
P. Gerhard Stoll zum Meinradstag 2022
Am 21. Januar feiern wir das Hochfest des heiligen Meinrad (+861), auf dessen Zelle Kloster und Dorf Einsiedeln zurückgehen. P. Gerhard Stoll hielt zum Festtag folgende Predigt:
Als der Heilige Meinrad um das Jahr 826 sein Heimatkloster auf der Bodenseeinsel Reichenau verlassen hatte und auf dem Berg Etzel bei Einsiedeln angekommen war – so berichtet die Legende – da habe er in seinem Reisegepäck nur gehabt: eine Ausgabe der Heiligen Schrift und eine Ausgabe der Klosterregel des Heiligen Benedikt. Dieses Original gibt es immer noch: es wurde im Dezember 2013 bei der Abtsweihe seinem 59ten Nachfolger, unserem Abt Urban Federer, symbolisch überreicht – als Mahnung, dass er unsere Klostergemeinschaft immer wieder an ihre Quellen führt. Bis zu einer weiteren Abtsweihe wird dieses Original sicher aufbewahrt in den Kellerräumen unserer Klosterbibliothek.
In den Lebensberichten des Heiligen Meinrad wird nicht erwähnt, wie oft der hochgebildete Meinrad darin gelesen hat – die Gebete der Heiligen Schrift und die wichtigsten Texte der Benediktsregel kannte er wahrscheinlich auswendig. Heute brauchen wir Mönche von Einsiedeln stapelweise Bücher – aneinandergereiht ungefähr 130 cm – um zu den verschiedenen Tages- und Jahreszeiten gemeinsam gut und richtig beten und singen zu können. Was die Einfachheit auch des Betens betrifft, hat die Heilige Theresa von Avila uns ermahnt: «Gott allein genügt»!
Liebe Gemeinde, der Hauptgedanke, der diese Meinradspredigt durchziehen soll, ist «Nahe bei Gott sein – das genügt». Berge waren immer schon Orte der Gottesnähe – Orte der Gottesbegegnung. Schon im Alten Testament – denken wir nur mal an den Berg Sinai oder Horeb; hier erschien Gott dem Mose im Brennenden Dornbusch und übergab ihm die Gesetzestafeln. Oder der Berg Karmel; hier sprach Gott zum Propheten Elija. Und dann die Traumgeschichte des Stammvaters Jakob: er sah im Traum eine Leiter, die bis zum Himmel reichte und Jakob sagte beim Erwachen: Wahrlich, Gott ist an diesem Ort, und ich merkte und wusste das nicht.
Stellen wir uns vor: der Gottesberg Etzel – ein heiliger Ort – die ganze Umgebung von Einsiedeln ein geheiligtes Land – und niemand würde heutzutage mehr etwas davon merken! Auf dem Gottesberg Etzel bei Einsiedeln fühlte sich Meinrad Gott so nahe, dass es nichts mehr brauchte zwischen Gott und ihm, keinen Luxus, keinen Zeitvertreib – nur Gott wollte er hier nahe sein. – Die Nähe zu Gott sollte ihm genügen! 7 Jahre hat Meinrad seine Beziehung zu Gott auf dem Gottesberg Etzel gestärkt. Dann um 835 ging er hinab in den Finsteren Wald nach Einsiedeln. War das nun ein «spiritueller» Abstieg, so fern von seinem Gottesberg Etzel? Oder war Meinrad hier unten bei den Menschen im Finsteren Wald näher bei Gott? – Näher mein Gott zu Dir.
Ja, und dann kamen viele Menschen zu Meinrad, Helfer, die ihn versorgten und ihn «verwöhnten». Vor allem kamen Hilfesuchende, die er wiederum reichlich beschenkte in Rat und Tat. Leider kamen auch 2 Räuber, die seine Gastfreundschaft herausforderten.
Wir sehen: Einsiedeln ein heiliger Ort; aber auch ein lebensgefährlicher Ort; ein Ort, um heilig werden zu können – vielleicht auch heute noch! Aber Meinrads Licht leuchtete weiter, denn es war ja nicht sein Licht, sondern das Licht Christi, das durch ihn leuchtete. Und als viele Jahre später Meinrad als Leichnam 1039 wieder zurückkam, bzw. von seinem Heimatkloster, in dem man ihn bestattet hatte, zurückgebracht wurde, da war in Einsiedeln in der Zwischenzeit ein Geistliches Zentrum entstanden. – Bis heute noch!
Wir sehen: «Gott allein genügt – und es braucht Menschen, die allein auf ihn vertrauen und Nähe suchen.
Ich wünsche uns allen einfache Herzen, eine gewisse Genügsamkeit, vor allem aber ein grenzenloses Gottvertrauen – dann sind auch wir ihm nahe – dann gilt für uns «Näher mein Gott zu Dir» Einsiedeln, Kloster und Dorf – mit dem Heiligen Meinrad verbunden – unterwegs zu Gott! Gemeinsam wollen wir Gott näherkommen! Näher mein Gott zu Dir!