
P. Cyrill Bürgi am Dritten Sonntag in der Osterzeit
Liebe Brüder und Schwestern im HERRN,
Im Evangelium scheinen die Apostel noch recht verunsichert. Sie wissen nicht recht, wie sie mit der neuen Situation umgehen sollen. Jesus hat sich als lebendig erwiesen, trotzdem ist nichts mehr wie vorher. Er wandert nicht mehr mit ihnen umher das Reich Gottes verkündend und Zeichen und Wunder wirkend. Sie können sich ihm nicht einfach anhängen und ihm folgen und sich in seinem Ruhm und Erfolg sonnen. Und wenn Jesus dann sich bei gewissen Momenten zeigt, erkennen sie ihn kaum. Sie sind sich sicher, dass er es ist und doch möchten sie jeweils fragen: «Wer bist du?» Als Jesus noch unter ihnen wandelte, war alles klar. Sie wussten, was zu tun war. Nun aber verstehen sie nicht, wie sie weitergehen sollen. Sie spüren, dass sie nicht einfach so tun können, als sei nichts geschehen und doch fühlen sie sich ratlos und wie in einer Sackgasse. Aus Mangel an Alternativen tun sie das, was sie vorher taten: fischen.
Machen wir einen Schritt vorwärts in der Geschichte der Apostel – mindestens 50 Tage, in die Zeit nach Pfingsten. Die Apostel sind durch den Heiligen Geist aus ihrer Lethargie erwacht. Sie wirken Zeichen und Wunder im Namen Jesu. Sie predigen im Tempel. Dort werden sie zwar verhaftet, doch des Nachts auf wunderbare Weise befreit, stehen sie am anderen Morgen wieder predigend im Tempel. Dann das Verhör vor den Hohepriestern. Hier sind sie nicht mehr die ratlosen, verängstigten Jünger, sondern sprechen mit einem neuen Selbstbewusstsein eher vollmundig: «Zeugen dieser Ereignisse sind wir und der Heilige Geist!» Den Heiligen Geist für sich zu beanspruchen, scheint uns doch ein wenig überzogen, ja grosstuerisch. Nachdem sie so grosse Mühe hatten, die Auferstehung Jesu anzunehmen, dürfen sie dann so grossspurig reden? Und für welche Ereignisse sind sie überhaupt Zeugen? Schauen wir mal ihr Zeugnis genau an:
«Der Gott unserer Väter hat Jesus auferweckt, den ihr ans Holz gehängt und ermordet habt. Ihn hat Gott als Anführer und Retter an seine rechte Seite erhoben, um Israel die Umkehr und Vergebung der Sünden zu schenken. Zeugen dieser Ereignisse sind wir und der Heilige Geist, den Gott allen verliehen hat, die ihm gehorchen» (Apg 5,30-32).
Von all dem, was sie hier aufzählen, haben die Apostel rein gar nichts mit den eigenen Augen gesehen. Sie haben nicht gesehen, dass Gott Jesus auferweckt hat. Sie haben nur gesehen, wie Jesus wieder lebendig erschienen ist. Sie konnten nur im Heiligen Geist verstehen, dass Gottvater die Auferweckung bewirkt hat.
