
Predigt am Dreifaltigkeitssonntag 2021
Predigt von P. Daniel Emmenegger am Dreifaltigkeitssonntag, 30. Mai 2021
Lesungen: Dtn 4,32-34.39-40; Mt 28,16-20
«Auf der menschlichen Ebene ist eine Person ein Wesen, und zwei Personen sind immer zwei getrennte Wesen – genauso, wie in zwei Dimensionen (etwa auf einem Blatt Papier) ein Quadrat eine Figur ist und zwei Quadrate immer zwei getrennte Figuren sind. Auf der göttlichen Ebene gibt es immer noch Persönlichkeiten, doch da oben können sie sich auf neue Arten verbinden, die wir, weil wir nicht auf dieser Ebene leben, uns nicht vorstellen können. In Gottes Dimension gibt es also ein Wesen, das aus drei Personen besteht und zugleich ein Wesen bleibt, so wie ein Würfel aus sechs Quadraten besteht und immer noch ein Würfel bleibt.»[1] —
Schwestern und Brüder, es ist Dreifaltigkeitssonntag! Wenn man an einem solchen Fest beauftragt wird zu predigen, beginnt man sich bald einmal den Kopf darüber zu zerbrechen, wie man über das Geheimnis der Dreifaltigkeit gegenüber der zum Gottesdienst versammelten Gemeinde überhaupt sprechen soll. Wenn es einem selber dabei an Kreativität mangelt, greift man auf andere, unendlich kreativere Köpfe zurück, indem man sie zitiert – so, wie ich dies jetzt getan habe durch Zitieren des bewundernswert kreativen christlichen Denkers und Schriftstellers C. S. Lewis.
Es gibt aber eine Gefahr: Nämlich die, dass man vor lauter Nachdenken darüber, wie man über das Geheimnis der Dreifaltigkeit sprechen soll, eines vergisst: Nämlich zu hören! Und zwar ganz konkret auf Gottes Wort, wie es in der Lesung aus dem alttestamentlichen Buch Deuteronomium und aus dem Evangelium im Rahmen dieses Gottesdienstes, der ja das Fest der Dreifaltigkeit ist, an unsere Ohren drang. Zumindest auf drei Dinge scheinen mir die Schriftlesungen uns heute aufmerksam machen zu wollen:
Erstens: Die Dreifaltigkeit ist nicht zuerst ein fast undurchdringliches Geheimnis, das wir irgendwie in Worte fassen und verständlich machen müssten, sondern die Art und Weise, wie Gott sich uns Menschen zeigt. Und wie zeigt er sich? Er zeigt sich als der Auferstandene, wie er im Evangelium vor den elf Aposteln steht. Dieser ist kein anderer als der jüdische Wanderprediger Jesus von Nazareth, mit dem die Jünger umhergezogen sind, wohl aber beginnt es den Jüngern allmählich zu dämmern, dass da mehr ist als nur ein Mensch. Bedenken Sie die Reaktion der elf Jünger als sie Jesus sahen: Sie begrüssten ihn keineswegs wie einen alten Bekannten. Nein: Sie fallen auf die Knie, und einige haben auch dann noch Zweifel! Vor ihnen steht Gott, der als dieser konkrete Mensch Jesus am Kreuz gehangen, wirklich gestorben und aus dem Tod – von Gott! – auferweckt worden ist. Dieses Ganze steht als der Auferstandene vor den elf Aposteln. Wenn Sie sich nun zurecht fragen, wie es denn sein kann, dass Gott tot ist und zugleich aus dem Tod auferweckt, dann beginnen Sie schon zu ahnen, warum wir Christen von einem dreifaltigen Gott reden. Es beginnt aber alles beim grundlegenden Bekenntnis, dass sich uns in Jesus Gott selbst zeigt.
Zweitens macht uns das heutige Evangelium darauf aufmerksam, dass das Geheimnis der Dreifaltigkeit nicht ein Tummelplatz für Theologen ist, sondern Gott, der sich allen Menschen zeigen will – nicht nur den Weisen und Klugen, sondern allen: «Geht zu allen Völkern; macht alle Menschen zu meinen Jüngern und tauft sie». Gott will sich allen Menschen zeigen. Das ist eine unglaubliche Zusage an den Menschen, denn es bedeutet, dass jeder Mensch Gott erkennen kann. Dazu braucht er keine Theologen. So sehr sie uns durchaus eine Hilfe sein können, so sehr können sie uns auch unendlich verwirren: Der oberste «Durcheinanderwirbler», der Diabolus bzw. der Teufel ist eben schlau und der Mensch naiv – auch mit Doktortitel in Theologie. Gott will sich allen Menschen zeigen, und jeder Mensch kann Gott erkennen. Dabei kommt Gott nicht in unsere Welt wie auf einem Laufsteg in einer Modeschau, um sich uns auf diese Weise zu zeigen, während wir mehr oder weniger Anteil nehmend, aber doch distanziert daneben stehen. Gott gibt uns Einblick in sein inneres Wesen – und dieses Wesen ist Leben und bedeutet für uns Teilhabe an diesem Leben, das in uns hineinströmen will. Darauf verweist der Aufruf des Auferstandenen, die Menschen zu taufen. Durch die Taufe wird dem Menschen Anteil an Gottes Leben gegeben. Sie kann jeder Mensch empfangen, der das will.
Drittens machen uns die heutigen Schriftlesungen darauf aufmerksam, dass die Dreifaltigkeit keine Erfindung irgend eines genialen Menschengeistes ist. Sie lässt sich eben gerade nicht er-finden. Nichts in der Welt ist auf-findbar, mit dem so etwas wie die Dreifaltigkeit gedacht oder konstruiert werden könnte. Entsprechend hörten wir in der Lesung: «Forsche nach von einem Ende des Himmels bis zum anderen Ende: Hat sich je etwas so Grosses ereignet wie dieses, und hat man je solche Worte gehört?» (Dtn 4,32). Wie gesagt, brauchen wir keine Theologen, um Gott zu erkennen, aber um das Zeugnis der Apostel, die vom Auferstandenen selbst zu allen Völkern und allen Menschen gesandt sind – um dieses Zeugnis kommen wir nicht herum! Von irgendwoher muss uns gesagt werden, was bis anhin kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist (1 Kor 2,9) und auch nicht in den Sinn kommen kann. Ohne die Annahme dieses apostolischen Zeugnisses in Bekenntnis und Taufe macht die Rede von der Dreifaltigkeit nicht nur keinen Sinn, sie ist gar nicht erst möglich!
Das alles macht es uns nun nicht einfacher, vom Geheimnis der Dreifaltigkeit zu sprechen. Aber einfach muss es ja auch nicht sein. Denn: «Wäre das Christentum unsere Erfindung, können wir es natürlich auch leichter machen. Aber das ist es nicht. Was die Einfachheit angeht, können wir es nicht mit Leuten aufnehmen, die ihre Religion selbst erfinden. Wie sollten wir auch? Wir haben es mit Tatsachen zu tun. Einfache Erklärungen kann jeder geben, wenn er sich um Tatsachen nicht zu kümmern braucht.»[2] Das war jetzt wieder ein Zitat von C. S. Lewis.
Was will man hier noch hinzufügen? – Vielleicht noch dies: Amen.
[1] C. S. Lewis, Pardon, ich bin Christ, S. 177f.
[2] C. S. Lewis, Pardon, ich bin Christ, S. 181.