P. Lorenz Moser am Ostermontag

18.04.2022

Mit diesen Worten, liebe Brüder und Schwestern, hat Jesus, nach der Schilderung des Evangelisten Johannes, sein irdisches Leben beendet. Seine oft beschwerliche, am Schluss gar qualvolle Aufgabe ist vollendet, sein Auftrag erfüllt, er nimmt Abschied von dieser Welt. Für seine Anhänger bricht damit eine ganze Welt zusammen; Erwartungen, Hoffnungen, Zukunftsvisionen nehmen ein abruptes Ende. „Wir hatten doch gehofft“, so sprechen die Emmaus Jünger gleichsam stellvertretend für alle, die Jesus nachgefolgt sind, „und nun ist schon der dritte Tag“.

Uns ist dieses Loch, in das die Jünger Jesu gefallen sind, kaum mehr bewusst; es hat auch in der Osterliturgie gar keinen Platz, denn in der Osternacht wird kurz und bündig verkündet: „Christus ist erstanden“, und damit steht der Auferstandene vor uns mit all den Vorstellungen, die sich im Lauf der Zeit über ihn herauskristallisiert haben. Anders als für die Jünger nach dem Karfreitag ist für uns der Auferstehungsglaube schon längst zum festen Glaubensgut geworden, grundgelegt durch die Evangelien und vor allem durch Paulus, ausgedeutet und erklärt durch die Theologen im Verlauf der Jahrhunderte, formuliert in einzelnen Glaubenssätzen.

Aber ist dieser Glaube an den Auferstandenen so selbstverständlich? Was beinhaltet er eigentlich? Wir tun gut daran, uns für einen Moment in die Lage des damaligen Jüngerkreises zurückzuversetzen und nachzuspüren, wie der Auferstehungsglaube in ihnen allmählich erwacht ist – er war nämlich nicht von Anfang an da.

Zwei Gedanken möchte ich dabei kurz aufgreifen.

Ein erster Gedanke: der Auferstandene ist überall und nirgends.

Nirgends: der Auferstandene ist nicht der wiederbelebte Leichnam, der sich irgendwo finden und lokalisieren liesse wie Jesus, als er noch unter den Jüngern lebte. Darstellungen des Auferstandenen dürfen deshalb nicht zu wörtlich verstanden werden, denn der Auferstandene lebt in einer neuen Art und in einer neuen Dimension, die die Grenzen unserer irdischen Welt übersteigt. Paulus, der übrigens Jesus nicht gekannt hat, wird nicht müde, auf diese neue Wirklichkeit hinzuweisen, die unvorstellbar anders ist als unsere gegenwärtige Erfahrungswelt.

Weil er – irdisch gesehen – nirgends ist, kann er überall sein, wie es sich in den verschiedenen österlichen Erscheinungen des Auferstandenen zeigt: er ist da – auf dem Weg nach Emmaus, im Abendmahlssaal, am Seeufer – und ist doch wieder nicht da.

Das bedeutet für unseren Glauben an den Auferstandenen, dass wir ihm in den verschiedensten Situationen unseres Lebens, ja überall begegnen können, aber wir können ihn nicht festhalten, er entzieht sich unserem Zugriff. Und weil er überall ist, begleitet er auch mich durch mein ganzes Leben – sich dieser Tatsache bewusst sein, das ist Auferstehungsglaube.

Und ein zweiter Gedanke.

Der Glaube an der Auferstandenen ist ein in Gemeinschaft geteilter Glaube. Alle Männer und Frauen, die dem Auferstandenen nach der Katastrophe vom Karfreitag begegnet sind, mussten ihre Erfahrung mit ihren Kolleginnen und Kollegen teilen und durch den gegenseitigen Austausch bestätigen lassen. So ist der Glaube an den Auferstandenen entstanden und immer selbstverständlicher geworden. Als die Emmaus Jünger den Herrn beim Brotbrechen erkannt hatten, kehrten sie sofort nach Jerusalem zurück, um diese Erfahrung mit den übrigen Jüngern zu teilen.

So braucht auch meine eigene Glaubenserfahrung die Bestätigung durch die andern. Das ist der Grund, warum Religion – zumindest unsere christliche Religion, nicht reine Privatsache sein kann. Als Christinnen und Christen müssen wir uns den Glauben gegenseitig bestätigen lassen. Das ist der Kern der christlichen Glaubensgemeinschaft, der Kirche.

Leider geht dieser Aspekt der Kirche sehr oft und sehr leicht verloren, indem der Dienstleistungscharakter im Vordergrund steht und sie hauptsächlich als Institution verstanden wird. Und wie jede andere Institution hat auch die Kirche ihre Schattenseiten, das wissen wir mittlerweile zur Genüge.

Kirche ist aber in erster Linie Gemeinschaft der Gläubigen, Gemeinschaft jener, die die Erfahrung des Auferstandenen gemacht haben und diese Erfahrung miteinander teilen. Wir können jetzt zwar nicht miteinander reden und unsere Gotteserfahrungen miteinander austauschen, so schön das wäre, aber wir wissen voneinander, dass wir alle als Getaufte Tempel Gottes, Tempel des hl. Geistes sind, dass der Auferstandene in uns wohnt.

Möge das Osterfest uns diese Tatsache wieder neu ins Bewusstsein rufen. Amen.