Sie haben auch nicht gesehen, dass Gott Jesus als Anführer und Retter eingesetzt hat. Sie haben nicht gesehen, dass Gott Jesus an seine rechte Seite erhoben hat. Bei der Auffahrt Christi haben sie nur gesehen, wie er von den Wolken aufgenommen wurde (Apg 1,9), sie haben aber Jesus nicht zur Rechten Gottes erhoben gesehen. Die Apostel können nur durch die Hilfe des Heiligen Geistes bezeugen, dass Gott Jesus als Anführer und Retter an seine rechte Seite erhoben hat und dadurch die Umkehr und Vergebung der Sünden schenkt. Nur in der Kraft des Heiligen Geistes können sie Jesus als den auferweckten, erhöhten Erlöser und Sohn Gottes bezeugen. Ohne den Heiligen Geist könnte auch Johannes im Fischerboot nicht sagen: «Es ist der HERR!», das heisst «der Sohn Gottes, der Messias!» Später wird dieser Johannes in seinem Brief schreiben: «Jeder Geist, der Jesus Christus bekennt als im Fleisch gekommen, ist aus Gott» (1 Joh 4,2) und «Jeder, der glaubt, dass Jesus der Christus ist, ist aus Gott gezeugt» (1 Joh 5,1). Die Apostel sind aus sich selbst nicht fähig, Jesus als den von Gottvater auferweckten Retter, als den zu Gottes Rechten erhöhten Menschensohn zur Vergebung der Sünden zu bezeugen. Erst der Heilige Geist befähigt sie dazu. So sprechen sie nach Pfingsten nicht grosstuerisch, sondern kraftvoll aus neuem Selbstbewusstsein, ja aus einer neuen Identität: «Zeugen dieser Ereignisse sind wir und der Heilige Geist!». Kraft dieses Geistes und ihrer neuen Identität können sie später auch weitreichende Entscheidungen fällen. Beim Apostelkonzil werden sie wiederum sagen, «der Heilige Geist und wir haben beschlossen, keine weitere Last aufzuerlegen» (Apg 15,28), nämlich die Beschneidung für die neuen Jünger aus dem Nicht-Judentum fallen zu lassen. Diese Vollmacht nehmen sie nicht aus sich selbst, sondern aufgrund ihrer neuen Identität als in der Vollmacht des Heiligen Geistes gesandte Jünger des auferstandenen Jesus Christus.
Gehen wir noch einmal einen Schritt weiter in unsere Zeit. Dieser Heilige Geist ist nicht nur den Aposteln verliehen. Sie sagen ausdrücklich: «Wir und der Heilige Geist, der allen verliehen ist, die ihm gehorchen.» Der Heilige Geist spricht in allen, die dem Evangelium gehorchen. Wir alle können nur im Heiligen Geist wirklich und aus innerster Überzeugung glauben und bekennen: «Jesus ist Gottes Sohn, unser Herr, aufgefahren in den Himmel; er sitzt zu Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen, zu richten die Lebende und die Toten». Dieses Bekenntnis ist ein Erweis des Heiligen Geistes, denn «jeder, der glaubt, dass Jesus der Christus ist, ist aus Gott gezeugt» (1 Joh 5,1). Und deswegen dürfen wir ruhig sagen «Wir und der Heilige Geist!» Und dass man diesem Geist mehr gehorchen muss als den Menschen, hat Petrus am eigenen Leib erfahren. Jesus hat ihn nicht umsonst drei Mal gefragt: «Liebst du mich?» Und aus dieser Liebe kommt der Gehorsam: «Weide meine Schafe! – Ein anderer wird dich gürten und dich führen, wohin du nicht willst» (Joh 21,18). Wir alle sind mit dem Geist Gottes erfüllt und sind diesem Geist im Gehorsam verpflichtet. Manchmal vergessen wir die neue Wirklichkeit und sind ganz auf uns selbst bezogen. Wir sind wie die Jünger auf dem See ratlos und lethargisch im Glauben und deswegen auch ohne Frucht. Wir denken nur an uns und rechnen nicht mit der Dimension des Heiligen Geistes. Oder wir verwechseln unsere Meinung mit dem Heiligen Geist und sagen «Ich und der Heilige Geist», dabei heisst es «Wir und der Heilige Geist». Der Geist Gottes führt zur Gemeinschaft mit Christus und seiner Kirche, auch wenn das manchmal gegen den eigenen Willen geht.
Mit grosser Dankbarkeit dürfen wir alle bekennen: «Zeugen dieser Ereignisse sind wir und der Heilige Geist». Diese Ereignisse beziehen sich nicht nur auf die Auferstehung Jesu; sie schliessen auch die Güte, den Trost, das Vertrauen, das wir – trotz allem – in unserem Alltag erfahren, mit ein. Es ist der Heilige Geist, der uns in den kleinen Dingen des Lebens Gottes Spuren erkennen lässt. Es ist der Heilige Geist, der uns in dem Vielerlei unseres Lebens Vertrauen fassen und aufrecht gehen lässt. Der Heilige Geist ist nicht nur eine Beigabe, ein frommes Anhängsel, sondern gehört wesentlich zu unserer christlichen Identität. In diesem Sinn dürfen wir nachher das Glaubensbekenntnis ablegen und Eucharistie feiern: Wir und der Heilige Geist!