
P. Georg Liebich zum 19. Sonntag im Jahreskreis
Liebe Schwestern, liebe Brüder
Behaltet den Gürtel an. Lasst die Lampen brennen! Wachet! Wartet, seid bereit, dem Herrn des Hauses zu Diensten zu sein, wenn es ihm gefällt zurückzukehren, sei es um Mitternacht oder auch erst gegen Morgen.
Welchen Nachhall hat das bei ihnen?
Ständige Bereitschaft aufzubrechen, ständig gefordert zu Diensten, nicht zum Schlaf kommen, gar der Bedrohung von Leben und Gut gewärtig – verbissen durchgehalten wäre solches Leben traumatisierend. Aufgezwungen erleben es Frauen, Männer Kinder, die aus der Ukraine und andern Ländern fliehen oder nicht fliehen können.
Nie ist es die Absicht Jesu uns bedrängen oder gar zu ängstigen. Als Richtlinie für das Verständnis und der Befolgung der Worte Jesu darf uns immer leiten: «Ich bin vom Herrn gesandt, den Armen frohe Botschaft zu bringen, … Zerschlagene in Freiheit zu setzen, die Gnade des Herrn auszurufen.» All sein Wirken ist darauf aus, unserem Leben aufzuhelfen, es zu bereichern mit Schätzen, die uns bleiben, die uns durch alle Erfahrungen des Lebens hindurch tragen.
«Verschafft euch einen Schatz, der nicht abnimmt, einen Schatz im Himmel, aufgehoben bei Gott, wo kein Dieb ihn findet und keine Motte ihn frisst.»
Ich bin froh, dass dem heutigen Abschnitt diese Worte Jesu vorangehen.
Der Grundstock des Schatzes, der nicht verloren gehen kann, ist uns für das ganze Leben schon in die Wiege gelegt: Aus diesem Schatz stammt Ermutigung Jesu: «Fürchte dich nicht du kleine Herde.»
So haben schon die Propheten ihr Volk Israel in seiner wechselhaften Geschichte immer wieder aufgerichtet. Für Jesus war es die Standardbegrüssung in der Begegnung mit Eingeschüchterten und Verängstigten – in der ganzen Geschichte seiner verzagten, verfolgten oder nicht vollgenommenen Gefolgschaft bis heute.
Dieses «Fürchte dich nicht!» hat einen tiefen, alle Gegenargumente schlagenden Grund: «Euer Vater», sagt Jesus, und macht Gott, seinen Vater, damit auch für uns zum Vater und so uns zu seinen Töchtern und Söhnen, «Euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben.» Es ist unumstösslich: «Alles, was mein ist, ist auch dein,» – lässt Jesus den barmherzige Vater im Gleichnis sagen. Grösser kann unser Schatz nicht sein und nichts kann ihn verderben und zerstören, kein Mensch in seiner Bosheit, keine Macht der Welt. Der ganze Reichtum Gottes ist uns zugesprochen, sein unendliches väterliches und mütterliches Lieben, das alles geschaffen hat, das jede und jeden von uns ins Leben gerufen hat.
Seine Liebe macht uns selbst zu seinem bestgehüteten Schatz. Sein Lieben macht unser eigenes Lieben möglich, lässt uns teilhaben an seiner Schöpferkraft, ist in uns Ansporn, kreativ und gewitzt zu einer lebensfreundlichen, menschenfreundlichen Welt beizutragen, uns zur Freude und zum Glück ohne Verfall.
In die Wiege gelegt ist uns mit den Schätzen Gottes auch das Fiebern nach Schätzen: Die Aussicht auf Schätze fasziniert, belebt, mobilisiert, bringt Geschichte in Gang. Bei allem, was uns umtreibt, geht es, näher betrachtet, um das Suchen, Finden, Vermehren, Bewahren von Schätzen.
So ein Jackpot von 40 Millionen, wie er kürzlich geknackt wurde, mag dabei elektrisieren und blenden. Erfahrungsgemäss ist davon mitsamt dem Glück meist alles schnell dahin.
Weit wertvoller, das Leben bereichernder sind Schätze, die Menschen einander werden, Partnerin und Partner für ein Leben in Liebe, Freunde, Freundinnen, Helfer in Not, Krankheit und Leid.
Auch ein solcher Schatz – wir kennen das – kann zwar zerfliessen, versickern. Manchmal fehlt es am aufmerksamem Warten, Wachen und Achten, daran, gegürtet zu bleiben, bereit zu neuem Aufbrechen, bereit zu neuem Lieben, zu dienen und nicht zu beherrschen. Bleiben Spuren von Liebe, die bedauert und verzeiht, trägt es dennoch bei zum Glanz des Schatzes, der aufgehoben ist bei Gott.
Jesus legt uns heute ans Herz: Der Schatz, uns anvertraut von Gott, will entdeckt, gehütet und gepflegt werden, dass er seinen Glanz und Wert behalten und mehren kann. Er braucht, wachsamen und achtsamen Sinn, dass er nicht verblasst. Umso leichter wird dies fallen, je mehr er uns als Schatz bewusst wird, je anhaltender wir uns ihn vergegenwärtigen. Denn wo unser Schatz ist, da ist auch unser Herz. Bleiben wir auf Entdeckungsreise!
Bleiben wir am Glauben, Hoffen, Lieben! Sie sind der Blütenschatz der ewigen Liebe Gottes. Am grössten von ihnen ist die Liebe.