn wir die Antwort Jesu genauer anschauen. In der üblichen deutschen Übersetzung lautet die Antwort: «Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen» (Lk 13,24) – im griechischen Urtext steht dort aber der Imperativ «ἀγωνίζεσθε» (agonizesthe), was eigentlich mit «kämpft» übersetzt werden müsste! Dieses Verb finden wir übrigens wieder im Wort «Agonie», welches wir für den Todeskampf eines Menschen brauchen. Aber «kämpfen» im Bezug aufs Eingehen ins Reich Gottes? Das ist scheint etwas viel verlangt?! Ja, sowohl die Thematik der Frage als auch die Formulierung der Antwort Jesu sind nicht ganz ohne… Gerne möchte ich dies zum Anlass nehmen, ausgehend vom Symbol der Tür ein paar eigene Gedanken dazu mit Ihnen zu teilen – in der Hoffnung, dass wir uns doch noch mit den Worten Jesu im heutigen Evangelium versöhnen lassen!
Da ist zuerst einmal das Bild der Türe an sich. Es ist ein Begriff, den Jesus auch auf sich selbst bezieht, wenn er im Johannesevangelium sagt: «Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein- und ausgehen und Weide finden» (Joh 10,9).
Die «Tür» im heutigen Evangelium ist also eine Person: Jesus Christus selbst! Es geht folglich nicht um irgendeine Tür als Symbol für irgendwelche hohen Anforderungen, die nur eine Minderheit der Menschen erfüllen könnte. Nein, die Tür ist jemand, der uns unendlich liebt und uns in seine Nachfolge, in eine Beziehung zu ihm ruft. Und sein Wesen ist Barmherzigkeit. Von daher dürfen wir Hoffnung haben, dass Jesus als Heiland aller Menschen auch alle einlädt, durch ihn – durch seinen Tod und seine Auferstehung – den Schritt ins ewige Leben zu gehen. Ob und wie diese Einladung hier auf Erden oder dann in der alles entscheidenden Begegnung im Augenblick des Todes von den Menschen angenommen wird, wissen wir nicht. Auf diese Spekulation müssen wir uns aber auch nicht einlassen.
Wichtiger scheint mir ein anderer Punkt, der sich lohnt, näher angeschaut zu werden. Es ist nämlich das Adjektiv «eng». Jesus spricht nicht von einem weiten Tor, sondern von einer Tür und die ist zusätzlich eng. Wie ist dies zu verstehen? Jesus gebraucht hier ein Bild, das seinen Zuhörern bekannt gewesen ist. Neben den weiten Stadttoren gab es zu jener Zeit auch kleine Türen, welche Spätheimkehrern geöffnet werden konnten, falls die grossen Tore für die Nacht bereits verriegelt waren. Man kam nur rein, wenn man dem Wächter auch persönlich bekannt war. Ich habe beim Bild von der engen Tür aber noch folgende persönliche Antwort gefunden: Jeder Mensch wird in seiner Einmaligkeit durch diese «Christus-Tür» gehen, es gibt kein Durchmogeln, indem man sich in der grossen Masse verbirgt, oder indem man den Durchlass beansprucht, weil man bei irgendeiner Gruppe dabei ist. Durch die enge Tür zum ewigen Leben gehen wir alle einzeln. Wir werden dabei als jene wahrgenommen, die wir wirklich sind. Und wir werden dabei nach unserer Beziehung zu Jesus Christus gefragt! So ist auch das harte Wort des Hausherrn hinter der verschlossenen Tür im weiteren Verlauf des heutigen Evangeliums zu verstehen, wenn dieser sagt: «Ich weiss nicht, woher ihr seid. Weg von mir!» (Lk 13,27). Wem Jesus in diesem Leben die Freundschaft anbietet, bei dem reicht an der Tür keine oberflächliche Bekanntschaft. Das Argument «Wir haben doch in deinem Beisein gegessen und getrunken und du hast auf unseren Strassen gelehrt» (Lk 13,26) gilt im Gleichnis von der verschlossenen Tür nicht und es wird auch für uns nicht reichen, wenn wir das Angebot einer tiefen Freundschaft mit Jesus, die sich in seiner Nachfolge ausdrückt, leichtfertig ausgeschlagen haben. Ob und wie dieser Fall dann auch tatsächlich eintreten kann, entzieht sich unserer Kenntnis. Und so tut es auch gut, den verheissungsvollen Schluss des heutigen Evangeliums in Erinnerung zu rufen, die auch in der Lesung aus dem Buch Jesaja angeklungen ist: «Und sie werden von Osten und Westen und von Norden und Süden kommen und im Reich Gottes zu Tisch sitzen» (Lk 13,29).
Die Einladung zum Tisch im Reich Gottes steht – das ist unsere Hoffnung. Die Einladung anzunehmen und Tag für Tag in einer Beziehung zu Jesus Christus positiv zu beantworten – das ist die Herausforderung.
Amen.