
P. Patrick Weisser am Pfingstmontag
„Herr, sende den Mitgliedern der Regierung deinen Heiligen Geist, den sie so bitter nötig haben.“
Diese offensichtlich sehr regierungskritische Fürbitte wurde bei einem feierlichen Gottesdienst der englischen Regierung vorgetragen, bei dem auch die damalige Königin Victoria anwesend war. Die Königin bekam bei dieser Fürbitte einen Lachkrampf.
Fürbitten dieser Art sind natürlich nicht schön, weil Gottes Geist damit verzweckt, für die eigenen politischen und kirchenpolitischen Anliegen missbraucht wird. Aber wenigstens rechnet man noch mit Gott.
Es gibt auch andere Einstellungen. Da ist zum Beispiel der Atheismus, der nicht an Gott glaubt, oder der in der Aufklärungszeit beliebte so genannte Deismus, der zwar die Existenz Gottes nicht leugnet, dafür aber behauptet, Gott kümmere sich nicht mehr um diese Welt.
Ob wir nun Gott für die eigenen Zwecke instrumentalisieren oder ob wir denken, Gott kümmere sich nicht wirklich um diese Welt: Der Glaube an die Geistsendung an Pfingsten behauptet das genaue Gegenteil.
Der christliche Glaube an die Geistsendung an Pfingsten besagt nichts anderes, als dass Gott durch seinen Geist in dieser Welt gegenwärtig und wirksam bleibt.
Wie ist diese Geistsendung an Pfingsten, diese Gegenwart Gottes in der Welt zu verstehen? Das ist für uns Menschen nicht ganz einfach, denn wir können uns Gottes Geist nicht vorstellen. Die biblischen Bilder von Wolke, Taube, Wasser, Feuer und Wind sind eben nur Bilder, Symbole.
Dennoch gibt es ein paar wichtige Aussagen, die mit dem christlichen Verständnis von Pfingsten, von der Aussendung des Heiligen Geistes, verbunden sind.
So bedeutet die Aussendung von Gottes Geist an Pfingsten einmal die Freisetzung von uns Menschen. Den zurückgebliebenen ersten Jüngern und damit auch uns ist es übergeben, an der Erlösung der Menschen und der Welt tatkräftig mitzuwirken.
Im 1. Korintherbrief schreibt Paulus: „Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt.“ (1Kor 12,7.) Und im JohEv sagt Jesus: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ (Joh 20,21.)
Durch die Geistsendung sind wir berufen, an Gottes Erlösungswerk mitzuarbeiten. Wir sind freie Mitarbeiter Gottes und nicht bloss seine Marionetten. Unser Leben hat einen Sinn.
Allerdings gilt es dabei, ein Missverständnis zu vermeiden. Wenn Gott uns Menschen seinen Geist sendet und uns damit freisetzt, selbständig am Erlösungswerk mitzuarbeiten, dann bedeutet das nicht, dass wir Menschen nun alles aus eigener Kraft wirken müssten. Das wäre Selbstüberforderung.
Gott sendet uns nicht seinen Geist und überlässt uns dann allein das Werk der Erlösung – nein: In seinem Geist ist Gott selber gegenwärtig unter uns, allerdings nicht so, dass er alles selber wirkt, sondern als unser „Begleiter“, „Beistand“ und „Tröster“, wie der Heilige Geist gerne genannt wird.
Gottes Gegenwart und sein Wirken unter uns ist diskret. Er zwingt sich nicht auf. Er wirkt dort, wo es notwendig ist, und er wirkt so, wie es sinnvoll ist.
Die berühmte Pfingstsequenz beschreibt dieses diskrete Wirken von Gottes Geist unter anderem als Licht in finstrer Nacht, als Ruhe in der Unrast, als Kühlung in der Hitze und als Trost in Leid und Not.
Der Heilige Geist löst also nicht einfach all unsere Probleme, aber er überlässt sie uns auch nicht einfach allein. Er ist bei uns gegenwärtig als unser diskreter Begleiter, Beistand und Tröster.
„Herr, sende den Mitgliedern der Regierung deinen Heiligen Geist, den sie so bitter nötig haben.“ Ein solches Gebet kann ja einmal nützlich sein, um den Verantwortlichen in Kirche und Staat einen diskreten (oder auch nicht so diskreten) Denkanstoss zu geben. Aber ein solches Gebet beschreibt nicht, wie wir Christen das Wirken des Heiligen Geistes tatsächlich verstehen.
Das alte Mönchtum kennt einen besseren Vorschlag, ein anderes Gebet, um in Gottes Gegenwart zu leben und das eigene Leben doch auch selbst in die Hand zu nehmen. Dieses uralte Gebet stammt aus Psalm 70 und wird noch heute zu Beginn der klösterlichen Gebetszeiten gesprochen. Es lautet: „O Gott, komm mir zu Hilfe, Herr, eile mir zu helfen.“ (Ps 70,2.)
Die frühen Mönche lieben dieses Gebet vor allem als so genanntes „immerwährendes“ oder „Herzensgebet“, d.h. als ein Gebet, das sie beständig und in jeder Situation begleitet, um ihr Leben bewusst in Gottes Gegenwart zu führen.
Der Mönchsvater Johannes Cassian, gestorben im Jahr 435, verfasst zu diesem Gebet eine eigene Abhandlung und empfiehlt es in allen Lebenssituationen.
Cassian schreibt: „Nicht zu Unrecht wurde nämlich dieser [Psalm-]Vers ausgewählt. Denn er nimmt alle Regungen, denen die menschliche Natur fähig ist, in sich auf und passt sich jeder Lage und Begebenheit ganz entsprechend an.“
Durch dieses Gebet ist Christus dem Gott suchenden Menschen auf dem Weg seines Lebens stets gegenwärtig.
Diese Gewissheit von Gottes Gegenwart durchzieht die ganze Benediktsregel und kommt in vielen Formulierungen zum Ausdruck. Nicht zuletzt im benediktinischen Motto „damit in allem Gott verherrlicht werde“. (RB 57,9.)
Indem wir bewusst unser Leben führen und dabei doch auf Gottes Gegenwart vertrauen, gehen wir unseren Weg voll Hoffnung und Zuversicht – auch dann, wenn dieser Weg nicht leicht ist.
Noch einmal Cassian: „Der Mönch hat bei der Betrachtung der eigenen Gebrechlichkeit das Vertrauen auf Erhörung und die Zuversicht auf immer gegenwärtigen und daseienden Schutz. Wer nämlich seinen Schützer stetig anruft, ist überzeugt, dass er immer gegenwärtig ist.“
Benedikts Klostergründung auf Montecassino und seine Regel im 6. Jh. ist der Versuch, im Glauben an Gottes Gegenwart in einer dunklen Zeit ein sinnvolles Leben zu führen. Das ist auch in unserer Zeit notwendig. Pfingsten, Gottes Gegenwart in unserem Leben, macht es möglich.
Amen.